S. 120 / Nr. 32 Uhrenindustrie (d)

BGE 73 IV 120

32. Urteil des Kassationshofes vom 2. Mai 1947 i.S. Schweizerische Uhrenkammer
gegen Ryf.


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Regeste:
Art. 3 BRB vom 21. Dezember 1945 zum Schutze der schweizerischen
Uhrenindustrie.
Ob die Arbeiterzahl erhöht ist, bestimmt sich nach der Zahl der tatsächlich
mit der Herstellung geschützter Artikel beschäftigten Arbeiter. Heimarbeiter
werden auch dann als ganze Arbeitskraft gezählt, wenn das Unternehmen sie
nicht voll beschäftigt.
Art. 3 de l'ACF du 21 décembre 1945 protégeant l'industrie horlogère suisse.
L'augmentation du nombre des ouvriers se détermine d'après le nombre des
ouvriers travaillant effectivement à la fabrication d'articles protégés. Les
ouvriers à domicile comptent pour des unités entières, même si l'entreprise ne
les occupe pas pleinement.
Art. 3 ACF 21 dicembre 1915 che protegge l'industria svizzera degli orologi.
L'aumento del numero degli operai si stabilisce in base al numero dogli operai
che effettivamente lavorano alla fabbricazione di articoli protetti. Gli
operai che lavorano a casa loro contano quali unità intere, anche se l'impresa
non li occupa in pieno.

A. ­ Gottfried und Otto Ryf betreiben in Grenchen als Kollektivgesellschafter
eine Roskopf-Assortimentsfabrik. Am 29. September 1938 erlaubte ihnen das
Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, die Zahl der Arbeitskräfte dieses
Unternehmens, inbegriffen die Heimarbeiter, auf 17 zu erhöhen. Gemäss Bericht
vom 3. Juli 1946 stellte indessen das eidgenössische Fabrikinspektorat des II.
Kreises fest, dass die Gebrüder Ryf 22 Arbeiter beschäftigten, Heimarbeiter
inbegriffen. Auf Veranlassung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
beantragte daher die Schweizerische Uhrenkammer dem Untersuchungsrichter von
Solothurn-Lebern am 5. November 1946 die Bestrafung der Brüder Ryf wegen
unerlaubter Erweiterung einer Unternehmung der Uhrenindustrie im Sinne von

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Art. 1 und 3 des Bundesratsbeschlusses vom 21. Dezember 1945 zum Schutze der
schweizerischen Uhrenindustrie. Da Gottfried Ryf geltend machte, von den 22
Arbeitern hätten 6 bis 7 ausschliesslich Stanzartikel und Weckerbestandteile
hergestellt, die den Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses nicht
unterständen, holte der Untersuchungsrichter einen Bericht des kantonalen
Gewerbe- und Fabrikinspektorates ein. Dieses stellte am 27. November 1946
fest, dass die Gebrüder Ryf in der Fabrik 19 und als Heimarbeiter 9 Personen
beschäftigten. Von den in der Fabrik arbeitenden stellten 7 Weckerbestandteile
und Stanzartikel her und von den Heimarbeitern seien durchschnittlich 3
ebenfalls auf diesen Artikeln beschäftigt. Jene Heimarbeiter, die geschützte
Uhrenartikel herstellten, seien nicht voll beschäftigt, da Frauen darunter
seien, die nur neben den Hausgeschäften Heimarbeit verrichteten. Bei voller
Beschäftigung seien für die gleiche Arbeit statt 6 höchstens 3 Personen
erforderlich. Nach den Fakturen der Firma vom November 1946 betrage der Umsatz
für Weckerbestandteile und Stanzartikel 40% des gesamten Monatsumsatzes.
Beziehe man diesen Prozentsatz auf die Arbeiterzahl, so ergebe das für
Uhrenbestandteile 16 und für andere Artikel 12 Personen. Ob alle
Weckerbestandteile für Uhrwerke bestimmt seien, welche die in Art. 21 des
Bundesratsbeschlusses enthaltenen Masse übersteigen, habe nicht festgestellt
werden können, da dies nur bei den Kunden zu ermitteln sei; die Firma erkläre,
dass durchwegs grössere Wecker in Frage ständen.
B. ­ Am 18. Dezember 1946 stellte das Amtsgericht Solothurn-Lebern die
Untersuchung gegen Gottfried und Otto Ryf ein. Die Beschwerde der
Schweizerischen Uhrenkammer gegen diesen Beschluss wurde vom Obergericht des
Kantons Solothurn am 7. Februar 1947 abgewiesen. Es führte aus, die vom
kantonalen Fabrikinspektorat im November 1946 festgestellten Verhältnisse
hätten zweifellos mit denen übereingestimmt, wie sie im Sommer 1946 bestanden.
Die Berechnung der Arbeiterzahl und die damit

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zusammenhängende Auslegung des Bundesratsbeschlusses erwiesen sich als
richtig. Das Ergebnis der Nachprüfung durch das kantonale Fabrikinspektorat
stimme mit den Angaben des Angeschuldigten überein, die als glaubwürdig
erschienen. Es hätte sich nur noch fragen können, ob das Amtsgericht die
Lieferungen der Firma Ryf bei den Kunden bezüglich der Dimensionen hätte
nachprüfen lassen sollen. Allein gestützt auf den klaren Bericht des
kantonalen Fabrikinspektorates, durch den die Anschuldigungen eindeutig
widerlegt seien, erwiesen sich weitere Beweiserhebungen als überflüssig und
unerheblich.
C. ­ Die Schweizerische Uhrenkammer führt gegen den Entscheid des Obergerichts
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrage, das Obergericht sei zu veranlassen,
einen Entscheid zu fällen, auf Grund dessen das Strafverfahren gegen die
Angeklagten vor kantonaler Instanz durchzuführen sei.
D. ­ Die Brüder Ryf beantragen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Art. 1 des BRB vom 21. Dezember 1945 zum Schutze der schweizerischen
Uhrenindustrie untersagt, ohne vorhergehende Bewilligung Unternehmungen der
Uhrenindustrie zu erweitern, und gemäss Art. 3 gilt jede Erhöhung der
Arbeiterzahl (einschliesslich der Zahl der Heimarbeiter) als Erweiterung.
Für das Unternehmen der Gebrüder Ryf ist eine Arbeiterzahl von 17 bewilligt,
Heimarbeiter inbegriffen. Nach den Feststellungen des kantonalen Gewerbe- und
Fabrikinspektorates, auf welche die Vorinstanz abstellt, beschäftigten indes
die Beschuldigten im November 1946 und schon im Sommer 1946 in der Fabrik 19
und zu Hause 9, zusammen also 28 Arbeiter, wovon nur 10, nämlich in der Fabrik
7 und zu Hause 3, Artikel herstellten, auf die der Bundesratsbeschluss nicht
anwendbar ist. Demnach waren 18 Arbeiter, nämlich in der Fabrik 12 und zu
Hause 6,

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mit der Herstellung von Artikeln beschäftigt, die unter den
Bundesratsbeschluss fallen. Die bewilligte Zahl ist überschritten.
Dass die Heimarbeiter nicht voll beschäftigt sind, ist entgegen der Auffassung
des kantonalen Gewerbe- und Fabrikinspektorates, welche die Vorinstanz als
richtig hinnimmt, nicht entscheidend. Nach Art. 3 des Bundesratsbeschlusses
kommt es einzig auf die Zahl der Heimarbeiter an, nicht auf den Umfang der von
ihnen geleisteten Arbeit, wie denn auch bei der Ermittlung des zulässigen
Höchstbestandes bloss auf die Zahl der beschäftigten Arbeiter abgestellt und
nicht nach dem Umfange der von ihnen geleisteten Arbeit gefragt wird.
Auch ist massgebend die Zahl der tatsächlich mit der Herstellung geschützter
Artikel beschäftigten Fabrik- und Heimarbeiter. Es geht nicht an, aus dem
Verhältnis des gesamten Geschäftsumsatzes zum Umsatze an geschützten Artikeln
eine fiktive Arbeiterzahl zu errechnen; denn damit käme dem Werte der
geleisteten Arbeit entscheidende Bedeutung bei, und zwar nicht einmal dem
absoluten, sondern dem relativen Werte. Das Ergebnis würde beeinflusst vom
Werte der nicht geschützten Artikel und vom Aufwand an manueller Arbeit, die
zu ihrer Herstellung nötig ist. Durch Fabrikation hochwertiger, aber mit
geringer menschlicher Arbeitskraft herstellbarer ungeschützter Artikel wäre es
möglich, die Zahl der mit der Herstellung geschützter Artikel beschäftigten
Arbeiter zu erhöhen und den Umsatz an solchen Artikeln zu steigern, ohne dass
dies in der fiktiven Arbeiterzahl, die auf Grund des prozentualen Anteils des
geschützten Geschäftszweiges am Gesamtumsatze errechnet würde,
notwendigerweise zum Ausdruck käme. Auch wäre die errechnete fiktive
Arbeiterzahl eine Durchschnittszahl (Monatsdurchschnitt oder
Jahresdurchschnitt). Eine Erweiterung des Unternehmens liegt indessen nicht
erst dann vor, wenn die zulässige Zahl der Arbeiter durchschnittlich, sondern
schon dann, wenn sie auch bloss für wenige Tage überschritten wird. Und

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endlich würden durch die erwähnte Berechnungsart die Heimarbeiter wiederum
nicht nach Köpfen, sondern nach dem Werte der von ihnen geleisteten Arbeit
berücksichtigt. So ergäbe auch im vorliegenden Falle das Verhältnis zwischen
dem Umsatze an geschützten Artikeln und dem gesamten Geschäftsumsatze eine
fiktive durchschnittliche Zahl von bloss 16 Fabrik- und Heimarbeitern, während
im Zeitpunkt der Feststellungen des kantonalen Gewerbe- und
Fabrikinspektorates tatsächlich 18 Arbeiter für den geschützten Geschäftszweig
tätig waren. Dabei beruht die Berechnung der Zahl 16 erst noch auf der nicht
abgeklärten Annahme, alle Weckerbestandteile seien für nicht geschützte
Uhrwerke bestimmt gewesen. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben, da
nach dem Gesagten auf die Zahl 18 der tatsächlich beschäftigten Arbeiter
abzustellen ist.
2. ­ Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Bericht des kantonalen Gewerbe-
und Fabrikinspektorates dürfe nicht massgebend sein, weil er den Zustand in
einem vom Tatbestand der Strafklage entfernten Zeitpunkte feststelle. Das
Obergericht nimmt jedoch an, im Sommer 1946 seien die Verhältnisse gleich
gewesen wie im November 1946. Diese Annahme beruht auf Beweiswürdigung, die
der Kassationshof nicht zu überprüfen hat (Art. 273 Abs. 1 lit. b , Art. 277
bis BStP). Nach dem Gesagten kommt indes auf die Kritik der Beschwerdeführerin
nichts an, da schon in der Erhöhung der Arbeiterzahl auf 18 objektiv eine
Widerhandlung gegen den Bundesratsbeschluss liegt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn vom 7. Februar 1947 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 120
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 01. Mai 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 120
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 3 BRB vom 21. Dezember 1945 zum Schutze der schweizerischen Uhrenindustrie.Ob die Arbeiterzahl...


Gesetzesregister
BStP: 273  277bis
BGE Register
73-IV-120
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