S. 79 / Nr. 19 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 73 III 79

19. Entscheid vom 24. Juni 1947 i. S. Konkursamt Basel-Stadt.

Regeste:
Das Konkursamt kann Sachen beschlagnahmen, an denen ein Dritter
unselbständigen Besitz (Pfandbesitz) und der Gemeinschuldner selbständigen
Besitz hat, oder die im Mitbesitz des Gemeinschuldners und eines Dritten
stehen.
L'office des faillites a le droit de frapper d'indisponibilité les biens sur
lesquels un tiers a une possession dérivée (à titre de créancier gagiste) et
le failli une possession originaire, de même que ceux qui sont en la
possession commune du failli et du tiers.
L'ufficio dei fallimenti ha il diritto di colpire d'indisponibilità i beni,
sui quali un terzo ha un possesso derivato (a titolo di creditore
pignoratizio) e il fallito un possesso originario, come pure i beni che sono
in possesso comune del fallito e del terzo.

A. ­ Die Welcome Lederwarenfabrik A. G. in Basel sandte der Dana
Lederwarenfabrik GmbH. in Therwil im September 1946 ca. 40000 unüberzogene
Brillenetuis zur Bearbeitung. «Pro forma» stellte sie ihr dafür Rechnung. Am
17. Dezember 1946 schrieb sie ihr, sie trete von ihrem «Guthaben» bei ihr
einen Betrag von Fr. 15000.­ an die Optica A. G. in Basel ab; «Es gehen

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somit für diesen Betrag Rohkörper in das Eigentum der Optica A. G. über».
B. ­ Nachdem die Welcome A. G. im Januar 1947 in Konkurs gefallen war, belegte
das Konkursamt Binningen auf Ersuchen des Konkursamtes Basel-Stadt am 22.
Januar 1947 alle Etuis, die die Dana GmbH. von der Gemeinschuldnerin erhalten
hatte, mit Konkursbeschlag, indem es der Dana GmbH. bei Straffolge untersagte,
ohne konkursamtliche Bewilligung darüber zu verfügen. Die Dana GmbH. machte
daran ein Faustpfandrecht gegenüber der Gemeinschuldnerin geltend. Auf ihre
Mitteilung vom 28. Januar, dass von den bei ihr liegenden Etuis ca. 28000
Stück Eigentum der Optica A. G. und daher ihres Erachtens von der
Beschlagnahme nicht betroffen seien, antwortete das Konkursamt Binningen am
29. Januar 1947, diese Massnahme erstrecke sich auch auf die angeblich der
Optica A. G. gehörenden Etuis.
C. ­ Auf Beschwerde der Dana GmbH. hin hat die kantonale Aufsichtsbehörde am
30. Mai 1947 die Beschlagnahme der eben erwähnten ca. 28000 Etuis aufgehoben.
Diesen Entscheid hat das Konkursamt Basel-Stadt an das Bundesgericht
weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1. ­ Ob die Beschwerdeführerin Dana GmbH. durch die angefochtene Beschlagnahme
überhaupt in ihren rechtlichen Interessen getroffen wird und daher zur
Beschwerde legitimiert ist, kann dahingestellt bleiben, da sich die streitige
Massnahme auf jeden Fall als gerechtfertigt erweist.
2. ­ Der Vorinstanz ist darin Recht zu geben, dass die Konkursverwaltung
Sachen, von denen nach den Besitzesregeln zu vermuten ist, dass sie im
Eigentum eines Dritten stehen, erst beschlagnahmen darf, wenn gerichtlich
festgestellt ist, dass sie zur Masse gehören (BGE 50 III 3,52 III 10). Im
vorliegenden Falle besteht

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jedoch keine Vermutung für Dritteigentum. Die Beschwerdeführerin beansprucht
an den beschlagnahmten Etuis für sich nicht das Eigentum, sondern nur ein
Pfandrecht. Ihr (unselbständiger) Besitz begründete also zunächst keine andere
Eigentumsvermutung als eine solche zugunsten der Welcome A. G., von der sie
die Etuis empfangen hatte (Art. 931 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
ZGB). Die Anzeige vom 17. Dezember
1946 konnte für sich allein nicht bewirken, dass der selbständige Besitz (Art.
920
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 920 - 1 Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
1    Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
2    Wer eine Sache als Eigentümer besitzt, hat selbständigen, der andere unselbständigen Besitz.
ZGB) mit Bezug auf 28000 Etuis von der Welcome A. G. auf die Optica A. G.
überging. Hiezu wäre ausserdem nötig gewesen, dass die Beschwerdeführerin die
der Optica A. G. zukommenden Stücke aus dem Gesamtbestande der von der Welcome
A. G. erhaltenen Etuis ausgeschieden hätte. Eine solche Ausscheidung hatte,
wie aus dem Requisitionsberichte des Konkursamtes Binningen und den
Feststellungen der Vorinstanz hervorgeht, zur Zeit der Beschlagnahme noch
nicht stattgefunden. Damals bestanden also immer noch die ursprünglichen
Besitzesverhältnisse und die darin begründete Vermutung für das Eigentum der
Welcome A. G. bezw. ihrer Konkursmasse.
Wollte man übrigens annehmen, dass das Schreiben vom 17. Dezember 1946 die
Besitzesverhältnisse unmittelbar beeinflusst habe, so könnte der Optica A. G.
doch höchstens zugestanden werden, dass sie an den bei der Beschwerdeführerin
liegenden Etuis fortan Mitbesitz hatte, und zwar zusammen mit der Welcome A.
G. Mitbesitz des Gemeinschuldners genügt aber, um die Beschlagnahme zu
rechtfertigen.
Die Vorschrift von Art. 232 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 232 - 1 Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
1    Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
2    Die Bekanntmachung enthält:
1  die Bezeichnung des Schuldners und seines Wohnortes sowie des Zeitpunktes der Konkurseröffnung;
2  die Aufforderung an die Gläubiger des Schuldners und an alle, die Ansprüche auf die in seinem Besitz befindlichen Vermögensstücke haben, ihre Forderungen oder Ansprüche samt Beweismitteln (Schuldscheine, Buchauszüge usw.) innert einem Monat nach der Bekanntmachung dem Konkursamt einzugeben;
3  die Aufforderung an die Schuldner des Konkursiten, sich innert der gleichen Frist beim Konkursamt zu melden, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 2 StGB427);
4  die Aufforderung an Personen, die Sachen des Schuldners als Pfandgläubiger oder aus anderen Gründen besitzen, diese Sachen innert der gleichen Frist dem Konkursamt zur Verfügung zu stellen, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 3 StGB) und darauf, dass das Vorzugsrecht erlischt, wenn die Meldung ungerechtfertigt unterbleibt;
5  die Einladung zu einer ersten Gläubigerversammlung, die spätestens 20 Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung stattfinden muss und der auch Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie Gewährspflichtige beiwohnen können;
6  den Hinweis, dass für Beteiligte, die im Ausland wohnen, das Konkursamt als Zustellungsort gilt, solange sie nicht einen anderen Zustellungsort in der Schweiz bezeichnen.
SchKG, wonach die Personen, welche Sachen
des Gemeinschuldners als Pfandgläubiger oder aus andern Gründen besitzen, in
der Konkurspublikation unter Strafdrohung aufzufordern sind, sie dem
Konkursamte zur Verfügung zu stellen, wird entgegen der Auffassung der
Vorinstanz keineswegs sinnlos, wenn dem Konkursamte die Befugnis eingeräumt
wird, solche Sachen zu beschlagnahmen. Die Zulässigkeit

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der Beschlagnahme macht die Aufforderung im Sinne von Art. 232 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 232 - 1 Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
1    Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
2    Die Bekanntmachung enthält:
1  die Bezeichnung des Schuldners und seines Wohnortes sowie des Zeitpunktes der Konkurseröffnung;
2  die Aufforderung an die Gläubiger des Schuldners und an alle, die Ansprüche auf die in seinem Besitz befindlichen Vermögensstücke haben, ihre Forderungen oder Ansprüche samt Beweismitteln (Schuldscheine, Buchauszüge usw.) innert einem Monat nach der Bekanntmachung dem Konkursamt einzugeben;
3  die Aufforderung an die Schuldner des Konkursiten, sich innert der gleichen Frist beim Konkursamt zu melden, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 2 StGB427);
4  die Aufforderung an Personen, die Sachen des Schuldners als Pfandgläubiger oder aus anderen Gründen besitzen, diese Sachen innert der gleichen Frist dem Konkursamt zur Verfügung zu stellen, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 3 StGB) und darauf, dass das Vorzugsrecht erlischt, wenn die Meldung ungerechtfertigt unterbleibt;
5  die Einladung zu einer ersten Gläubigerversammlung, die spätestens 20 Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung stattfinden muss und der auch Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie Gewährspflichtige beiwohnen können;
6  den Hinweis, dass für Beteiligte, die im Ausland wohnen, das Konkursamt als Zustellungsort gilt, solange sie nicht einen anderen Zustellungsort in der Schweiz bezeichnen.
SchKG
schon deshalb nicht überflüssig, weil mit dem Vorhandensein von
Vermögensstücken zu rechnen ist, von denen das Konkursamt zunächst gar nichts
weiss.
Da die Beschwerdeführerin an den Etuis kein Eigentum beansprucht, ist von
vornherein ausgeschlossen, dass ihr durch die Beschlagnahme die Klägerrolle
«in einem allfälligen Prozess um die Herausgabe der Etuis» aufgezwungen werden
könnte. Dass über ihr Pfandrecht durch Kollokationsverfügung entschieden wird,
und dass sie unter Umständen genötigt sein wird, ihr Recht durch
Kollokationsklage geltend zu machen, ist einfach die unvermeidliche Folge
davon, dass die Welcome A. G. in Konkurs gefallen ist. Im übrigen ist eine
Kollokationsverfügung über das Pfandrecht der Beschwerdeführerin erst nach
rechtskräftiger Abweisung der Eigentumsansprache der Optica A. G. zu treffen,
wenn diese eine solche Ansprache erhoben hat (Art. 53 KV).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Beschwerde der Dana GmbH abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 III 79
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 23. Juni 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 III 79
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Das Konkursamt kann Sachen beschlagnahmen, an denen ein Dritter unselbständigen Besitz...


Gesetzesregister
SchKG: 232
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 232 - 1 Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
1    Das Konkursamt macht die Eröffnung des Konkurses öffentlich bekannt, sobald feststeht, ob dieser im ordentlichen oder im summarischen Verfahren durchgeführt wird.424
2    Die Bekanntmachung enthält:
1  die Bezeichnung des Schuldners und seines Wohnortes sowie des Zeitpunktes der Konkurseröffnung;
2  die Aufforderung an die Gläubiger des Schuldners und an alle, die Ansprüche auf die in seinem Besitz befindlichen Vermögensstücke haben, ihre Forderungen oder Ansprüche samt Beweismitteln (Schuldscheine, Buchauszüge usw.) innert einem Monat nach der Bekanntmachung dem Konkursamt einzugeben;
3  die Aufforderung an die Schuldner des Konkursiten, sich innert der gleichen Frist beim Konkursamt zu melden, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 2 StGB427);
4  die Aufforderung an Personen, die Sachen des Schuldners als Pfandgläubiger oder aus anderen Gründen besitzen, diese Sachen innert der gleichen Frist dem Konkursamt zur Verfügung zu stellen, sowie den Hinweis auf die Straffolge bei Unterlassung (Art. 324 Ziff. 3 StGB) und darauf, dass das Vorzugsrecht erlischt, wenn die Meldung ungerechtfertigt unterbleibt;
5  die Einladung zu einer ersten Gläubigerversammlung, die spätestens 20 Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung stattfinden muss und der auch Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie Gewährspflichtige beiwohnen können;
6  den Hinweis, dass für Beteiligte, die im Ausland wohnen, das Konkursamt als Zustellungsort gilt, solange sie nicht einen anderen Zustellungsort in der Schweiz bezeichnen.
ZGB: 920 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 920 - 1 Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
1    Hat ein Besitzer die Sache einem andern zu einem beschränkten dinglichen oder einem persönlichen Recht übertragen, so sind sie beide Besitzer.
2    Wer eine Sache als Eigentümer besitzt, hat selbständigen, der andere unselbständigen Besitz.
931
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 931 - 1 Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
1    Besitzt jemand eine bewegliche Sache, ohne Eigentümer sein zu wollen, so kann er die Vermutung des Eigentums dessen geltend machen, von dem er sie in gutem Glauben empfangen hat.
2    Besitzt jemand eine bewegliche Sache mit dem Anspruche eines beschränkten dinglichen oder eines persönlichen Rechtes, so wird der Bestand dieses Rechtes vermutet, er kann aber demjenigen gegenüber, von dem er die Sache erhalten hat, diese Vermutung nicht geltend machen.
BGE Register
50-III-1 • 52-III-8 • 73-III-79
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
konkursamt • eigentum • basel-stadt • vorinstanz • mitbesitz • vermutung • unselbständiger besitz • selbständiger besitz • entscheid • berechnung • treffen • konkursbeschlag • kv • mass • biene • konkursverwaltung • bundesgericht • weiler • konkursmasse • stelle • kollokationsklage • schuldbetreibungs- und konkursrecht • empfang
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