S. 302 / Nr. 44 Obligationenrecht (d)

BGE 75 II 302

44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1949 i. S.
Denzler gegen Gut.


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Regeste:
Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven, Art. 181 OR. Begriff der
Mitteilung der Übernahme an die Gläubiger.
Cession d'une entreprise avec actif et passif, art. 181 CO. Notion de la
communication de la cession aux créanciers.
Assunzione d'un patrimonio con 1'attivo e il passivo, art. 181 CO. Concetto
della comunicazione dell'assunzione ai creditori.

Aus dem Talbestand:
Der Beklagte Denzler, Kommanditär der Firma Dettwiler & Co., übernahm deren
Geschäft mit Aktiven und Passiven. Der Kläger Gut, Buchhalter bei der
genannten Firma, belangte den Obernehmer für rückständige Gehalts- und
Darlehensansprüche. Seine Klage wird geschützt.
Aus den Erwägungen:
1. ­ ... b) Der Beklagte bestreitet, dass die nach Art. 181 OR für die
Übernahme der Passiven erforderliche Mitteilung der Geschäftsübernahme an die
Gläubiger oder deren Auskündung in öffentlichen Blättern erfolgt sei.
Die Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven setzt aber entgegen der
Meinung des Beklagten nicht eine Mitteilung des Übernehmers direkt an die
Gesamtheit oder doch an die überwiegende Mehrheit der Gläubiger voraus, dass
er auch die Passiven des Geschäfts übernommen habe. Die von Art. 181 OR
geforderte Übernahmemitteilung besteht ihrem Inhalte nach lediglich in der
Kundgabe, dass der Übernehmer an die Stelle des bisherigen Geschäftsinhabers
getreten sei. Es genügt also eine Willensäusserung oder ein sonstiges
Verhalten des Übernehmers, woraus ein Aussenstehender, insbesondere ein
Gläubiger, nach Treu und Glauben im Verkehr auf die Übernahme des ganzen
Geschäftes schliessen darf. Einer besonderen Erklärung, dass auch die Passiven
übernommen worden seien, bedarf es nicht. Diese gehen vielmehr ohne weiteres

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mit der Kundgabe der Geschäftsübernahme auf den Erwerber über, soweit nicht
ausdrücklich das Gegenteil erklärt wird. Ein derartiger Vorbehalt ist hier
aber weder intern noch nach aussen gemacht worden, speziell auch nicht
gegenüber dem Kläger.
Der Beklagte geht sodann auch fehl, wenn er meint, dass Art. 181 OR eine
Bekanntmachung der Geschäftsübernahme « in handelsüblicher Weise » verlange,
was nur durch Auskündung in öffentlichen Blättern oder durch Zirkularschreiben
geschehen könne, während eine Erklärung oder Mitteilung bloss an einen
einzelnen Gläubiger nicht genüge.
Eine Bekanntmachung der Geschäftsübernahme in handelsüblicher Weise verlangt
das deutsche Recht in § 25 HGB. Art. 181 OR hat nun zwar vom deutschen Recht
den Grundgedanken übernommen, dass es bei Übernahme eines ganzen Geschäftes
zum Übergang der Geschäftsschulden auf den Übernehmer, anders als bei der
gewöhnlichen Schuldübernahme, der Zustimmung des Gläubigers nicht bedürfe,
sondern dass die blosse Kundgabe des Übernahmewillens durch den neuen
Geschäftsinhaber gegenüber den Gläubigern genügt. Im Gegensatz zum deutschen
Recht verlangt aber Art. 181 OR nicht eine handelsübliche Kundgabe, sondern er
lässt nach seinem Sinn und Zweck jede Art der Mitteilung an die Gläubiger zu;
diese kann erfolgen durch Auskündung in öffentlichen Blättern, durch Anschlag,
durch Zirkular an alle Gläubiger, durch mündliche oder schriftliche Mitteilung
an einen oder mehrerer Gläubiger. Die Besonderheit der öffentlichen
Auskündigung besteht nur darin, dass sie die Vermutung begründet, sie sei
allen Gläubigern zur Kenntnis gekommen, so dass der neue Inhaber sie unter
allen Umständen sich muss entgegenhalten lassen. Die übrigen Mitteilungsformen
dagegen setzen zu ihrer Wirksamkeit das Zugehen an die Gläubiger voraus. Unter
dieser Voraussetzung hat aber auch eine bloss einem einzigen Gläubiger
gegenüber erfolgte Kundgabe Bedeutung. Freilich wirkt

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sie naturgemäss nur gegenüber dem betreffenden Gläubiger, nicht auch gegenüber
den andern. Das verhält sich aber auch so bei Mitteilung durch
Zirkularschreiben, soweit es einzelnen Gläubigern nicht zugegangen ist; auch
bei Zirkularschreiben handelt es sich um Einzelmitteilungen, die im Gegensatz
zur öffentlichen Auskündung keine Vermutung der Kenntnis zu begründen
vermögen. So ist auch der vom Beklagten zu Unrecht kritisierte BGE 60 II 105,
Erw. 1 am Ende, zu verstehen. Es ist in der Tat nicht einzusehen, warum die
besondere Mitteilung der Geschäftsübernahme bloss an einen einzelnen Gläubiger
oder die je nach Anlass und Gelegenheit sukzessive an mehrere Gläubiger
ergehende Mitteilung für die betreffenden Gläubiger nicht die Wirkung gemäss
Art. 181 OR haben sollte.
Schliesslich bestreitet der Beklagte das Vorliegen einer rechtswirksamen
Mitteilung im Sinne von Art. 181 OR noch mit der Behauptung, diese Mitteilung
sei nicht vom Geschäftsübernehmer selber ausgegangen, sondern es sei die
Geschäftsübertragung mit Aktiven und Passiven dem Kläger im Anschluss an die
Übernahmeverhandlungen durch den bisherigen Gesellschafter Laubbacher
angezeigt worden.
Nach der für das Bundesgericht massgebenden Tatbestandsfeststellung der
Vorinstanz hat aber der Kläger, der als Buchhalter im Geschäft tätig war und
bei allen den in Frage stehenden Transaktionen mitzuwirken hatte,
selbstverständlich von den vom Beklagten vorgenommenen Rechtshandlungen
Kenntnis erhalten. Das genügt aber, wie schon in BGE 60 II 105 angenommen
wurde, für den Schuldübergang. Übrigens hätte auch die Bekanntgabe durch
Laubbacher ausgereicht; denn die Mitteilung kann wie bei der gewöhnlichen
Schuldübernahme (Art. 176 Abs. 2 OR) auch vom Schuldner ­ oder von einem von
mehreren Solidarschuldnern ­ in Vertretung des Übernehmers vorgenommen werden,
was hier anzunehmen wäre
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 75 II 302
Date : 01. Januar 1948
Published : 18. Oktober 1949
Source : Bundesgericht
Status : 75 II 302
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven, Art. 181 OR. Begriff der Mitteilung der Übernahme an...


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