S. 17 / Nr. 6 Rechtsgleichheit (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 74 I 17

6. Auszug aus dem Urteil vom 29. April 1948 i. S. Bernegger gegen Staatsrat
des Kantons Wallis.


Seite: 17
Regeste:
Die Behörde, die eine Verordnung erlässt, bindet damit auch sich selbst.
L'autorité est liée par les règlements qu'elle édicte.
L'autorità è vincolata dai regolamenti che promulga.

Der Staatsrat des Kantons Wallis hat am 5. August 1943 ein Reglement über die
Ausübung des Zahnarzt-, Assistenten- und Zahntechnikerberufes erlassen. Danach
bedürfen die Zahntechniker zur Ausübung ihres Berufes einer Bewilligung des
Staatsrates, die nur den Inhabern eines Diplomes erteilt wird (Art. 10, 11).
Der Beschwerdeführer Bernegger, der ein solches Diplom besitzt, kam um die
Bewilligung zur Ausübung des Zahntechnikerberufes im Kanton Wallis ein, wurde
aber vom Staatsrat abgewiesen unter Hinweis auf seinen schlechten Leumund.
Bernegger hat diesen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen
Verletzung der Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
und 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV angefochten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Aus den Erwägungen:
(Es wird zunächst festgestellt, dass das Reglement beim Zahntechniker ­ anders
als beim Zahnarzt ­ bewusst vom Erfordernis des guten Rufes absieht und
lediglich den Besitz eines Diploms voraussetzt.)
Dem lässt sich nicht etwa entgegenhalten, dass der Staatsrat, der das
Reglement erlassen hat, befugt sei, dieses zu ergänzen und die Bewilligung zur
Berufsausübung im Einzelfall von weitergehenden Bedingungen abhängig zu
machen. Nach einem allgemein anerkannten Grundsatz des Verwaltungsrechts
bindet die Behörde, die eine Verordnung erlässt, damit auch sich selbst, d. h.
sie ist, solange die Verordnung in Kraft steht, gehalten diese anzuwenden und
handelt rechtswidrig, wenn sie

Seite: 18
davon abweicht (nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 20.
Dezember 1929 i. S. Jagdgesellschaft Gränichen S. 12/13 und vom 18. März 1946
i. S. Huguenin A.-G. S. 11; OTTO MAYER, Verwaltungsrecht, Bd. I S. 80,
FLEINER, Institutionen S. 139/40). Sofern sie die Bestimmungen der Verordnung
für ungenügend hält, hat sie diese selbst abzuändern und darf sich nicht in
Einzelfällen darüber hinwegsetzen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 I 17
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 28. April 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 I 17
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : Die Behörde, die eine Verordnung erlässt, bindet damit auch sich selbst.L'autorité est liée par les...


Gesetzesregister
BV: 4 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BGE Register
74-I-17
Stichwortregister
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wallis • zahntechniker • bundesgericht • zahnarzt • leumund • entscheid • staatsrechtliche beschwerde • bedingung • assistent