S. 176 / Nr. 29 Prozessrecht (d)

BGE 74 II 176

29. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. November 1948 i.S.
Giacometti gegen Giacometti.


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Regeste:
Berufung kann nur einlegen, wer durch das angefochtene Urteil beschwert wird
(Erw. 1). ­ Begriff des Endentscheides im Sinne von Art. 48 OG (Erw. 2).
Umwandlung der Scheidungs- in eine Trennungsklage. Verhältnis zwischen
Bundeszivilrecht (Art. 146 ZGB) und kantonalem Prozessrecht (Erw. 3).
Recours en réforme. Seul peut recourir en réforme celui auquel le jugement
attaqué fait tort (consid. 1). ­ Notion du jugement final au sens de l'art. 48
OJ (consid. 2).
Conversion de l'action en divorce en action en séparation de corps. Rapports
entre le droit fédéral (art. 146 CC) et la procédure cantonale (consid. 3).
Ricorso per riforma. Può ricorrere per riforma soltanto chi è leso nei propri
interessi dal giudizio impugnato (consid. 1). ­ Nozione della decisione finale
ai sensi dell'art. 48 OGF (consid. 2)
Conversione di un'azione di divorzio in azione di separazione dei coniugi.
Rapporti tra il diritto civile federale (art. 146 CC) e il diritto processuale
cantonale (consid. 3).

Die Klägerin stellte beim Vermittleramt Andermatt das Begehren um Scheidung
der Ehe, verlangte dann aber in der Klageschrift, die sie beim Landgericht
Ursern einreichte, nur noch die Trennung auf unbestimmte Zeit. Der Beklagte
erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und beantragte eventuell, die
Klage sei wegen unzulässiger Klageänderung aus dem Rechte zu weisen. Das
Obergericht Uri verwarf die Unzuständigkeitseinrede (Dispositiv 1), wies
dagegen die Klage «aus prozessformellen Gründen» aus dem Rechte, «weil das
Rechtsbegehren entgegen den prozessualen Vorschriften nach dem
Vermittlervorstande abgeändert wurde» (Dispositiv 2). Das Bundesgericht tritt
auf die gegen Dispositiv 1 gerichtete Berufung des Beklagten nicht ein und
hebt Dispositiv 2 in Gutheissung der Berufung der Klägerin auf.

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Begründung:
1. ­ Da die Vorinstanz die Klage von der Hand gewiesen hat, ist durch das
angefochtene Urteil ausschliesslich die Klägerin und in keiner Weise der
Beklagte beschwert. Dispositiv 1, das die Unzuständigkeitseinrede des
Beklagten verwirft, besagt nur, dass die Klage nicht etwa schon wegen
örtlicher Unzuständigkeit von der Hand gewiesen werden könne. Dieses
Dispositiv hat also (wie der zweite Teil von Dispositiv 2) nicht die Bedeutung
eines Urteilsspruches, sondern nur diejenige eines Entscheidungsgrundes. Daher
ist auf die Berufung des Beklagten nicht einzutreten.
2. ­ Der Beklagte betrachtet die Berufung der Klägerin als unzulässig, weil
das angefochtene Urteil kein Endentscheid im Sinne von Art. 48 OG sei. Wäre
der Begriff des Endentscheides im Sinne dieser Bestimmung dem Begriff des
Haupturteils, wie ihn die Rechtsprechung zu Art. 58 des frühern OG aufgefasst
hat, in jeder Beziehung gleichzusetzen, so könnte auf die Berufung der
Klägerin in der Tat nicht eingetreten werden, weil die Vorinstanz über den
eingeklagten zivilrechtlichen Anspruch (den Trennungsanspruch der Klägerin)
nicht materiell entschieden, sondern die Klage aus prozessualen Gründen von
der Hand gewiesen hat, und weil nicht die Rede davon sein kann, dass die
Klägerin durch diesen prozessualen Entscheid von der Verfolgung ihres
materiellen Anspruchs endgültig ausgeschlossen, d. h. an der Einreichung einer
neuen Trennungsklage gehindert werde. Der Begriff des Endentscheides ist
jedoch weiter als derjenige des Haupturteils. In den Fällen, wo das
Bundesgericht erklärte, auch das neue OG lasse die Berufung nur beim Vorliegen
eines Sachentscheides (jugement portant sur le fond même d'une contestation
civile, sentenza di merito) oder eines Entscheides zu, der in seinen Wirkungen
einem Sachentscheide gleichkommt (BGE 71 II 250, 72 II 55, 57190, 323),
stellte sich im Grunde genommen nur die Frage, ob Entscheide über

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Massnahmen provisorischen Charakters (vorläufige Eintragung eines dinglichen
Rechts, Bestellung eines Erbenvertreters, Eheschutzmassnahmen, Aufnahme eines
Güterverzeichnisses, vorsorgliche Massnahmen nach Einleitung des
Scheidungsprozesses) nach dem neuen OG anders als nach dem frühern mit der
Berufung angefochten werden können. In diesen Fällen war m.a.W. nur über die
Frage zu befinden, ob die Berufung an das Bundesgericht heute wie früher einen
Entscheid voraussetzt, der in einem Verfahren ergangen ist, das auf die
endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch den Richter
(oder eine andere Spruchbehörde) abzielt. Wenn das Bundesgericht diese Frage
auf Grund der Erwägung bejahte, dass bei der Revision des O(l ein Ausbau der
Bundesrechtspflege durch Ausdehnung auf weitere Materien nicht bezweckt war
(BGE 72 II 57), so folgt daraus nicht notwendig, dass unter dem neuen OG auch
alle andern Voraussetzungen für die Berufung weitergelten, die unter dem
frühern OG aus dem Erfordernis des Haupturteils abgeleitet wurden. Namentlich
folgt aus der Bejahung dieser Frage nicht, dass ein Entscheid, der ein
Verfahren der erwähnten Art abschliesst, nur dann einen Endentscheid im Sinne
von Art. 48 OG darstelle, wenn das betreffende Verfahren sein Ziel wirklich
erreicht, d. h. zu einem Sachentscheid oder zu einem andern Entscheid von
gleicher Wirkung geführt hat. Als Endentscheid muss vielmehr jeder in einem
solchen Verfahren ergangene Entscheid gelten, der das Verfahren beendigt. Nur
diese Auslegung wird dem Wortlaut des Gesetzes und der Tatsache gerecht, dass
für die Rüge der Bundesrechtsverletzung in berufungsfähigen Zivilsachen (vom
staatsrechtlichen Rekurs wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte
abgesehen) heute nur noch das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung steht
(vgl. BBl 1943 S. 117/8 und Art. 68 OG, wonach die Nichtigkeitsbeschwerde nur
in Zivilsachen zulässig ist, die in keinem Stadium des Verfahrens der Berufung
unterliegen). Das angefochtene Urteil ist ein

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Endentscheid im Sinne dieser Begriffsbestimmung. Auf die Berufung der
Klägerin, die auch allen andern gesetzlichen Erfordernissen entspricht, ist
daher einzutreten.
3. ­ Nach BGE 41 II 200 ist es mit Art. 146 ZGB unvereinbar, dass der
kantonale Richter dem Ehegatten, der seine Scheidungsklage noch vor dem Urteil
in eine Trennungsklage umgewandelt hat, das nach kantonalem Prozessrecht
bestehende Verbot der Klageänderung entgegenhält. Hieran ist grundsätzlich
festzuhalten. Da die Trennung gleich wie die Scheidung den Nachweis eines
Scheidungsgrundes zur Voraussetzung hat, kann im Übergang von der Scheidungs-
zur Trennungsklage nicht eine eigentliche Klageänderung, sondern nur eine
Einschränkung der ursprünglichen Klage gesehen werden. Es könnte sich
höchstens fragen, ob dem Kläger der Übergang von der Scheidungs- zur
Trennungsklage nur solange zu gestatten sei, als nach kantonalem Prozessrecht
der beklagte Gatte die Möglichkeit hat, nun seinerseits noch Widerklage auf
Scheidung zu erheben, oder ob die kantonalen Gerichte allenfalls zu
verpflichten seien, eine durch solche Einschränkung der Klage provozierte
Widerklage auf Scheidung in jedem Stadium des Verfahrens zuzulassen. Diese
Fragen brauchen jedoch heute nicht entschieden zu werden, weil die
Scheidungsklage im vorliegenden Fall schon in der mit dem Weisungsschein
eingereichten Klageschrift auf eine Trennungsklage eingeschränkt worden ist,
und weil nach urnerischem Prozessrecht eine allfällige Widerklage mit der
Klageantwort verbunden werden kann (Art. 129 lit. c
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 129 - La procédure est conduite dans la langue officielle du canton dans lequel l'affaire est jugée. Les cantons qui reconnaissent plusieurs langues officielles règlent leur utilisation dans la procédure.
ZPO), und zwar auch dann,
wenn sie nicht bereits vor dem Vermittler angebracht worden ist. Letzteres
wird mittelbar durch Art. 110
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 110 Recours - La décision sur les frais ne peut être attaquée séparément que par un recours.
ZPO bestätigt, wo es heisst, eine Widerklage
könne auch anlässlich des Vermittlervorstandes angebracht werden.
Darf das kantonale Prozessrecht den Übergang von der Scheidungs- zur
Trennungsklage mit Rücksicht auf Art. 146 ZGB nicht verhindern, so muss es
doch vor dem Bundesrecht nur soweit zurückweichen, als notwendig ist, um dem

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klagenden Gatten jenen Schritt zu ermöglichen. Die Formen des kantonalen
Prozessrechts sind also von demjenigen, der sein Scheidungsbegehren auf ein
Trennungsbegehren einschränkt, soweit als tunlich zu wahren. Hätte sich die
Klägerin schon bald nach dem Vermittlungsvorstand entschlossen, auf Trennung
statt auf Scheidung zu klagen, so wäre ihr deshalb zuzumuten gewesen, gemäss
Art. 109
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 109 Répartition en cas de transaction - 1 Les parties qui transigent en justice supportent les frais conformément à la transaction.
1    Les parties qui transigent en justice supportent les frais conformément à la transaction.
2    Les art. 106 à 108 sont applicables dans les cas suivants:
a  la transaction ne règle pas la répartition des frais;
b  elle défavorise de manière unilatérale la partie au bénéfice de l'assistance judiciaire.
ZPO die Anordnung eines neuen Vermittlungsvorstandes zu verlangen,
bevor sie die Trennungsklage beim Gericht einreichte. Es bestehen jedoch keine
Anhaltspunkte dafür, dass sie diesen Entschluss schon längere Zeit vor der am
29. November 1947 erfolgten Klageeinleitung beim Gericht gefasst hätte. Ende
November stand ihr mit Rücksicht auf die Fristen von Art. 106
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 106 Règles générales de répartition - 1 Les frais sont mis à la charge de la partie succombante. La partie succombante est le demandeur lorsque le tribunal n'entre pas en matière et en cas de désistement d'action; elle est le défendeur en cas d'acquiescement.
1    Les frais sont mis à la charge de la partie succombante. La partie succombante est le demandeur lorsque le tribunal n'entre pas en matière et en cas de désistement d'action; elle est le défendeur en cas d'acquiescement.
2    Lorsqu'aucune des parties n'obtient entièrement gain de cause, les frais sont répartis selon le sort de la cause.
3    Lorsque plusieurs personnes participent au procès en tant que parties principales ou accessoires, le tribunal détermine la part de chacune aux frais du procès. Il peut les tenir pour solidairement responsables.
ZPO nicht mehr
genügend Zeit zur Verfügung, um vor Ablauf der 60tägigen Klagefrist (Art. 114
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 114 Procédure au fond - Il n'est pas perçu de frais judiciaires dans la procédure au fond pour:
a  les litiges relevant de la loi du 24 mars 1995 sur l'égalité49;
b  les litiges relevant de la loi du 13 décembre 2002 sur l'égalité pour les handicapés50;
c  les litiges portant sur un contrat de travail ou relevant de la loi du 6 octobre 1989 sur le service de l'emploi et la location de services51, lorsque la valeur litigieuse n'excède pas 30 000 francs;
d  les litiges relevant de la loi du 17 décembre 1993 sur la participation52;
e  les litiges portant sur des assurances complémentaires à l'assurance-maladie sociale au sens de la loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie53;
f  les litiges portant sur de la violence, des menaces ou du harcèlement au sens de l'art. 28b CC55 ou les décisions d'ordonner une surveillance électronique au sens de l'art. 28c CC;
g  les litiges relevant de la LPD57.

ZPO), die vom Vermittlungsvorstand (3. Oktober 1947) an lief (Art. 120
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 120 Retrait de l'assistance judiciaire - Le tribunal retire l'assistance judiciaire lorsque les conditions d'octroi ne sont plus remplies ou qu'il s'avère qu'elles ne l'ont jamais été.
ZPO),
das Verfahren vor dem Vermittler nochmals durchzuführen. Daher war ihr von
Bundesrechts wegen zu gestatten, unmittelbar bei Einreichung der gerichtlichen
Klage von dem vor Vermittler gestellten Scheidungsbegehren zum blossen
Trennungsbegehren überzugehen.
4. ­ (Der angefochtene Entscheid lässt sich nicht mit der Begründung
aufrechterhalten, dass die urnerischen Gerichte unzuständig seien.)
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 74 II 176
Date : 01 janvier 1948
Publié : 18 novembre 1948
Source : Tribunal fédéral
Statut : 74 II 176
Domaine : ATF - Droit civil
Objet : Berufung kann nur einlegen, wer durch das angefochtene Urteil beschwert wird (Erw. 1). ­ Begriff...


Répertoire des lois
CC: 146
CPC: 106 
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 106 Règles générales de répartition - 1 Les frais sont mis à la charge de la partie succombante. La partie succombante est le demandeur lorsque le tribunal n'entre pas en matière et en cas de désistement d'action; elle est le défendeur en cas d'acquiescement.
1    Les frais sont mis à la charge de la partie succombante. La partie succombante est le demandeur lorsque le tribunal n'entre pas en matière et en cas de désistement d'action; elle est le défendeur en cas d'acquiescement.
2    Lorsqu'aucune des parties n'obtient entièrement gain de cause, les frais sont répartis selon le sort de la cause.
3    Lorsque plusieurs personnes participent au procès en tant que parties principales ou accessoires, le tribunal détermine la part de chacune aux frais du procès. Il peut les tenir pour solidairement responsables.
109 
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 109 Répartition en cas de transaction - 1 Les parties qui transigent en justice supportent les frais conformément à la transaction.
1    Les parties qui transigent en justice supportent les frais conformément à la transaction.
2    Les art. 106 à 108 sont applicables dans les cas suivants:
a  la transaction ne règle pas la répartition des frais;
b  elle défavorise de manière unilatérale la partie au bénéfice de l'assistance judiciaire.
110 
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 110 Recours - La décision sur les frais ne peut être attaquée séparément que par un recours.
114 
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 114 Procédure au fond - Il n'est pas perçu de frais judiciaires dans la procédure au fond pour:
a  les litiges relevant de la loi du 24 mars 1995 sur l'égalité49;
b  les litiges relevant de la loi du 13 décembre 2002 sur l'égalité pour les handicapés50;
c  les litiges portant sur un contrat de travail ou relevant de la loi du 6 octobre 1989 sur le service de l'emploi et la location de services51, lorsque la valeur litigieuse n'excède pas 30 000 francs;
d  les litiges relevant de la loi du 17 décembre 1993 sur la participation52;
e  les litiges portant sur des assurances complémentaires à l'assurance-maladie sociale au sens de la loi fédérale du 18 mars 1994 sur l'assurance-maladie53;
f  les litiges portant sur de la violence, des menaces ou du harcèlement au sens de l'art. 28b CC55 ou les décisions d'ordonner une surveillance électronique au sens de l'art. 28c CC;
g  les litiges relevant de la LPD57.
120 
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 120 Retrait de l'assistance judiciaire - Le tribunal retire l'assistance judiciaire lorsque les conditions d'octroi ne sont plus remplies ou qu'il s'avère qu'elles ne l'ont jamais été.
129
SR 272 Code de procédure civile du 19 décembre 2008 (CPC) - Loi sur les fors
CPC Art. 129 - La procédure est conduite dans la langue officielle du canton dans lequel l'affaire est jugée. Les cantons qui reconnaissent plusieurs langues officielles règlent leur utilisation dans la procédure.
OJ: 48  58  68
Répertoire ATF
41-II-198 • 71-II-248 • 72-II-55 • 74-II-176
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
action en séparation de corps • défendeur • décision finale • question • hameau • tribunal fédéral • demande reconventionnelle • intermédiaire • autorité inférieure • action en divorce • affaire civile • demande • décision • rapport entre • moyen de droit • loi fédérale d'organisation judiciaire • moyen de droit cantonal • conclusions • durée • motivation de la décision
... Les montrer tous
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