S. 94 / Nr. 26 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 94

26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. Mai 1947 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Sehiesser.


Seite: 94
Regeste:
Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB. Sicherheitshaft, die angeordnet wird, weil sich aus dem
Verhalten des Beschuldigten nach der Tat eine konkrete Fluchtgefahr ergibt,
ist nicht auf die Strafe anzurechnen.
Art. 69 CP. Ne doit pas être imputée sur la peine la détention préventive
ordonnée en raison d'un danger de fuite dû à la conduite du condamné après
l'infraction.
Art. 69 CP. Non dev'essere computato nella pena il carcere preventivo ordinato
a motivo d'un pericolo di fuga sorto per la condotta del condannato dopo
l'infrazione.

Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB ist dem Verurteilten die Untersuchungshaft auf die
Freiheitsstrafe nur insoweit anzurechnen, als er die Haft nicht durch sein
Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat. Als
Untersuchungshaft gilt jede in einem Strafverfahren verhängte Haft,
Untersuchungs- und Sicherheitshaft (Art. 110 Ziff. 7
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
StGB). Das Gesetz macht
keinen Unterschied zwischen der Haft, die im Interesse der Untersuchung, und
jener, die lediglich zu Sicherungszwecken, d. h. zur Sicherung des Vollzuges
der bevorstehenden Strafe verhängt wird. Auch eine Haft, die nicht wegen
Kollusionsgefahr, sondern ausschliesslich zur Verhütung der Flucht des
Beschuldigten verhängt wird, ist daher nach Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB zu behandeln. Hat der
Beschuldigte sie durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder
verlängert, so darf sie ihm nicht auf die Strafe angerechnet werden. Ob das im
einzelnen Falle billig oder unbillig ist, hat der Richter nicht zu prüfen; das
Gesetz räumt ihm in dieser Hinsicht kein Ermessen ein. Die Nichtanrechnung hat
sowenig den Sinn einer Strafe, als die Anrechnung als Belohnung für das
Wohlverhalten des Beschuldigten zwischen der Tat und dem Urteil gedacht ist.
Das Gesetz verbietet die Anrechnung der Haft, die der Beschuldigte durch sein
Verhalten nach der Tat herbeiführt oder verlängert, weil es verhindern

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will, dass er absichtlich zur Haft Anlass gebe, um dem als grösseres Übel
empfundenen Strafvollzuge zu entgehen.
Die Erwägung des Obergerichts, es wäre unbillig, die Gewaltanwendung
Schiessers gegenüber dem Polizisten vom 11. November und die Flucht vom 13.
November 1946 durch Nichtanrechnung der Haft zu sühnen, weil Schiesser für die
Gewaltanwendung bestraft werde und die Flucht durch disziplinarische
Verschärfung der Haft (Dunkelarrest, magere Kost) geahndet worden sei, taugt
daher nicht. Einzig auf den Kausalzusammenhang zwischen der Haft und dem
erwähnten Verhalten des Beschuldigten kommt es an. Massgebend ist dabei, aus
welchem Grunde der Beschuldigte tatsächlich verhaftet oder in Haft behalten
worden ist, unbekümmert darum, ob sich nachträglich ein anderer Grund finden
lässt, mit dem die Verhaftung oder Haftbelassung vor dem Gesetze ebenfalls
hätte gerechtfertigt werden können, wie etwa ein allgemeiner Fluchtverdacht
bei Begehung einer mit Zuchthaus bedrohten Tat. Nun steht fest, dass Schiesser
am 12. November 1946 wegen «Flucht- und Kollusionsgefahr» verhaftet wurde. So
begründete der Bezirksanwalt seinen Haftbeschluss, unmittelbar nachdem er den
Beschuldigten über die Gewaltanwendung und das Ausreissen vom 11. November
abgehört hatte. Dass er die Haft nicht in erster Linie wegen dieses Verhaltens
des Beschuldigten verhängt habe, ist nicht denkbar. Etwas anderes nimmt auch
das Obergericht nicht an, nennt es doch die allgemeine Fluchtgefahr, die nach
§ 49 StPO mangels festen Wohnsitzes im Kanton Zürich und wegen der Aussicht
auf Verurteilung zu Zuchthaus angenommen werden durfte, bloss als subsidiären
Haftgrund, d.h. als Grund, aus dem der Beschuldigte in Wirklichkeit nicht
verhaftet worden ist, sondern bloss verhaftet worden wäre, wenn er keinen
Fluchtversuch unternommen hätte. Vom 13. November an bestand dann nach der
Feststellung des Obergerichts keine Kollusionsgefahr mehr, konnte also die
Haft einzig

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noch den Zweck haben, die Flucht zu verhindern. An diesem Tage riss Schiesser
zum zweiten Male aus, indem er anlässlich einer Abhörung aus dem Fenster
verwegen sieben Meter in die Tiefe sprang, sich davon machte, unterwegs einen
Fussgänger zu Fall brachte, der ihn auf Geheiss der Polizei anhalten wollte,
und, über die Zinnen eines Hauses flüchtend, in einen Estrich eindrang, wo er
sich versteckte. Am 26. November 1946 begründeten Bezirksanwalt und
Staatsanwalt das Gesuch an den Präsidenten der Anklagekammer um Erstreckung
der Haftfrist damit, dass «in höchstem Masse Fluchtgefahr» bestehe. Auch
daraus ergibt sich, dass die Haft nicht wegen allgemeiner, gesetzlich
vermuteter, sondern wegen der sich aus dem geschilderten Verhalten des
Beschuldigten ergebenden besonderen, konkreten Fluchtgefahr verlängert worden
ist.
Die Haft ist daher auf die Strafe nicht anzurechnen. Das gilt auch für die
Sicherheitshaft, die Schiesser nach Erhebung der Anklage ausgestanden hat.
Wohl hing es nicht von ihm ab, dass das Gericht nicht sofort urteilte. Seinem
eigenen Verhalten hat er es aber zuzuschreiben, dass er die Wartezeit statt in
Freiheit in Sicherheitshaft verbringen musste. Dass er seinen durch
zweimaliges Ausreissen bekundeten Willen zur Flucht aufgegeben habe und aus
einem anderen Grunde in Haft behalten worden sei, stellt das Obergericht nicht
fest. Es sagt bloss, es sei nicht ausgeschlossen, dass er nach ruhiger
Überlegung das Aussichtslose einer Flucht eingesehen und sich die
Fluchtgedanken aus dem Kopf geschlagen habe. Nicht darauf kommt es übrigens
an, ob er, in der Zelle sitzend, einen weiteren Fluchtversuch für aussichtslos
gehalten habe, sondern ob er, wenn er freigelassen worden wäre, sich auf erste
Aufforderung hin anstandslos zum Strafantritt gemeldet hätte.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 94
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 01. Mai 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 94
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 69 StGB. Sicherheitshaft, die angeordnet wird, weil sich aus dem Verhalten des Beschuldigten...


Gesetzesregister
StGB: 69 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
110
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 110 - 1 Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
1    Angehörige einer Person sind ihr Ehegatte, ihre eingetragene Partnerin oder ihr eingetragener Partner, ihre Verwandten gerader Linie, ihre vollbürtigen und halbbürtigen Geschwister, ihre Adoptiveltern, ihre Adoptivgeschwister und Adoptivkinder.154
2    Familiengenossen sind Personen, die in gemeinsamem Haushalt leben.
3    Als Beamte gelten die Beamten und Angestellten einer öffentlichen Verwaltung und der Rechtspflege sowie die Personen, die provisorisch ein Amt bekleiden oder provisorisch bei einer öffentlichen Verwaltung oder der Rechtspflege angestellt sind oder vorübergehend amtliche Funktionen ausüben.
3bis    Stellt eine Bestimmung auf den Begriff der Sache ab, so findet sie entsprechende Anwendung auf Tiere.155
4    Urkunden sind Schriften, die bestimmt und geeignet sind, oder Zeichen, die bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Die Aufzeichnung auf Bild- und Datenträgern steht der Schriftform gleich, sofern sie demselben Zweck dient.
5    Öffentliche Urkunden sind Urkunden, die von Mitgliedern einer Behörde, Beamten und Personen öffentlichen Glaubens in Wahrnehmung hoheitlicher Funktionen ausgestellt werden. Nicht als öffentliche Urkunden gelten Urkunden, die von der Verwaltung der wirtschaftlichen Unternehmungen und Monopolbetriebe des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten in zivilrechtlichen Geschäften ausgestellt werden.
6    Der Tag hat 24 aufeinander folgende Stunden. Der Monat und das Jahr werden nach der Kalenderzeit berechnet.
7    Untersuchungshaft ist jede in einem Strafverfahren verhängte Haft, Untersuchungs-, Sicherheits- und Auslieferungshaft.
BGE Register
73-IV-94
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beschuldigter • verhalten • flucht • sicherheitshaft • fluchtgefahr • kollusionsgefahr • weiler • staatsanwalt • untersuchungshaft • wille • strafgesetzbuch • festnahme • richterliche behörde • straf- und massnahmenvollzug • belohnung • wohlverhalten • anklagekammer • zelle • verurteilter • freiheitsstrafe • fester wohnsitz • ermessen • kausalzusammenhang • maler • wartezeit • tag • haftgrund • mass • zinn • kassationshof • verurteilung • anklage • fenster
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