S. 100 / Nr. 28 Strafgesetzbuch (d)

BGE 73 IV 100

28. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 4. Juni 1947 i.S.
Bundesanwaltschaft gegen Frei und Mitangeklagte.


Seite: 100
Regeste:
Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB, Angriff auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft.
a) Unabhängigkeit, Gefährdung (Erw. II 1 a).
b) Vorsatz, Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (Erw. II 1 b).
c) Wenn Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB zutrifft, ist Art. 275
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 275 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft366 oder der Kantone367 rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB (rechtswidrige Vereinigung)
nicht anzuwenden (Erw. II 2).
d) Fälle der Anwendung von Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB (Erw. II 4, 5).
e) Verhältnis von Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
zu Art. 265
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 265 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt
StGB, Art. 1 BRB vom 5. Dezember 1938
betreffend Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der
Demokratie (DSchV I) und Art. 1 BRB vom 27. Februar 1945 betreffend Massnahmen
zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und die Aufhebung der
Parteiverbote (DSchV II) (Erw. III).
Art. 266 CP, atteinte à l'indépendance de la Confédération.
a) Indépendance, mise en danger (consid. II 1 a).
b) Intention, conscience de l'illicéité (consid. II 1 b).
c) Lorsque les prévisions de l'art. 266 CP sont réunies, l'art. 275
(groupements illicites) ne s'applique pas (consid. II 2).
d) Cas d'application de l'art. 266 CP (consid. II 4, 5).
e) Relation entre l'art. 266 CP et les art. 265 CP, 1er ACF du 5 décembre 1938
réprimant des actes contraries à l'ordre public et 1er ACF du 27 février 1945
instituant des mesures pour protéger l'ordre constitutionnel (consid. III).
Art. 266 (9P, attentato contro l'indipendenza della Confederazione.
a) Indipendenza, messa in pericolo (consid. II 1 a).
b) Intenzione, coscienza dell'illiceità (consid. II 1 b).
c) Se gli estremi dell'art. 266 CP sono raggiunti, l'art. 275 CP (associazioni
illecite) non torna applicabile (consid. II 2).
d) Casi d'applicazione dell'art. 266 CP (consid. II 4, 5).
e) Relazione tra l'art. 266 CP e l'art. 265 CP, l'art. 1 DCF 5 dicembre 1938
che reprime gli atti contrari all'ordine pubblico e l'art. 1 del DCF 27
febbraio 1945 che istituisce misure per proteggere l'ordine costituzionale
(consid. III).

Aus den Erwägungen:
II.
1. ­ a) Die gleich lautenden Art. 37bis BStR (eingeführt durch Art. 2 des BG
vom 8. Oktober 1936 betreffend Angriffe auf die Unabhängigkeit der
Eidgenossenschaft) und Art. 266 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB erklären strafbar, wer eine
Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist (Abs. 1), die Unabhängigkeit der
Eidgenossenschaft zu verletzen

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oder zu gefährden (Abs. 2), insbesondere eine die Unabhängigkeit der
Eidgenossenschaft gefährdende Einmischung einer fremden Macht in die
Angelegenheiten der Eidgenossenschaft herbeizuführen (Abs. 3).
Wie das Bundesgericht wiederholt erkannt hat, ist die Eidgenossenschaft
unabhängig im Sinne dieser Bestimmungen, solange sie als selbständiger Staat
besteht und ihre innern Angelegenheiten frei von äusserer Einmischung ordnen
kann. Ein Angriff auf die Unabhängigkeit braucht nicht auf Einverleibung der
Schweiz in einen fremden Staat abzuzielen, sondern kann sich auch in einer von
einer ausländischen Behörde, Partei oder ähnlichen Organisation kommenden
Einmischung erschöpfen, die zum Ziele hat, die freie Willensbildung der
Eidgenossenschaft in innern Angelegenheiten zu beeinträchtigen, z. B. die
Verfassung unter dem Drucke von aussen abzuändern (Botschaft des Bundesrates
zum Unabhängigkeitsgesetz, BBl 1936 II 176). Das ergibt sich aus dem dritten
Absatz der erwähnten Bestimmungen, der einen auch schon von der allgemeineren
Norm des zweiten Absatzes erfassten Sonderfall hervorhebt (Bundesstrafgericht
14. Juli 1939 i.S. Zander, 10. Dezember 1943 i.S. Staiger, 18. März 1944 i.S.
Büeler, 16. Juni 1944 i.S. Michel [BGE 70 IV 140 ]; Kassationshof 10. November
1944 i.S. Meyer, 27. September 1946 i.S. Wierer).
Art. 371bis BStR und Art. 266 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB bedrohen mit Strafe nicht nur die
Verletzung, sondern auch die blosse Gefährdung der Unabhängigkeit der
Eidgenossenschaft. Wie immer, wenn die Gefährdung Tatbestandsmerkmal einer
strafbaren Handlung ist, ist nicht eine bloss abstrakte, sondern eine konkrete
Gefährdung gemeint. Eine solche liegt nur vor, wenn der geschaffene Zustand
die Verletzung wahrscheinlich, nicht jedesmal schon dann, wenn er sie objektiv
möglich macht (BGE 58 I 216, 72 IV 27). Nicht nötig ist aber die
Wahrscheinlichkeit sofortiger Verletzung; es genügt, dass sich der Zustand,
sei es mit, sei es ohne Zutun des Täters, nach dem normalen Gang der Dinge

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wahrscheinlich bis zu einer Verletzung weiterentwickeln würde (BGE 70 IV 141).
Nach den erwähnten Bestimmungen strafbar sind sodann auch Handlungen, die
bloss «darauf gerichtet» sind, die Unabhängigkeit zu verletzen oder zu
gefährden. Damit will das Gesetz schon Handlungen erfassen, die selber die
Unabhängigkeit weder verletzen noch gefährden, aber einen Zustand vorbereiten,
der eine Verletzung oder Gefährdung in sich schliesst (BGE 70 IV 141).
Freilich genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht jede noch so
unbedeutende Vorbereitungshandlung, ist doch die Mindeststrafe ein Jahr
Gefängnis, was wie die Bezeichnung des Verbrechens als «Angriff auf die
Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft» (Randtitel zu Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB) andeutet,
dass der Erfolg (Gefährdung oder Verletzung) in eine gewisse Nähe gerückt sein
muss. Dafür spricht auch, dass weniger bedeutsame Fälle unter Umständen nach
dem milderen Art. 275
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 275 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft366 oder der Kantone367 rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB bestraft werden können. Wie nahe die Vorbereitungen
dem Erfolg gekommen sein müssen, um die Anwendung des Art. 37bis BStR oder
Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB zu rechtfertigen, ist anhand des einzelnen Falles abzuwägen.
Dabei darf beim Zusammenwirken mehrerer Täter die Tat des einzelnen nicht
losgelöst von ihrem Zusammenhang mit den andern betrachtet werden. Was den
Täter dem Ziel nur unbedeutend näher bringt, kann dennoch als Angriff auf die
Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft bestraft werden, wenn die Vorbereitungen
in ihrer Gesamtheit schon so weit gediehen sind, dass sich die Anwendung von
Art. 37bis BStR oder Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB rechtfertigt (Kassationshof 10. November
1944 i.S. Meyer, 27. September 1946 i.S. Wierer).
b) Strafbar ist nur, wer die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft vorsätzlich
angreift (Art. 11 BStR, Art. 18 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
StGB). Vorsatz erfordert das Wissen und
Wollen des Täters (BGE 60 I 418, Art. 18 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
StGB). Dieser muss wissen und
wollen, dass seine Handlung die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft verletzt
oder gefährdet

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oder auf eine Verletzung oder Gefährdung gerichtet ist. Doch lässt die
Rechtsprechung des Bundesgerichts auch den Eventualvorsatz genügen, der dann
vorliegt, wenn der Täter ernsthaft damit rechnet, seine Handlung verletze oder
gefährde die Unabhängigkeit des Landes oder sei auf einen solchen Erfolg
gerichtet, und wenn er mit dem, was er so als möglich voraussieht, für
den:Fall, dass es Wirklichkeit sei, einverstanden ist (BGE 69 IV 80;
Kassationshof i.S. Meyer und i.S. Wierer).
Nach Art. 11 BStR gehört zum Vorsatz ausserdem das Bewusstsein der
Rechtswidrigkeit (BGE 60 I 418, 65 I 46, 66 I 113), und Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB erlaubt
dem Richter, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern oder von einer
Bestrafung Umgang zu nehmen, wenn der Täter aus zureichenden Gründen
angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt (vgl. BGE 70 IV 98). Wer bewusst und
gewollt eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die äussere oder
innere Selbständigkeit der Eidgenossenschaft auf verfassungswidrigem Wege,
insbesondere unter dem Drucke einer fremden Macht, preiszugeben oder aufs
Spiel zu setzen, ist sich indessen der Rechtswidrigkeit seiner Tat immer
bewusst. Die Kenntnis des Weges, der die Tat objektiv rechtswidrig macht,
schliesst das Bewusstsein, unrecht zu tun, in sich.
2. ­ Nach Art. 275
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 275 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft366 oder der Kantone367 rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB ist strafbar, wer eine Vereinigung gründet, die
bezweckt oder deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, unter Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB
fallende Handlungen vorzunehmen, ferner wer einer solchen Vereinigung beitritt
oder sich an ihren Bestrebungen beteiligt oder wer zur Bildung solcher
Vereinigungen auffordert oder deren Weisungen befolgt. Diese Bestimmung
bezweckt nicht, den im Komplott begangenen Angriff auf die Unabhängigkeit der
Eidgenossenschaft zu privilegieren. Anderseits will sie ihn auch nicht als
eine mit Art. 266 ideell konkurrierende Vorschrift zusätzlich sühnen, erlaubt
doch schon Art. 266 allein, das Höchstmass der zeitlichen Zuchthausstrafe
auszusprechen. Aus der Entstehungsgeschichte er

Seite: 104
gibt sich, dass Art. 275, der das gleiche Rechtsgut schützt wie Art. 266, als
Aushilfsvorschrift gedacht war für Fälle, von denen die gesetzgebenden
Behörden glaubten, sie könnten möglicherweise nicht schon unter Art. 266
fallen (StenBull StR 1931 657 ff., 1932 139 ff., NR 1935 552). Deshalb ist
Art. 275
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 275 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft366 oder der Kantone367 rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht anzuwenden, wenn der Tatbestand des Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB erfüllt
ist, was nach der Rechtsprechung des Bundesstrafgerichts jedenfalls dann
zutrifft, wenn die rechtswidrige Vereinigung nicht bloss besteht, sondern in
Verfolgung ihres Zweckes tätig wird, d.h. unter Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB fallende
Handlungen vornimmt (Urteile vom 10. Dezember 1943 i.S. Staiger und vom 18.
März 1944 i.S. Büeler).
3. ­ .....
4. ­ Hans Oehler hat mit Wissen und Willen am 10. Oktober 1940 in München an
einer Besprechung teilgenommen, zu welcher die deutschen Behörden Führer
schweizerischer Erneuerungsbewegungen einberufen hatten, um sie zur
Verschmelzung ihrer Organisationen mit der nationalsozialistisch gesinnten
NBS, deren Führerrat Oehler angehörte, zu veranlassen. Er hat Zander, den
Führer des BTE, über das Ergebnis der Konferenz aufgeklärt und damit wiederum
zu den Bestrebungen der deutschen Behörden beigetragen, die am 22. Oktober
1940 zur Verschmelzung des BTE und der ESAP mit der NBS führten. Im Vorgehen
der genannten Bewegungen nach den Wünschen und den Ratschlägen deutscher
Amtsstellen lag eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft im
Sinne von Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB, denn das Deutsche Reich konnte und wollte sich der
NBS bedienen, um eine die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft gefährdende
Einmischung in die Angelegenheiten der Eidgenossenschaft zu erreichen, wie es
sich bereits in andern Ländern nationalsozialistische Bewegungen dienstbar
gemacht hatte, um dem Ziele der Schaffung eines «Neuen Europa» oder
«Grossgermanischen Reiches» näher zu kommen. Oehler war sich dessen bewusst
und billigte den Zustand der Gefährdung.

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In seiner Mitwirkung lag eine Handlung, die auf diese Gefährdung gerichtet
war. Oehler ist in Anwendung von Art. 266 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB zu bestrafen.
5. ­ Da der BSG bereit war, Hitler bei der Einordnung der Eidgenossenschaft in
das «Neue Europa» oder «Grossgermanische Reich» zu helfen, gleichgültig welche
Stellung der Schweiz in diesem Staatsgebilde zugedacht sein würde und welche
Mittel Hitler gegenüber der Schweiz anwenden würde, bestand die gesamte
Tätigkeit des BSG, d.h. die Sammlung und Schulung gehorsamer, disziplinierter,
körperlich tüchtiger und weltanschaulich zuverlässiger Nationalsozialisten,
aus Handlungen, welche im Sinne des Art. 266 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB auf Verletzung der
Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft gerichtet waren. Das Merkmal der
Rechtswidrigkeit liegt darin, dass die Umgestaltung und Einordnung der
Eidgenossenschaft nicht nach dem auf verfassungsmässigem Wege zu ermittelnden
freien Willen des Schweizervolkes, sondern nach dem Willen Hitlers und auf dem
von Hitler bestimmten Wege erfolgen sollte. Auch waren die Bestrebungen des
BSG weit genug gediehen, um die Anwendung des Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB zu rechtfertigen.
Ob sie neben den allgemeinen Gefahren, die damals der Schweiz von Seiten des
Deutschen Reiches drohten, eine zusätzliche Gefahr im Sinne dieser Bestimmung
schufen, ist nicht entscheidend; strafbar sind sie schon wegen des Endzieles
der Verletzung der Unabhängigkeit, auf das sie gerichtet waren.
...
III.
Nach Art. 1 des BRB vom 5. Dezember 1938 betreffend Massnahmen gegen
staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der Demokratie (DSchV I) ist
strafbar, wer es unternimmt, die verfassungsmässige Ordnung der
Eidgenossenschaft oder der Kantone rechtswidrig zu beseitigen oder zu
gefährden (Abs. 1), wer insbesondere einer Propaganda des Auslandes Vorschub
leistet, die auf die Änderung

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der politischen Einrichtungen der Schweiz abzielt (Abs. 2). Diese Bestimmung
wurde auf 1. März 1945 ersetzt durch Art. 1 des BRB vom 27. Februar 1945
betreffend Massnahmen zum Schutze der verfassungsmässigen Ordnung und die
Aufhebung der Parteiverbote (DSchV II). Darnach wird bestraft, wer eine
Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung
der Eidgenossenschaft oder der Kantone in rechtswidriger Weise zu ändern oder
zu gefährden (Abs. 1), wer eine Propaganda betreibt, die darauf gerichtet ist,
die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft oder der Kantone in
rechtswidriger Weise zu ändern oder zu gefährden (Abs. 2), oder wer einer so
gearteten Propaganda, insbesondere des Auslandes, Vorschub leistet (Abs. 3).
Die unter Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB fallenden Handlungen der Angeklagten erfüllen an sich
auch die umschriebenen Tatbestände der beiden Demokratieschutzverordnungen,
und zwar die Tatbestände von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 DSchV I, soweit sie vor
dem 1. März 1945 verübt worden sind, und die Tatbestände von Art. 1 Abs. 1-3,
soweit die Begehung in die Zeit seit 1. März 1945 fällt. Allein es besteht
kein Grund, im vorliegenden Falle die beiden Demokratieschutzverordnungen
neben Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB anzuwenden, wie die Bundesanwaltschaft es beantragt. Wohl
hat das Bundesstrafgericht in früheren Fällen (Staiger 10. Dezember 1943,
Büeler 18. März 1944, Michel 16. Juni 1944) die Gefährdung der Unabhängigkeit
der Eidgenossenschaft und die Gefährdung der verfassungsmässigen Ordnung durch
ein und dieselbe Handlung als ideell konkurrierende strafbare Handlungen
betrachtet. Diese Auffassung trägt jedoch dem Umstande nicht Rechnung, dass
Art. 1 DSchV I ­ das gleiche gilt für Art. 1 DSchV II ­ nur Notrecht enthielt,
das bestimmt war, das Strafgesetzbuch zu ergänzen, wo dieses die
verfassungsmässige Ordnung nicht schützt. Zur Ausfüllung von Lücken im
Staatsschutz, nicht zur zusätzlichen Erfassung von Tatbeständen, die schon
unter das Strafgesetzbuch fallen, sind die

Seite: 107
angeführten Bestimmungen der beiden Demokratieschutzverordnungen erlassen
worden. Richtig ist, dass sie die verfassungsmässige Ordnung, nicht die
Stellung der Schweiz im Verhältnis zu andern Staaten schützen, also die
Bestimmung über Hochverrat (Art. 265
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 265 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt
StGB), nicht jene über Landesverrat (Art.
266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB) ergänzen sollen. Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB schützt jedoch mit der Unabhängigkeit
auch die von aussen unbeeinflusste Willensbildung in inneren Angelegenheiten
und damit notwendig die verfassungsmässige Ordnung in allen Fällen, wo der
Angriff auf die Unabhängigkeit in einem mit Hilfe einer fremden Macht
vorbereiteten oder durchgeführten Angriff auf die verfassungsmässige Ordnung
besteht oder einen solchen in sich schliesst. In solchen Fällen ist das
Rechtsgut, zu dessen Schutz Art. 265
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 265 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt
StGB und Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
der beiden
Demokratieschutzverordnungen erlassen sind, schon durch Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB
geschützt, und zwar in einem Masse, das auch durch kumulative Anwendung von
Art. 265
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 265 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt
StGB oder Art. 1 DSchV nicht verschärft würde, erlaubt doch schon
Art. 266
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
StGB allein, das Höchstmass der zeitlichen Zuchthausstrafe
auszusprechen. So verhält es sich auch in der vorliegenden Sache. Dem
Umstande, dass die Verletzung der Unabhängigkeit der Schweiz notwendig das
Ende der verfassungsmässigen Ordnung mit sich gebracht hätte, wird bei
Bemessung der Strafe im Rahmen des Art. 266 Rechnung zu tragen sein. Dann ist
der Angriff auf die verfassungsmässige Ordnung durch Art. 266 nach allen
Seiten abgegolten.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 IV 100
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 03. Juni 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 IV 100
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 266 StGB, Angriff auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft.a) Unabhängigkeit, Gefährdung...


Gesetzesregister
StGB: 1 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
18 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
20 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
265 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 265 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, mit Gewalt
266 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 266 - 1. Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
1    Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist,
275
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 275 - Wer eine Handlung vornimmt, die darauf gerichtet ist, die verfassungsmässige Ordnung der Eidgenossenschaft366 oder der Kantone367 rechtswidrig zu stören oder zu ändern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
58-I-214 • 60-I-412 • 65-I-39 • 66-I-107 • 69-IV-75 • 70-IV-139 • 70-IV-97 • 72-IV-23 • 73-IV-100
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
eidgenossenschaft • wille • bundesstrafgericht • strafgesetzbuch • vorsatz • wissen • kassationshof • bundesgericht • druck • strafbare handlung • zuchthausstrafe • demokratie • landesverrat • kenntnis • weisung • entscheid • beschuldigter • sachverhalt • autonomie • widerrechtlichkeit
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BBl
1936/II/176