S. 218 / Nr. 57 Strafgesetzbuch(d)

BGE 73 IV 218

57. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. November 1947 i. S. Böni
und Konsorten gegen Metzler.

Regeste:
Art. 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
Ziff. I StGB: Verfasser im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur, wer
einen Zeitungsartikel aufsetzt, sondern auch wer ihn als eigene
Meinungsäusserung der Presse zur Veröffentlichung übergibt oder sich in
anderer Weise als Verfasser ausgibt und die Verantwortung dafür übernimmt.
Art. 27 ch. 1 CP: L'auteur de l'écrit, au sens de cette disposition n'est pas
seulement celui qui rédige un article de journal, mais

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aussi celui qui le transmet à la presse, pour la publication, comme étant
l'expression de sa propre pensée, ou qui, d'une autre manière, se fait passer
pour l'auteur de l'écrit et en prend la responsabilité.
Art. 27, cifra 1 CP. L'autore dello scritto, ai sensi di questa disposizione,
non è solamente chi redige un articolo di giornale, ma anche chi lo trasmette
alla stampa come espressione del suo pensiero, affinchè sia pubblicato, o chi,
in altro modo, si fa passare quale autore dello scritto e ne assume la
responsabilità.

Aus dem Talbestand:
Mitte Oktober 1944 veröffentlichten mehrere ostschweizerische Zeitungen einen
Artikel, der als Einsendung (Mitteilung) des Direktoriums der Grossloge Alpina
bezeichnet war und sich mit Heinrich Metzler, einem Gegner der Freimaurerei,
befasste. Metzler fühlte sich in seiner Ehre verletzt und erhob beim
Bezirksgericht St. Gallen Strafklage gegen J. Böni, E. Waldburger, J. J.
Bühler, H. Häberlin und H. Bessler, die fünf Mitglieder des Direktoriums der
Grossloge Alpina.
Anfangs Januar 1945 veröffentlichte die «Alpina», das Organ der
schweizerischen Freimaurerlogen, unter der Überschrift «Heinrich Metzler und
die Nazi» eine mit W. B. unterzeichnete Einsendung. Metzler wandte sich am 8.
Januar und, als er keine Antwort erhielt, am 20. Februar nochmals an die
Redaktion der «Alpina», mit dem Ersuchen um Bekanntgabe des Verfassers. Am 28.
März 1945 teilte ihm das Advokaturbureau Johannes Huber in St. Gallen mit,
dass das Direktorium der Grossloge Alpina die Verantwortung für den in der
Januar-Nummer der «Alpina» erschienenen Artikel «Heinrich Metzler und die
Nazi» übernehme. Darauf reichte Metzler beim Bezirksgericht St. Gallen gegen
die oben genannten fünf Beklagten eine zweite Ehrverletzungsklage ein.
Die Beklagten bestritten bei beiden Klagen die Passivlegitimation, da sie
nicht Verfasser der eingeklagten Artikel seien, doch erklärte das
Kantonsgericht St. Gallen diesen Einwand in Übereinstimmung mit dem

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Bezirksgericht als unbegründet und büsste die fünf Beklagten wegen
wiederholter übler Nachrede mit je 40 Franken.
Die hiegegen erhobene Nichtigkeitsteschwerde hat der Kassationshof abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
2. ­ In der Beschwerde wird weiter geltend gemacht, der angefochtene Entscheid
verletze Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
und 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB; die Beschwerdeführer seien weder Verfasser der
eingeklagten Artikel noch Redaktoren der Zeitungen, in welchen diese
erschienen, und seien deshalb strafrechtlich nicht dafür verantwortlich. Dass
die Beschwerdeführer nicht Redaktoren sind, ist unbestritten. Es kann sich
somit nur fragen, ob sie, wie das Kantonsgericht annahm, als Verfasser für die
in den eingeklagten Artikeln enthaltenen Ehrverletzungen belangt werden
können.
Als Verfasser eines Zeitungsartikels gilt zunächst nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch derjenige, der ihn in Gedanken entwirft und ihm durch
eigenhändige Niederschrift oder Diktat die zur Veröffentlichung bestimmte
äussere Form gibt. Darüber hinaus macht sich zum Verfasser im Sinne von Art.
27 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB, wer den Artikel zum Zwecke der Veröffentlichung durch einen
Dritten aufsetzen lässt und dann als seine eigene Meinungsäusserung der Presse
übergibt oder wer in anderer Weise sich als Verfasser ausgibt und die
Verantwortung dafür übernimmt. Nur dieser weitere Begriff des Verfassers trägt
den besonderen tatsächlichen Verhältnissen Rechnung, die zu der vom gemeinen
Strafrecht abweichenden Regelung der Presseverantwortung in Art. 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB
führten. Wer eine Meinungsäusserung unter seinem Namen der Presse zur
Veröffentlichung übergibt oder sich sonstwie als Verfasser ausgibt, kann nicht
nachträglich dadurch sich der strafrechtlichen Verantwortung entziehen und
diese auf den Redaktor abwälzen, dass er die Verfasserschaft bestreitet und
damit dem Verletzten sowie dem von diesem belangten Redaktor den vielfach kaum
zu

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erbringenden Beweis dafür zuschiebt, dass er den Artikel wirklich selbst
«verfasst» habe.
a) Der Artikel, welcher den Gegenstand der ersten Klage Metzlers bildet, ist
den verschiedenen Zeitungsredaktionen, die ihn veröffentlichten, zugegangen
als Einsendung oder Mitteilung des Direktoriums der Grossloge Alpina, das sich
damals aus den fünf Beschwerdeführern zusammensetzte. Die Beschwerdeführer
haben nicht bestritten, dass die Einsendung wirklich von diesem Direktorium
ausging, noch hat einer von ihnen geltend gemacht, er sei mit deren Inhalt
oder mit der Veröffentlichung nicht einverstanden gewesen. Schon dies allein
genügt nach dem Gesagten, um alle fünf Beschwerdeführer als Verfasser im Sinne
von Art. 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB zur Verantwortung zu ziehen und als Mittäter der in den
Artikeln enthaltenen Ehrverletzungen zu bestrafen. Das Kantonsgericht hat
zudem angenommen, dass mindestens einer der Beschwerdeführer wenn nicht
mehrere die Verfasser im engern Sinne sind, dass die Einsendung allen bekannt
war und dass sie mit ihrem Einverständnis an die verschiedenen
Zeitungsredaktionen versandt wurde. Diese tatsächliche Feststellung, die für
den Kassationshof verbindlich ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
und Art. 277 bis
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.

BStP), lässt die Behandlung der Beschwerdeführer als Verfasser vollends als
unanfechtbar erscheinen.
Die Beschwerdeführer beanstanden in diesem Zusammenhang auch die Annahme des
Kantonsgerichts, Metzler habe sie, obwohl er sie weder im Klagebegehren noch
in der Klageschrift ausdrücklich als Verfasser bezeichnete, in dieser
Eigenschaft belangen wollen. Wieso hiedurch Bundesrecht verletzt sein soll,
ist unerfindlich. Wie im Ehrverletzungsprozess das Klagebegehren zu
formulieren und die Klage zu begründen ist, bestimmt sich nach dem kantonalen
Prozessrecht, dessen Anwendung der Überprüfung des Kassationshofs entzogen
ist.
b) Die zweite Klage Metzlers hat einen in der «Alpina» erschienenen Artikel
zum Gegenstand. Die

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Beschwerdeführer bestreiten wiederum die Verfassereigenschaft; sie hätten zwar
Metzler gegenüber, als er um Bekanntgabe des Verfassers ersuchte, die
Verantwortung übernommen, doch dieser Erklärung komme nur zivilrechtliche,
nicht auch strafrechtliche Bedeutung zu, da es im Strafrecht keine Übernahme
der Verantwortung durch einen Dritten gebe. Bei einem Zeitungsartikel gilt
indessen, wie bereits ausgeführt, als Verfasser im Sinne von Art. 27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB
nicht nur wer den Artikel «verfasst» (aufgesetzt) hat, sondern auch, wer ihn
unter seinem Namen einer Zeitung zur Veröffentlichung eingesandt oder sich in
anderer Weise als sein Verfasser ausgegeben und die Verantwortung dafür
übernommen hat. Wer den streitigen Artikel an den Redaktor der «Alpina»
sandte, ist nicht dargetan und brauchte auch nicht abgeklärt zu werden, da die
Beschwerdeführer sich in anderer Weise als Verfasser ausgegeben haben. Die
Beschwerdeführer, gegen die Metzler bereits eine erste Strafklage wegen
Ehrverletzung eingeleitet hatte, wussten, dass dieser den Redaktor der
«Alpina» zu belangen beabsichtigte, falls seinem wiederholten Begehren um
Bekanntgabe des Verfassers nicht entsprochen würde. Ihre Erklärung, die
Verantwortung zu übernehmen, erfolgte als Antwort auf jenes Begehren und
sollte die sonst dem Redaktor drohende Strafklage von diesem abwenden. Wer
aber unter solchen Umständen und in der von den Beschwerdeführern gewählten
Form sich für ein Presseerzeugnis verantwortlich erklärt, gilt, wie im
erstinstanzlichen Urteil mit Recht ausgeführt wird, als Verfasser und kann
nach Art. 27 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
StGB belangt werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 218
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 14. November 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 218
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 27 Ziff. I StGB: Verfasser im Sinne dieser Bestimmung ist nicht nur, wer einen Zeitungsartikel...


Gesetzesregister
BStP: 273  277bis
StGB: 1 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
27
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 27 - Besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, werden bei dem Täter oder Teilnehmer berücksichtigt, bei dem sie vorliegen.
BGE Register
73-IV-218
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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