S. 158 / Nr. 27 Obligationenrecht (d)

BGE 74 II 158

27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1948 i.S. Schweiz.
Textil- und Fabrikarbeiterverband gegen Société de la Viscose Suisse S.A.

Regeste:
Gesamtarbeitsvertrag; Verletzung des Persönlichkeitsrechte. Art. 322 f
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
. OR, 28
ZGB.
1. Klage eines an einem GAV nicht beteiligten Verbandes auf Ungültigerklärung
der Einzelanschlüsse seiner Mitglieder wegen Rechtswidrigkeit, Verstosses
gegen die guten Sitten und Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verbandes
sowie seiner Mitglieder (Erw. 3-5).
Ungültigkeit der Einzelanschlüsse wegen Verletzung des von den Vorschriften
über den GAV angestrebten Schutzes des Arbeitnehmers? (Erw. 3).
Ungültigkeit der Einzelanschlüsse wegen Verletzung der Treuepflicht der
Mitglieder gegenüber ihrem Verband? (Erw. 4).
2. Zulässigkeit der Erhebung sog. Solidaritätsbeiträge von
Einzelunterzeichnern des GAV, die überhaupt keinem oder einem am Vertrag nicht
beteiligten Verband angehören (Erw. 6).
Contrat collectif de travail, atteinte aux droits de la personnalité. Art. 322
sv. CO, 28 CC.
1. Action d'une association, qui n'a pas souscrit à un contrat collectif de
travail, en annulation des adhésions individuelles de ses membres pour
illicéité, faits contraries aux moeurs et atteinte aux droits de la
personnalité de l'association et de ses membres (consid. 3-5).
Nullité des adhésions individuelles comme contraries au but de protection
ouvrière visé par le contrat collectif? (consid. 3).
Nullité des adhésions individuelles pour violation de l'obligation de fidélité
des sociétaires envers l'association? (consid. 4).
2. Il est permis de prévoir dans un contrat collectif de travail la perception
d'une contribution dite de solidarité due par les signataires qui
n'appartiennent à aucune association ou qui appartiennent à une association
qui n'a pas adhéré au contrat (consid. 6).

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Contratto collettivo di lavoro, lesione dei diritti della personalità. Art.
322 sgg. CO, art. 28 CC.
1. Azione di un'associazione, che non ha sottoscritto un contratto collettivo
di lavoro, volta ad ottenere l'annullamento delle adesioni individuali dei
suoi membri per illiceità, atti contrari ai buoni costumi e lesione della
personalità dell'associazione e dei suoi membri (consid. 3-5).
Nullità delle adesioni individuali siccome contrarie allo scopo di protezione
dell'operaio perseguito dal contratto collettivo? (consid. 3).
Nullità delle adesioni individuali per violazione dell'obbligo di fedeltà dei
soci verso l'associazione? (consid. 4).
2. 2. E' lecito prevedere in un contratto collettivo di lavoro la riscossione
di un contributo detto di solidarità dovuto dai firmatari che non appartengono
ad un'associazione o che appartengono ad un'associazione non aderente al
contratto (consid. 6).

Aus dem Talbestand:
Die Société de la Viscose Suisse SA. in Emmenbrücke beschäftigte 1945/46 rund
1640 Arbeiter und Arbeiterinnen. Von diesen waren rund 630 Mitglieder des
Schweiz. Textil- und Fabrikarbeiterverbandes; rund 350 waren Mitglieder eines
der folgenden vier Verbände: Schweiz. Verband christlicher Textil- und
Bekleidungsarbeiter, Landesverband freier Schweizer Arbeiter, Schweiz. Metall-
und Uhrenarbeiterverband, Christlicher Metallarbeiterverband der Schweiz. Die
restlichen 660 Arbeiter gehörten keiner Organisation an.
Auf Veranlassung namentlich der zahlenmässig stärksten Organisation, d. h. des
Schweiz. Textilarbeiterverbands, hatte die Viscose SA. ab Mitte November 1945
mit den genannten fünf Verbänden schriftliche Vorverhandlungen über den
Abschluss eines Kollektivarbeitsvertrags geführt. In deren Verlauf reichte der
Schweiz. Textilarbeiterverband einen Vertragsentwurf ein, der von der Firma
wegen des Ausmasses der darin enthaltenen Forderungen als Diskussionsgrundlage
abgelehnt wurde. Mitte Mai 1946 trat die Firma mit den übrigen vier Verbänden
in mündliche Verhandlungen ein, denen ein Vertragsentwurf des christlichen
Textilarbeiterverbandes als Grundlage diente. Der Schweiz.
Textilarbeiterverband nahm an diesen Verhandlungen trotz Einladung durch die
Firma nicht teil.

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Am 18. Juni 1946 kam zwischen der Firma und den vier an den Verhandlungen
beteiligten Verbänden ein Kollektivarbeitsvertrag (KAV) zustande, der nach
seinem Art. 1 für sämtliche dem Fabrikgesetz unterstellten und im Stundenlohn
beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen des Unternehmens gilt, die Mitglieder
eines der vertragschliessenden Verbände sind oder den Vertrag einzeln
unterzeichnet haben. Art. 16 unterstellt die Vertragsparteien der absoluten
Friedenspflicht. Art. 17 bestimmt, dass jeder Arbeitnehmer zwischen 20 und 60
Jahren, der nicht Mitglied eines der kontrahierenden Verbände ist, einen sog.
Solidaritätsbeitrag zugunsten des Wöchnerinnenfonds des Unternehmens zu
leisten habe; dieser Beitrag beträgt pro Zahltag Fr. 2.­ für Arbeiter und Fr.
1.50 für Arbeiterinnen und wird von der Firma am Zahltag in Abzug gebracht.
In der Folge traten rund 1200 Arbeiter und Arbeiterinnen dem Vertrag durch
Einzelanschluss bei. Von diesen waren schätzungsweise 535 Mitglieder des
Schweiz. Textilarbeiterverbands.
Die Klage des Schweiz. Textil- und Fabrikarbeiterverbands auf Feststellung der
Ungültigkeit der Einzelanschlüsse seiner Mitglieder und der Unanwendbarkeit
der Vorschrift betreffend die Erhebung eines Solidaritätsbeitrags auf seine
Mitglieder wird von den luzernischen Gerichten und vom Bundesgericht
abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
3.­ a) Die Klage richtet sich in erster Linie gegen die Gültigkeit der
Einzelunterzeichnungen, mit denen Mitglieder des klägerischen Verbandes sich
damit einverstanden erklärt haben, ihr Dienstverhältnis mit der Beklagten den
Normen des KAV vom 18. Juni 1946 zu unterstellen. Diese Vertragsabschlüsse
sollen nach der Ansicht des Klägers deshalb rechts- und sittenwidrig sein,
weil er von den Verhandlungen über den KAV systematisch ausgeschlossen worden
sei, während ihm als der zahlenmässig stärksten Arbeiterorganisation in der
Belegschaft der Beklagten

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nach dem Sinn und Zweck der Gesetzesbestimmungen über den GAV ein Anspruch auf
Mitwirkung zugestanden hätte.
b) Nun ist zwar richtig, dass das Gesetz in Art. 322 f
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
. OR den Verbänden
sowohl auf der Arbeitgeber- wie auf der Arbeitnehmerseite wichtige Funktionen
einräumt, indem es sie als Vertragsparteien ausdrücklich anerkennt und ihnen
die Befugnis verleiht, durch ihre Vereinbarung objektives Privatrecht zu
schaffen, das für die nähere Ausgestaltung der zwischen den beiderseitigen
Verbandsangehörigen abzuschliessenden Dienstverträge zwingende Normen
aufstellt. Dadurch, dass der Gesetzgeber den GAV als besondere Vertragsart in
das System des Privatrechts aufgenommen und mit bestimmten, über den Kreis der
Vertragschliessenden hinaus reichenden Rechtswirkungen ausgestattet hat, folgt
indessen nicht, dass solche Verträge abgeschlossen werden müssen. Das Gesetz
gewährt lediglich die Möglichkeit, derartige Vereinbarungen zu treffen. Eine
Verpflichtung zum Abschluss eines GAV sollte dagegen weder für die eine noch
die andere Seite aufgestellt werden. Es gilt vielmehr auch auf diesem Gebiete
der das Privatrecht beherrschende Grundsatz der Vertragsfreiheit. Wäre eine
andere Regelung beabsichtigt gewesen, so hätte dies im Gesetz ausdrücklich
festgelegt werden müssen. Denn dies hätte die Preisgabe eines der wichtigsten
Prinzipien des Vertragsrechts bedeutet und zwangsläufig zu einer
öffentlichrechtlichen Ordnung im Sinne des Korporationssystems geführt.
Aus dem Prinzip der Vertragsfreiheit folgt aber auch, dass sowohl die
Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmerseite frei ist im Entschluss, mit wem sie
einen GAV abschliessen will. Deshalb kann kein Verband einen Rechtsanspruch
darauf erheben, zu Verhandlungen herangezogen zu werden. Es ist daher für die
hier zu entscheidende Frage belanglos, dass dem Kläger unzweifelhaft die sog.
Tariffähigkeit zusteht, d. h. die Fähigkeit, Partei eines GAV zu sein, sowie
die sog. Tarifberechtigung, d. h. das Recht, die ihm angeschlossenen
Mitglieder auf einen GAV zu verpflichten.

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Das sind nur die notwendigen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit
eine Vereinigung gegebenenfalls die ihr in Art. 322
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
OR zugedachte Stellung
einnehmen kann. Ein Anspruch auf Zuziehung und Mitwirkung folgt daraus nicht.
Dementsprechend macht das Gesetz denn auch keinen Unterschied zwischen
Mehrheits- und Minderheitsorganisationen, und es räumt einem Verband, der mehr
Arbeiter der Belegschaft eines Betriebes oder Geschäftszweiges umfasst als
andere Organisationen, weder eine führende Rolle noch irgendwelche sonstigen
Vorrechte beim Abschluss eines GAV ein. Gewiss liegt dem GAV die Idee zu
Grunde, im Interesse der Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens für möglichst
alle Arbeiter einer Belegschaft oder eines ganzen Gewerbezweiges die nämlichen
minimalen Arbeitsbedingungen zu schaffen, und daraus ergibt sich die faktische
Wünschbarkeit, möglichst alle Organisationen, insbesondere auch die
zahlenmässig stärksten, zu den Verhandlungen heranzuziehen. Aber ein
Rechtsanspruch kann daraus gegenüber dem auch hier massgebenden Grundsatz der
Vertragsfreiheit nicht abgeleitet werden. Wollte man einen subjektiven
Anspruch eines Verbandes auf Mitwirkung anerkennen, so wäre dessen notwendige
Kehrseite der Verhandlungszwang, und zwar sowohl für die Arbeitgeber- wie die
Arbeitnehmerseite. Denn das blosse Recht auf Zulassung wäre sinnlos, wenn es
nicht mit der Pflicht zur Mitwirkung gepaart wäre. Der Verhandlungszwang würde
aber unmittelbar auch zum Kontrahierungszwang führen, da der Anspruch des
Verbandes auf Mitwirkung ohne weiteres auch zu dessen Annahme als
Vertragspartner zwingen würde, sofern er den vertraglichen Bedingungen
zustimmt. Das steht aber mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit in
unvereinbarem Widerspruch und muss deshalb abgelehnt werden.
In der Tatsache allein, dass eine Vereinigung nicht zu Verhandlungen über
einen GAV eingeladen oder zugelassen wird, liegt deshalb keine
Rechtswidrigkeit und auch kein Verstoss gegen die guten Sitten.

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c) Der Grundsatz der Vertragsfreiheit findet jedoch seine Schranken an den
besonderen Zwecken, um derentwillen der GAV in das Gesetz aufgenommen worden
ist. Zu diesen gehört insbesondere das Bestreben, den Arbeitnehmer als den
wirtschaftlich schwächeren Teil zu schützen und ihm zu einer angemessenen
Verwertung seiner Arbeitskraft zu verhelfen. Dadurch, dass das Gesetz die
Organisationen der Arbeitnehmer als Vertragspartei anerkennt, soll die
wirtschaftliche Überlegenheit der Arbeitgeberseite ausgeglichen und dieser bei
der Festlegung der Arbeitsbedingungen ein nicht nur rechtlich, sondern auch
tatsächlich gleichberechtigter und gleich starker Verhandlungs- und
Vertragspartner gegenübergestellt werden. Sofern sich nun ein Arbeitgeber oder
eine Organisation von solchen ohne jeden vernünftigen Grund weigern würde,
eine bestimmte Arbeitnehmerorganisation zu Verhandlungen über einen GAV
beizuziehen, in der offenbaren Absicht, auf diese Weise die Stellung der
Arbeitnehmerschaft zu schwächen und dadurch ein vorteilhafteres Ergebnis für
sich selbst zu erreichen, so müsste ein solches Vorgehen als rechtswidrig und
unsittlich erklärt werden, weil dadurch die Arbeiterschaft des vom Gesetz
gewollten Schutzes beraubt und damit einer der Grundgedanken, auf dem die
Bestimmungen über den GAV beruhen, verletzt würde.
Von einer derartigen Absicht und einem derartigen Verhalten der Beklagten kann
indessen im vorliegenden Falle entgegen den Behauptungen des Klägers nicht
gesprochen werden. Zwar hat die Beklagte den vom Kläger vorgelegten Entwurf
als Diskussionsbasis abgelehnt, weil sie die Summe der darin geforderten
Lohnerhöhungen als für sie untragbar erachtete, und hat erklärt, dass die
Verhandlungen nur auf der Grundlage des weniger weit gehenden Entwurfs des
christlichen Textilarbeiterverbandes geführt werden könnten. Sie hat aber ­
und das ist das Entscheidende ­ sich nicht geweigert, den Kläger zu den
Verhandlungen beizuziehen, sondern in der mit ihm geführten Korrespondenz im
Gegenteil wiederholt auf die Wünschbarkeit

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seiner Mitwirkung nachdrücklich hingewiesen und ihn jeweils von den
Verhandlungsterminen verständigt, ja sogar bei deren Festsetzung auf seine
Wünsche Rücksicht genommen, soweit ihr dies möglich war. Der Kläger ist jedoch
zu diesen Verhandlungen nie erschienen. Hieraus hat die Vorinstanz die
Schlussfolgerung gezogen, dass der Kläger sich absichtlich aus
machtpolitischen und Prestigegründen von den Verhandlungen ferngehalten habe,
weil er nicht auf Grund eines von einer andern Gewerkschaft stammenden
Entwurfs glaubte verhandeln zu können. Der Kläger ficht diese Feststellung in
der Berufungsbegründung an. Da sie jedoch von der Vorinstanz auf Grund der ihr
ausschliesslich zustehenden Beweiswürdigung getroffen worden ist, ist das
Bundesgericht gemäss Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
OG an sie gebunden. Von einer
systematischen Ausschliessung des Klägers im Sinne der eingangs gemachten
Ausführungen kann somit nicht die Rede sein.
d) Die Beklagte hat auch nicht etwa die Sachlage, die durch das Fernbleiben
des Klägers von den Verhandlungen geschaffen worden war, zu ihren Gunsten und
zum Nachteil der Arbeiterschaft ausgebeutet. Der mit den andern Verbänden
abgeschlossene KAV bedeutete nach den verbindlichen Feststellungen der
Vorinstanz einen beachtlichen Fortschritt, da er eine wirtschaftliche
Besserstellung der Arbeiterschaft auf der ganzen Linie bewirkte. Diese
Vorteile gewährte die Beklagte auch allen Mitgliedern des Klägers, die durch
Einzelunterzeichnung die Bedingungen des KAV zum Inhalt ihres
Anstellungsvertrags machten. Von einer Benachteiligung der Mitglieder des
Klägers könnte aber nur gesprochen werden, wenn die Beklagte das Abseitsstehen
ihres Verbandes dazu benützt hätte, sie schlechter zu stellen als die
Mitglieder der am KAV beteiligten Organisationen. Das behauptet der Kläger ­
abgesehen von dem noch zu behandelnden Art. 17 betreffend den
Solidaritätsbeitrag ­ aber selber nicht.
4. ­ Der Kläger sieht einen Verstoss gegen die guten Sitten im weiteren darin,
dass die ihm angeschlossenen

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Arbeiter durch die Einzelunterzeichnung ihre Treuepflicht ihm gegenüber
gebrochen haben und dass die Beklagte dies nicht nur zugelassen, sondern sogar
systematisch gefördert und mit Druckmitteln darauf hingearbeitet habe. Hierin
liege eine Sabotage des im Arbeitsrecht anerkannten Kollektiv- und
Solidaritätsprinzips.
a) Da die durch das Institut des GAV angestrebte Ebenbürtigkeit zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf dem Zusammenschluss der letzteren und damit
auf ihrer Solidarität beruht, so muss zwar grundsätzlich eine Treuepflicht der
Mitglieder gegenüber ihrem Verband als notwendiges und rechtlich
schutzwürdiges Mittel zur Erreichung der gemeinsamen Ziele anerkannt werden.
Aber diese Treuepflicht ist keine unbeschränkte und sklavische. Ob sie im
vorliegenden Fall überhaupt den Mitgliedern des Klägers ein Abstehen von der
Einzelunterzeichnung geboten hätte, erscheint als fraglich. Denn das Vorgehen
der Verbandsleitung entsprach offenbar dem Willen der weit überwiegenden
Mehrheit der am GAV mit der Beklagten direkt interessierten Mitglieder des
Klägers nicht, wie daraus erhellt, dass von den in Betracht fallenden 630
Arbeitern und Arbeiterinnen deren 535, d. h. über 5 /6, die Bedingungen des
Vertrages durch Einzelunterzeichnung nachträglich akzeptiert haben, und von
diesen nur 131, also weniger als 1/4, sich zur Abtretung ihrer allfälligen
Anfechtungsrechte an den Verband bereit gefunden haben, wobei überdies nach
der Behauptung der Beklagten ein Teil dieser Abtretungen an Willensmängeln
leiden soll. Für die Frage, ob ein GAV abgeschlossen werden soll und zu
welchen Bedingungen, kommt es aber nicht nur auf das Gutfinden der
Verbandsleitung an, sondern in erster Linie auf die Ansicht der betreffenden
Arbeiter.
b) Selbst wenn jedoch die Mitglieder des Klägers durch die
Einzelunterzeichnung ihren Verbandspflichten zuwidergehandelt haben sollten,
so folgt daraus noch nicht ohne weiteres eine Nichtigkeit der betreffenden
Verträge wegen Verstosses gegen die guten Sitten. Die Beklagte ist dem

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Kläger gegenüber nicht durch ein Treueverhältnis gebunden, und ein Vertrag,
der zu einem nur für die eine Vertragsseite verbotenen Erfolge führt, ist
nicht schlechthin rechts- und sittenwidrig, sondern es müssen nach in Lehre
und Rechtsprechung herrschender Auffassung noch weitere Umstände hinzutreten,
welche die Verletzung der dem Dritten gegenüber bestehenden Verpflichtungen
als besonders anstössig erscheinen lassen (vgl. BGE 26 II 142, 34 II 686). So
müsste es wohl als, den Grundprinzipien des Gesamtarbeitsvertragsrechts
zuwiderlaufend bezeichnet werden, wenn der Arbeitgeber die Arbeiter
systematisch zur Untreue gegenüber ihrem Verband anstiften würde. Dass dies
der Fall gewesen sei, wie der Kläger behauptet, trifft jedoch nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht zu. Die Arbeiter wurden
lediglich teils durch den Direktor der Beklagten, teils durch die Meister und
Vorarbeiter der verschiedenen Betriebsabteilungen in Schichtzusammenkünften
oder Einzelbesprechungen über die Tragweite des mit den
Minderheitsgewerkschaften abgeschlossenen GAV und die darin enthaltenen
besonderen Vergünstigungen unterrichtet, ohne dass jedoch auf sie irgendwie
ein Druck zur Einzelunterzeichnung ausgeübt worden wäre. Diese Orientierung
war nicht nur zulässig, sondern am Platze, da die Interessen sowohl der
Beklagten als auch der Arbeiter selbst in Frage stunden. Der Versuch des
Klägers, dem Arbeitgeber dieses Aufklärungsrecht absprechen zu wollen, muss
unter den vorliegenden Umständen zurückgewiesen werden. Denn nachdem der
klägerische Verband an den Verhandlungen nicht teilgenommen hatte und
infolgedessen nicht in der Lage war, die ihm angeschlossene Arbeiterschaft
richtig zu orientieren und ihren wahren Willen zu ermitteln, sondern lediglich
hinterher den GAV abgelehnt hatte, blieb der Beklagten gar kein anderer Ausweg
übrig. Das damit von ihr bekundete, von der Vorinstanz als ernsthaft
anerkannte Bestreben, im Interesse des Arbeitsfriedens durch eine möglichst
grosse Beteiligung der Belegschaft am neuen

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Vertragswerk die Gleichstellung möglichst vieler Arbeiter zu bewirken, ist
durchaus zu billigen. Hätte sie nämlich den Mitgliedern des Klägers mit
Rücksicht auf das Abseitsstehen ihres Verbandes den Einzelanschluss an den
Vertrag verwehrt, so wäre eine Differenzierung in den Anstellungsbedingungen
entstanden, die zu Störungen des Einvernehmens innerhalb der Belegschaft und
zur Bedrohung des Arbeitsfriedens hätte führen können...
5. ­ Die Einzelunterzeichnungen sollen nach der Ansicht des Klägers
schliesslich auch noch deswegen unzulässig sein, weil die dadurch bewirkte
Bindung der einzelnen Mitglieder an die Friedenspflicht (Art. 16
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
KAV) ihm die
Entscheidung über Arbeitsfrieden oder Arbeitskampf aus der Hand nehme, ihn der
Möglichkeit beraube, bei dem vertraglich vorgesehenen Schlichtungs- und
Schiedsgerichtsverfahren mitzuwirken und seine Aufgabe als Vertreter der
Interessen seiner Mitglieder zu erfüllen. Allein auch dieser Einwand scheitert
daran, dass diese vom Kläger behaupteten, an sich zwar nicht zu bestreitenden
Nachteile durch die Beklagte nicht absichtlich und zum Zwecke der Ausschaltung
des Klägers herbeigeführt worden sind, sondern lediglich die unvermeidbare
Folge des Abseitsstehens des Klägers darstellen, die sich dieser selber
zuzuschreiben hat.
6. ­ Der Kläger verlangt weiter die Feststellung, dass Art. 17
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 322 - 1 Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
1    Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer den Lohn zu entrichten, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.
2    Lebt der Arbeitnehmer in Hausgemeinschaft mit dem Arbeitgeber, so bildet der Unterhalt im Hause mit Unterkunft und Verpflegung einen Teil des Lohnes, sofern nichts anderes verabredet oder üblich ist.
des KAV
betreffend die Erhebung eines Solidaritätsbeitrages auf seine Mitglieder, auch
soweit sie sich durch Einzelunterzeichnung den Bedingungen des KAV unterstellt
haben, nicht anwendbar sei und dass deshalb auf dieser Vorschrift beruhende
Lohnabzüge rückwirkend als ungültig zu erklären seien.
a) Bei der Behandlung dieses Begehrens ist mit der in der arbeitsrechtlichen
Literatur vorherrschenden Auffassung zunächst davon auszugehen, dass die
Aufnahme einer Bestimmung in einen GAV, die die Zulassung eines
nichtorganisierten Arbeitnehmers zur Einzelunterzeichnung von der Entrichtung
eines sog. Solidaritätsbeitrages abhängig

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macht, rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Bestimmung beruht auf der
Überlegung, dass die günstigen Arbeits- und Lohnbedingungen, die sich der
nichtorganisierte Arbeiter durch den Einzelanschluss verschaffen kann,
wesentlich den Bemühungen der Arbeitnehmerorganisationen zu verdanken sind,
welche bei den Verhandlungen mit der Arbeitgeberschaft die Interessen nicht
nur ihrer Mitglieder, sondern der Arbeiterklasse im allgemeinen verfochten
haben. Die Organisation als solche, sowie der Abschluss und die Durchführung
von Gesamtarbeitsverträgen insbesondere erfordern aber Geldmittel, die aus den
Mitgliedschaftsbeiträgen der Verbände aufgebracht werden. Der
nichtorganisierte Arbeiter, der keine solchen Mitgliederbeiträge zu leisten
hat, soll nun gemäss der herrschenden Meinung wenigstens für die Vorteile,
deren er durch den Einzelanschluss teilhaftig wird, gleichfalls eine
Gegenleistung, eben in der Form des Solidaritätsbeitrages, aufbringen. Dieser
wird entweder für die Kosten der Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages
(Kontrollmassnahmen, Schlichtungsverfahren usw.) verwendet, oder aber ­ wie im
vorliegenden Falle ­ einer Wohlfahrtseinrichtung zu Gunsten der Arbeiterschaft
des Betriebes zugewiesen. Er beträgt in der Regel eher etwas mehr als der
Mitgliedschaftsbeitrag bei einem Arbeitnehmerverband (vergl. hiezu
SCHWEINGRUBER, Entwicklungstendenzen in der Praxis des Gesamtarbeitsvertrags,
in ZBJV 83 S. 249 ff.).
Die Erhebung eines solchen Solidaritätsbeitrages bedeutet nun unbestreitbar
für den nichtorganisierten Arbeiter einen gewissen Anreiz, sich einem Verband
anzuschliessen, weil der finanzielle Vorteil seines Fernbleibens von der
Organisation, nämlich die Einsparung des Mitgliedschaftsbeitrages, durch den
Solidaritätsbeitrag mehr als aufgewogen wird. Es ist darum auch ohne weiteres
verständlich, dass Klauseln betreffend die Erhebung von Solidaritätsbeiträgen
vorwiegend auf Betreiben der am Gesamtarbeitsvertrag beteiligten
Arbeitnehmerorganisationen aufgenommen werden; nach der Darstellung der
Beklagten soll es sich auch im vorliegenden Falle so verhalten.

Seite: 169
Im allgemeinen soll allerdings der Entschluss zum Beitritt zu einer
Organisation irgendwelcher Art als Ausfluss des Persönlichkeitsrechtes in
völliger Freiheit gefasst werden können. Ein Solidaritätsbeitrag, der seiner
Höhe wegen für den davon betroffenen Arbeiter eine übermässige Belastung
bedeuten und sich deshalb faktisch als Zwang zum Eintritt in eine Organisation
auswirken würde, müsste darum wohl als unzulässige Beeinträchtigung des durch
Art. 28
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, das Gericht anrufen.
2    Eine Verletzung ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
ZGB gewährleisteten Persönlichkeitsrechtes betrachtet werden. Bewegt
sich die Belastung dagegen ungefähr in der Höhe eines bei den in Betracht
fallenden Organisationen üblichen Mitgliedschaftsbeitrages, so dass ein
Arbeiter, der es vorzieht, ausserhalb eines Verbandes zu bleiben, dies ohne
ernstliche Opfer finanzieller Natur tun kann, so lässt sich gegen die
rechtliche Zulässigkeit eines Solidaritätsbeitrages nichts Stichhaltiges
einwenden. Denn die Wahrung der gemeinsamen Interessen des ganzen
Berufsstandes, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz aller Angehörigen
desselben durch Schaffung einheitlicher minimaler Arbeits- und Lohnbedingungen
stellen ebenfalls legitime Zwecke dar, die eine gewisse Beschränkung der
persönlichen Bewegungsfreiheit des Einzelnen erheischen und zu rechtfertigen
vermögen (vergl. hiezu Komm. EGGER, N. 66 zu Art. 28; SCHWEINGRUBER a.a.O. S.
250 f.).
b) Betrachtet man dergestalt den Solidaritätsbeitrag grundsätzlich als
Ausgleich für die im Interesse des Zustandekommens und der Durchführung des
Gesamtarbeitsvertrags von den vertragschliessenden Verbänden gemachten
Aufwendungen, so erscheint es durchaus als berechtigt, den Beitrag auch von
solchen Einzelunterzeichnern zu verlangen, die einer am Vertragswerk nicht
beteiligten Organisation angehören. Denn diese hat tatsächlich am Abschluss
und Zustandekommen des Verständigungswerkes keinen Anteil, so dass ihre
Mitglieder auch nicht erwarten können, vor andern, nicht organisierten
Einzelunterzeichnern eine Vorzugsstellung eingeräumt zu erhalten.
Der Kläger behauptet zwar, auch er habe zum Gelingen

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des vorliegenden KAV beigetragen, indem er in der Phase der Vorarbeiten
mitgewirkt, Vertrauensleuteversammlungen abgehalten und Entwürfe ausgearbeitet
habe. Zudem habe schon seine blosse Existenz als grosse Gewerkschaft das
Zustandekommen eines Gesamtarbeitsvertrages im Interesse aller begünstigt. Der
von seinen Mitgliedern geleistete Verbandsbeitrag habe also mittelbar auch
beim Abschluss des Vertragswerkes geholfen, weswegen eine weitere Belastung
mit dem Solidaritätsbeitrag nicht gerechtfertigt sei. Diese Behauptungen des
Klägers werden jedoch widerlegt durch die Feststellung der Vorinstanz, dass er
keine den Leistungen der beteiligten Verbände entsprechende Arbeit leistet und
nichts an die Verwaltungskosten beiträgt. Und wenn der Kläger sich in der
Vorbereitungsphase betätigt hat, wie sich aus der Ausarbeitung eines eigenen
Vertragsentwurfes ergibt, so bleibt es doch dabei, dass dieser Entwurf
abgelehnt wurde, dass der Kläger an den entscheidenden Verhandlungen nicht
teilgenommen und den Vertrag nachträglich abgelehnt hat. Er hat sodann
unmittelbar vor der Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme des
Vertrags im Betriebe der Beklagten seinen weitergehenden Entwurf verteilen
lassen und damit dem Zustandekommen des Arbeitsvertrages auf der von der
Beklagten und den übrigen Verbänden vorgeschlagenen Basis entgegengearbeitet.
Er hat durch dieses Verhalten das Zustandekommen des Vertragswerkes
keinesfalls begünstigt, sondern es im Gegenteil gefährdet. Es müsste unter
diesen Umständen geradezu als stossend empfunden werden, wenn die Mitglieder
des Klägers ohne weiteres in den vollen Genuss der Vorteile des
Gesamtarbeitsvertrages gelangen könnten, während ihr Verband sich von diesem
in der geschilderten Weise distanzierte.
Die Doppelbelastung mit dem Verbandsmitgliederbeitrag einerseits und dem
Solidaritätsbeitrag anderseits kann zwar das eine oder andere Mitglied
veranlassen, dem klägerischen Verband den Rücken zu kehren. Allein auch hier
ist zu sagen, dass eine mit dem Rechte der Persönlichkeit

Seite: 171
nicht mehr zu vereinbarende Beeinträchtigung der Entschlussfreiheit des
Arbeiters über das Verbleiben im klägerischen Verband nur dann vorläge, wenn
die Doppelbelastung ein ernstlich ins Gewicht fallendes finanzielles Opfer für
ihn bedeuten würde. Das ist aber bei dem hier vorgesehenen Solidaritätsbeitrag
von Fr. 2.­ bzw. 1.50 pro Zahltag oder Fr. 1.­ bzw. Fr. ­.75 wöchentlich
einerseits und dem Mitgliedschaftsbeitrag beim klägerischen Verband
anderseits, der nach den Angaben des Klägers Fr. 1.45 wöchentlich ausmacht,
offensichtlich nicht der Fall. Dazu kommt, dass der Solidaritätsbeitrag
infolge seiner Zuwendung an den Wöchnerinnenfonds der Gesamtheit der
Arbeitnehmer und damit auch den Mitgliedern des Klägers zum Vorteil gereicht.
Damit wird die Doppelbelastung bis zu einem gewissen Grade wieder aufgehoben
und ihre Auswirkung nach Möglichkeit gemildert.
c) Der Kläger macht weiter geltend, dass er in seiner Existenz bedroht und
damit in seiner Persönlichkeit verletzt werde durch die mit der Erhebung des
Solidaritätsbeitrags verbundene Gefahr des Mitgliederverlustes. Allein auch
von einer Existenzbedrohung könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Höhe
des Solidaritätsbeitrages eine ernstliche Beschränkung der Entschlussfreiheit
des einzelnen Mitglieds bedeuten würde; das ist jedoch nach den oben gemachten
Ausführungen nicht anzunehmen. Wenn tatsächlich einzelne Arbeiter aus dem
klägerischen Verband ausgetreten und in andere, am KAV beteiligte
Organisationen übergetreten sein sollten, so ist keineswegs gesagt, dass dies
auf die Doppelbelastung zurückzuführen sei. Es liegt vielmehr näher, den Grund
für dieses Verhalten darin zu suchen, dass die betreffenden Arbeiter eben mit
der von der Verbandsleitung betriebenen Politik nicht einverstanden waren.
Sollte das Weiterbestehen des Klägers aus diesem Grunde als gefährdet
erscheinen, so wäre nicht die Beklagte dafür verantwortlich, sondern die
Ursache dafür läge ausschliesslich im Verhalten der klägerischen
Verbandsleitung.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 74 II 158
Date : 01. Januar 1948
Published : 24. Mai 1948
Source : Bundesgericht
Status : 74 II 158
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Gesamtarbeitsvertrag; Verletzung des Persönlichkeitsrechte. Art. 322 f. OR, 28 ZGB.1. Klage eines...


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KAV: 16  17
OG: 63
OR: 322
ZGB: 28
BGE-register
26-II-140 • 34-II-681 • 74-II-158
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Sorted by frequency or alphabet
defendant • collective labor agreement • employee • employer • advantage • lower instance • hamlet • behavior • condition • freedom of contract • labor peace • contractual party • double charging • question • intention • nullity • victim • custom • correctness • conditions of employment
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