BGE 74 IV 132
35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. September 1948 i. S.
Walthert gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste:
Art. 21
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 118 - 1 Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer eine Schwangerschaft mit Einwilligung der schwangeren Frau abbricht oder eine schwangere Frau zum Abbruch der Schwangerschaft anstiftet oder ihr dabei hilft, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Wer eine Schwangerschaft ohne Einwilligung der schwangeren Frau abbricht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr166 bis zu zehn Jahren bestraft. |
3 | Die Frau, die ihre Schwangerschaft nach Ablauf der zwölften Woche seit Beginn der letzten Periode abbricht, abbrechen lässt oder sich in anderer Weise am Abbruch beteiligt, ohne dass die Voraussetzungen nach Artikel 119 Absatz 1 erfüllt sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
4 | In den Fällen der Absätze 1 und 3 tritt die Verjährung in drei Jahren ein.167 |
wenn sie einen Dritten anfrägt, ob er zur Abtreibung bereit sei?
Art. 21 et 118 CP. La femme enceinte qui demande à un tiers s'il est disposé à
la faire avorter commence-t-elle d'exécuter le délit réprimé par l'art. 118
CP?
Art. 21 e 118 CP. La persona incinta che domanda ad un terzo se è disposto a
farla abortire comincia l'esecuzione del delitto represso dall'art. 118 CP?
A. Am 9. März 1946 nannte Walthert der schwangeren Frau K., die sich die
Leibesfrucht abtreiben lassen wollte, gegen eine Entschädigung von Fr. 250.
die Adresse des Arztes Dr. B., der die Tat begehen würde. Frau K. begab sich
ins Haus des Dr. B., traf diesen jedoch nicht und erfuhr durch seine Ehefrau,
dass er nicht abtreibe. Als Frau K. hierauf von Walthert das Geld
zurückverlangte, nannte er ihr Frau G. als angebliche Abtreiberin und
begleitete sie zu dieser Frau. Als auch Frau G. den Eingriff ablehnte, riet er
Frau K., die Abtreibung in Genf vornehmen zu lassen. Frau K. verfolgte jedoch
ihre Absicht nicht weiter.
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B. Am 2. Juli 1948 erklärte das Obergericht des Kantons Luzern Walthert der
Gehülfenschaft zum unvollendeten Versuch der Abtreibung nach Art. 25, 21 und
118 schuldig und verurteilte ihn.
C. Walthert ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an. Er
beantragt, es sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Hülfe, die er Frau K. auf dem Wege zur beabsichtigten
Abtreibung der Leibesfrucht geleistet hat, sieht er als straflose
Vorbereitungshandlung an, weil man nicht sagen könne, Frau K. hätte nach den
Anfragen bei Frau Dr. B. und Frau G. ihre Absicht nicht mehr aufgeben können;
der Tatbestand beweise übrigens gerade das Gegenteil.
D. Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Ausführungen des Obergerichts.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Wegen Gehülfenschaft zu einem Abtreibungsversuch kann der Beschwerdeführer,
wie die Vorinstanz mit Recht annimmt, nur dann bestraft werden, wenn Frau K.
einen solchen Versuch unternommen hat.
Versuch setzt nach Art. 21 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat», und zur
«Ausführung» zählt die Rechtsprechung des Kassationshofes schon jede
Tätigkeit, welche nach dem Plane, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Wege
zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der
Regel kein Zurück mehr gibt (BGE 71 IV 211). Gemeint ist das Zurück, zu dem
sich der Täter unbeeinflusst von äusseren, der Weiterverfolgung seiner Absicht
in den Weg tretenden Schwierigkeiten entschliesst. Der Beschwerdeführer geht
daher fehl, wenn er aus der Tatsache, dass Frau K. schliesslich die Absicht
der Abtreibung aufgegeben hat, ableiten will, ihr Entschluss sei noch nicht
zur Tat reif gewesen, habe immer noch
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aufgegeben werden können. Es waren äussere Umstände, die sie von Dr. B. zu
Frau G. führten und, als sie auch in dieser keine Helferin fand, vom geplanten
Vergehen Abstand nehmen liessen. Allein damit ist an sich nicht gesagt, dass
das, was sie getan hat, im Sinne der erwähnten Rechtsprechung bereits zur
Ausführung der Tat gehörte. Mag auch Frau K. fest entschlossen gewesen sein,
die Leibesfrucht abtreiben zu lassen, so kann doch nicht gesagt werden, dass
es für eine Frau, die sich mit einem solchen Entschlusse erstmals in der
Wohnung eines Arztes oder bei einer anderen ihr nicht näher bekannten Person
meldet, normalerweise kein Zurück mehr gebe. Das würde voraussetzen, dass nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge unter solchen Umständen die Abtreibung auf
erstes Begehren hin unverzüglich vorgenommen werde, etwa so, wie einem Kunden,
der einen Laden betritt, normalerweise die gewünschte Ware anstandslos
verkauft und sofort übergeben wird. Von solcher Geschäftsabwicklung kann im
Gebiete der unerlaubten Abtreibungen nicht einmal dann die Rede sein, wenn
was im vorliegenden Falle nicht zutrifft die angegangene Person
grundsätzlich gegenüber jedermann zur Begehung des Verbrechens bereit ist,
denn selbst in einem solchen Falle wird der ersten Fühlungnahme die Abtreibung
in der Regel nicht auf dem Fusse folgen, sondern zuerst Zeit und Ort der Tat
vereinbart werden, sodass der Schwangeren genügend Musse bleibt, auf ihren
Entschluss zurückzukommen. Den letzten entscheidenden Schritt, wie ihn die
Rechtsprechung verlangt, tut sie erst, wenn sie unter Umständen, die eine
ungehinderte und ununterbrochene Verwirklichung ihrer Absicht voraussehen
lassen, sich dem Abtreiber zur Vornahme des verbrecherischen Eingriffs stellt.
Hat somit Frau K. das Vergehen nicht auszuführen begonnen, sondern bloss
vorbereitet, so muss der Beschwerdeführer von der Anklage der Gehülfenschaft
zu einem Abtreibungsversuch freigesprochen werden.