S. 27 / Nr. 9 Strafgesetzbuch (d)

BGE 74 IV 27

9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. März 1948 i.S. Hörler
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

Regeste:
Art. 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB, Veruntreuung.
1. Bereicherungsabsicht als Tatbestandsmerkmal auch der Veruntreuung im Sinne
von Ziff. 1 Absatz 2; Begriff der Bereicherung (Erw. 2 und 3 a).
2. Ausschluss der Strafbarkeit bei Ersatzbereitschaft; Voraussetzungen,
insbesondere boi Ersatz durch Verrechnung mit Gegenforderungen (Erw. 2 und 3
b).
Art. 140 CP, abus de confiance.
1. Le dessein d'enrichissement est aussi un élément constitutif de l'abus de
confiance au sens du ch. 1 al. 2; notion de l'enrichissement (consid. 2 et 3
a).
2. Conditions auxquelles la volonté et la possibilité de remplacer la chose
confiée excluent la punissabilité de l'auteur, notamment en cas de
compensation avec des créances du lésé (consid. 2 et 3 b).
Art. 140 CP, appropriazione indebita.
1. L'intenzione di arricchirsi è pure un elemento costitutivo
dell'appropriazione indebita ai sensi della cifra 1, cp. 2; concetto
dell'arricchimento (consid. 2 e 3 a).
2. Condizioni, alle quali la volontà e la possibilità di sostituire la cosa
affidata escludono la punibilità dell'autore, segnatamente in caso di
compensazione con crediti del leso (consid. 2 e 3 b).

A. ­ Carl Hörler war seit dem 1. Juli 1926 Reisevertreter der Weinhandlung
Gebr. Wettstein im Hombrechtikon.

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Er hatte die ostschweizerischen Wirte und Privatkunden zur Entgegennahme von
Bestellungen aufzusuchen und war zum Inkasso ermächtigt. Als Entgelt bezog er
ein festes Gehalt sowie eine Provision auf dem Umsatz, die anfänglich 1 %,
später 2 % betrug und nach dem Anstellungsvertrag zur Hälfte in bar
ausbezahlt, zur Hälfte «in Form einer Altersrente» bei der Firma angelegt und
von ihr verzinst wurde. Ausserdem wurden ihm die Reisespesen vergütet.
Hörler erzielte in den Jahren 1942 bis 1944 Umsätze von durchschnittlich über
Fr. 300,000.­. Er war bei den Kunden sehr beliebt, zumal er bei seinen
Besuchen beträchtlich konsumierte. Dabei leistete er sich jedoch Auslagen, die
den für Spesen üblichen Betrag erheblich überstiegen. Da er diese
Überschreitungen seiner Arbeitgeberin nicht einzugestehen wagte und auch nicht
erwarten konnte, dass diese sie billigen und dafür aufkommen würde, deckte er
den über die rapportierten Spesen hinausgehenden Aufwand in der Weise, dass er
Gelder, die er auf Grund seiner Inkassovollmacht einzog, der Arbeitgeberin bei
den wöchentlichen Abrechnungen nicht ablieferte. Die Entdeckung dieser
Unregelmässigkeiten durch die Arbeitgeberin oder die Kunden suchte er dadurch
zu verhindern, dass er die Rechnungsauszüge, die ihm die Arbeitgeberin
zuhanden der Kunden mitgab, ihnen nicht aushändigte, sondern für sich behielt
oder beiseite schaffte.
Als die Arbeitgeberin im Juni 1943 feststellte, dass Hörler eingezogene Gelder
nicht abgeliefert hatte, anerkannte dieser, Fr. 8393.­ in verschiedenen Posten
unterschlagen zu haben. Gleichzeitig erklärte er sich damit einverstanden,
dass von den «bei seiner Arbeitgeberfirma angelegten Kapitalien von Fr.
23,876.10» (offenbar der Altersfonds) ein Betrag von Fr. 15,000.­
ausgeschieden und auf ein Kautionskonto übertragen wurde «als Sicherheit für
die vorzunehmende Inkassoberechtigung und richtige Ausübung seines
Vertreterberufes». Der Anstellungsvertrag lief im übrigen weiter.

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Ende April 1946 stellte die Arbeitgeberin fest, dass Hörler wiederum
eingezogene Gelder nicht abgeliefert hatte. Zur Rede gestellt, anerkannte
Hörler am 12. Mai 1945 schriftlich, in der Zeit vom Juli 1943 bis Mai 1945
(weitere) Fr. 18,739.­ veruntreut zu haben. Die Arbeitgeberin entliess ihn
hierauf fristlos und deckte ihren Schaden, indem sie den genannten Betrag dem
Kautions- und dem Kontokorrent-Konto Hörlers belastete.
B. ­ Am 9. Dezember 1947 erklärte das Sohwurgericht des Kantons Zürich Hörler
der wiederholten fortgesetzten Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs.
2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB in einem unbestimmten, Fr. 8000.­ nicht übersteigenden Betrag schuldig
und verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von acht
Monaten.
C. ­ Hörler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Schwurgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des
Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung wird
geltend gemacht:
Auch bei der Veruntreuung im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB sei die
Bereicherungsabsicht Tatbestandsmerkmal, obwohl der Wortlaut der Bestimmung
nicht dafür zu sprechen scheine. Wegen Veruntreuung hätte der Beschwerdeführer
daher nur bestraft werden dürfen, wenn sich ergeben hätte, dass er in der
Absicht, sich unrechtmässig zu bereichern, gehandelt habe. Das sei aber nicht
der Fall, weil seine Arbeitgeberin keinen Schaden erlitten habe. Bei
Abrechnungsverhältnissen gelte nur derjenige Betrag als unterschlagen, für den
der Geschädigte ungedeckt bleibe. Ein Gegenanspruch schliesse die Verurteilung
wegen Veruntreuung aus. Das gleiche gelte für denjenigen, der subjektiv
willens und objektiv in der Lage sei, Ersatz zu leisten. Nach den Umständen
liege es näher, dass der Beschwerdeführer zum Ersatz des Schadens bereit war,
als dass er die Inkassi endgültig habe verheimlichen wollen. Das Kautions- und
das Kontokorrent-Konto

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des Beschwerdeführers hätten zusammen über Fr. 9000.­ mehr betragen als der
Schaden.
D. ­ Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt Abweisung der
Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Obwohl der Beschwerdeführer unbestrittenermassen insgesamt Fr. 26,285.90
an Kundengeldern eingezogen und seiner Arbeitgeberin vorenthalten hat,
erklärte ihn das Schwurgericht Zürich der Veruntreuung nur in einem Fr. 8000.­
nicht übersteigenden Betrage schuldig. Welches die Gründe dieser Einschränkung
sind, ist dem Wahrspruch der Geschworenen nicht zu entnehmen. Vermutlich
wollten sie damit zum Ausdruck bringen, dass der Beschwerdeführer das nicht
abgelieferte Geld nur, soweit er es für private Zwecke verbrauchte,
«unrechtmässig in seinem Nutzen verwendete», nicht dagegen, soweit er damit
zusätzliche Reisespesen deckte. Dass dies die Meinung der Geschworenen war,
ergibt sich auch daraus, dass der Schwurgerichtshof bei der Strafzumessung
davon ausging, der Beschwerdeführer habe die Gelder «zum grösseren Teil für
Geschäftsspesen» und «nur in unbedeutendem Masse für seine privaten Zwecke»
verwendet.
2. ­ Nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB macht sich strafbar, wer anvertrautes
Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen
verwendet. Von der Absicht unrechtmässiger Bereicherung ist dabei, im
Gegensatz zu Abs. 1, nicht ausdrücklich die Rede. Dass sie aber auch bei Abs.
2 Tatbestandsmerkmal ist, darf schon daraus geschlossen werden, dass die
Aneignungsdelikte, zu denen die Veruntreuung gehört und in deren Zusammenhang
sie auch geregelt ist (Diebstahl, Raub, Unterschlagung und
Fundunterschlagung), alle als Bereicherungsdelikte ausgestaltet sind. Dazu
kommt, dass die Ersatzbereitschaft die Strafbarkeit widerrechtlicher
Verwendung anvertrauten Gutes ausschliessen kann.

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Fähigkeit und Wille zum Ersatz vermögen aber nicht, die unrechtmässige
Verwendung zur (objektiv) rechtmässigen zu machen; sie können höchstens dazu
führen, die Bereicherungsabsicht zu verneinen. Der Kassationshof hat denn auch
von jeher ohne nähere Begründung als selbstverständlich angenommen, dass die
Absicht unrechtmässiger Bereicherung Tatbestandsmerkmal auch der Veruntreuung
im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 sei (nicht veröffentlichte Urteile vom
26. Januar 1945 i S. Passer, vom 19. Oktober 1945 i.S. Pfister, vom 22.
Februar 1946 i. S. Wyler und vom 8. Mai 1947 i. S. Stalder). Hieran ist
festzuhalten, da sonst nicht einzusehen wäre, wieso die Ersatzbereitschaft der
Strafbarkeit unrechtmässiger Verwendung anvertrauten Gutes entgegenstehen
sollte. Eine solche Einschränkung ist aber nötig, um den Tatbestand der
Veruntreuung vernünftig zu begrenzen. Wer anvertrautes Geld für eigene
Bedürfnisse ausgibt, verwendet es wohl unrechtmässig zu seinem Nutzen; er ist
jedoch nicht wegen Veruntreuung strafbar, wenn er sich dabei nicht zu
bereichern beabsichtigt, sondern gewillt ist, das Geld zu ersetzen, und auch
sicher ist, es jederzeit, jedenfalls aber auf den Zeitpunkt der
pflichtgemässen Rückgabe (Abrechnung) aus seinen Mitteln ersetzen zu können
(vgl. die hievor angeführten Urteile i.S. Passer, Pfister, Wyler und Stalder).
3. ­ Beim Beschwerdeführer lag indessen die Absicht unrechtmässiger
Bereicherung offensichtlich vor, und zwar nicht nur, soweit er das eingezogene
Geld für private Zwecke verbrauchte, sondern auch, soweit er es für
Geschäftsspesen ausgab, weshalb dahingestellt bleiben kann, wieviel für jeden
dieser Zweck verwendet wurde.
a) Bereicherung sind neben den Vorteilen, die sich jemand unmittelbar durch
Verwendung anvertrauten Gutes verschafft, auch mittelbare Vorteile, die ihm
ohne die unrechtmässige Verwendung nicht zugekommen wären. Indem der
Beschwerdeführer bei den zur Entgegennahme von Bestellungen aufgesuchten
Wirten erheblich konsumierte,

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verschaffte er sich zunächst den Vorteil einer komfortableren Lebenshaltung
auf den Geschäftsreisen. Ferner liessen sich die Wirte durch diese
Konsumationen zu grösseren Bestellungen bewegen, was zur Folge hatte, dass die
auf dem Umsatz berechneten Provisionen des Beschwerdeführers stiegen. Um diese
teils unmittelbaren, teils mittelbaren Vorteile hat sich der Beschwerdeführer
durch die unbestrittenermassen unrechtmässige Verwendung eingezogener
Kundengelder bereichert
b) Der Beschwerdeführer bestreitet denn auch die Bereicherungsabsicht nicht,
weil ihm aus seinem Verhalten keine Vorteile erwachsen wären, sondern unter
Berufung auf die Ersatzbereitschaft. Dabei verweist er auf seine Guthaben bei
der Arbeitgeberin, aus denen diese ihren Schaden vollständig decken konnte.
Gegenforderungen des Täters gegen den Geschädigten schliessen indessen die
Verurteilung wegen Veruntreuung nicht ohne weiteres aus. Ob und unter welchen
Umständen die Fähigkeit zum Ersatze durch Verrechnung den Täter zu entlasten
vermag, was insbesondere bei Inkassoaufträgen näherer Prüfung bedarf (ZR 1945
Nr. 115, SJZ 1948 S. 128), kann hier offen bleiben, da beim Beschwerdeführer
jedenfalls der Ersatzwille fehlte, er bei der unrechtmässigen Verwendung
anvertrauten Gutes nicht willens war, es rechtzeitig zu ersetzen. Die
Verrechnung von Gegenforderungen tritt nicht von selbst ein, sondern setzt
eine Willenserklärung voraus (vgl. Art. 120
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 120 - 1 Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen.
1    Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen.
2    Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegenforderung bestritten wird.
3    Eine verjährte Forderung kann zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zurzeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war.
OR). In Abrechnungsverhältnissen
kann deshalb der Ersatzwille höchstens angenommen werden, wenn derjenige, der
anvertrautes Gut für sich verwendet hat, bei der Abrechnung die Verrechnung
erklärt, nicht dagegen, wenn er die unrechtmässige Verwendung verheimlicht und
erst dann zur Verrechnung bereit ist, wenn seine Verfehlungen entdeckt werden.
So verhält es sich aber im vorliegenden Falle. Der Beschwerdeführer, der über
die eingezogenen Gelder wöchentlich abzurechnen hatte, hat dabei nie die
Verrechnung der zurückbehaltenen Gelder mit seinen

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Forderungen gegen die Arbeitgeberin erklärt, sondern hat diese Inkassi
verheimlicht; die Arbeitgeberin hat sie erst nach längerer Zeit zufällig
entdeckt. Er war daher jedenfalls zum Ersatz auf den Zeitpunkt, auf den dieser
zu leisten gewesen wäre, nicht gewillt, was für den Tatbestand der
Veruntreuung genügt, auch wenn nicht noch durch besondere Machenschaften, wie
die Unterdrückung von Rechnungsauszügen, die Entdeckung der Verfehlungen
verhindert worden wäre. Die nach der Entdeckung erfolgte Verrechnung der
gegenseitigen Ansprüche des Beschwerdeführers und seiner Arbeitgeberin ist
nachträgliche Schadensdeckung und ohne Einfluss auf die bereits vollendeten
Veruntreuungen. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis
führen, dass ein Angestellter, der eine Kaution hinterlegt hat oder gegen
seine Arbeitgeberin Forderungen besitzt, bis zu deren Höhe ungestraft das
Vertrauen der Arbeitgeberin missbrauchen und das ihm von dieser anvertraute
Gut für sich verwenden dürfte.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 27
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 24. März 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 27
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 140 StGB, Veruntreuung.1. Bereicherungsabsicht als Tatbestandsmerkmal auch der Veruntreuung im...


Gesetzesregister
OR: 120
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 120 - 1 Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen.
1    Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen.
2    Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegenforderung bestritten wird.
3    Eine verjährte Forderung kann zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zurzeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war.
StGB: 140
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
BGE Register
74-IV-27
Stichwortregister
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geld • vorteil • bereicherung • schaden • kassationshof • bereicherungsabsicht • ersetzung • besteller • wille • kontokorrent • weiler • umsatz • verurteilung • geschworener • strafgesetzbuch • ausgabe • wirkung • widerrechtlichkeit • kosten • sicherstellung • begründung des entscheids • dauer • schadenersatz • kantonales rechtsmittel • diebstahl • vermutung • verurteilter • strafzumessung • richtigkeit • raub • erwachsener • inkasso • betrug • sucht • altersrente • vorinstanz • mass • verhalten • bezogener • monat
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SJZ
1948 S.128
ZR
1945 Nr.115