BGE 73 II 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Januar 1947 i. S.
Estermann, Jöhl und Müller gegen Krankenpflegerinnenverein Luzern
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Regeste:
Verein, Wahl des Vorstands (Art 65 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 65 - 1 Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
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1 | Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
2 | Sie hat die Aufsicht über die Tätigkeit der Organe und kann sie jederzeit abberufen, unbeschadet der Ansprüche, die den Abberufenen aus bestehenden Verträgen zustehen. |
3 | Das Recht der Abberufung besteht, wenn ein wichtiger Grund sie rechtfertigt, von Gesetzes wegen. |
Statutenbestimmung sind Nichtmitglieder des Vereins unbeschränkt in den
Vorstand wählbar.
Association; nomination de la direction (art. 65 al. 1 CC). Sauf disposition
contraire des statuts, rien ne s'oppose à ce que des personnes qui ne sont pas
membres de l'association fassent partie du comité.
Associazione, nomina della direzione (art. 66 cp. l CC). Salvo disposizione
contraria degli statuti, possono far parte del comitato anche persone che non
sono soci.
Der Vorstand des beklagten Vereins bestand seit März 1943 aus einem
Geistlichen und zwei Vereinsmitgliedern. Am 9. Juli 1943 wählte die
Vereinsversammlung Dr. Schmid und Dr. Hofer, die nicht Vereinsmitglieder sind
zu weitern Mitgliedern des Vorstands. In der Folge klagten drei
Vereinsmitglieder auf Feststellung, dass Dr. Schmid und Dr. Hofer im
Vereinsvorstand kein Stimmrecht haben. Das Bundesgericht weist dieses
Klagebegehren mit der Vorinstanz ab.
Aus den Erwägungen:
Die heute noch streitige Frage, ob Dr. Schmid und Dr. Hofer im Vorstand des
beklagten Vereins stimmberechtigt seien, wäre von vornherein dann zu
verneinen, wenn eine zwingende Gesetzesvorschrift die Wahl von
Nichtmitgliedern des Vereins in den Vorstand ausschlösse. Dies ist jedoch
nicht der Fall. Das Gesetz enthält keine
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Bestimmung darüber, wer in den Vorstand eines Vereins gewählt werden könne.
Hieraus ist in der Schweiz wie in Deutschland (vgl. STAUDINGER N. 6 zu § 27
BGB) stets abgeleitet worden, dass mangels gegenteiliger Statutenbestimmung
auch Nichtmitglieder des Vereins in den Vorstand berufen werden können. Diese
Regelung entspricht dem Grundsatze der Vereinsautonomie (vgl. Art. 63
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 63 - 1 Soweit die Statuten über die Organisation und über das Verhältnis des Vereins zu seinen Mitgliedern keine Vorschriften aufstellen, finden die nachstehenden Bestimmungen Anwendung. |
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1 | Soweit die Statuten über die Organisation und über das Verhältnis des Vereins zu seinen Mitgliedern keine Vorschriften aufstellen, finden die nachstehenden Bestimmungen Anwendung. |
2 | Bestimmungen, deren Anwendung von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist, können durch die Statuten nicht abgeändert werden. |
den Bedürfnissen des praktischen Lebens. Die Rücksicht auf Behörden und andere
Organisationen, die die Bestrebungen des Vereins unterstützen, ohne ihm
anzugehören, kann die Aufnahme von Vertretern derselben in den Vereinsvorstand
fordern; ebenso kann die Anwesenheit bestimmter, dem Verein nicht angehöriger
Personen im Vorstand auch deswegen als wünschbar erscheinen, weil sie über
besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügen, die dem Verein von Nutzen
sind. Das der Vereinsversammlung gemäss Art. 65
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 65 - 1 Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
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1 | Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
2 | Sie hat die Aufsicht über die Tätigkeit der Organe und kann sie jederzeit abberufen, unbeschadet der Ansprüche, die den Abberufenen aus bestehenden Verträgen zustehen. |
3 | Das Recht der Abberufung besteht, wenn ein wichtiger Grund sie rechtfertigt, von Gesetzes wegen. |
Abberufungsrecht bietet eine genügende Handhabe, um die Vorstandsmitglieder,
die nicht zugleich Vereinsmitglieder sind, nötigenfalls daran zu hindern,
gegen die Interessen des Vereins zu handeln. Allfällige statutarische
Beschränkungen des Abberufungsrechts kann die Vereinsversammlung durch
Änderung der Statuten beseitigen, und das Recht zur Abberufung aus wichtigen
Gründen kann ihr durch die Statuten in keinem Falle entzogen werden (Art. 65
Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 65 - 1 Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
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1 | Die Vereinsversammlung beschliesst über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern, wählt den Vorstand und entscheidet in allen Angelegenheiten, die nicht andern Organen des Vereins übertragen sind. |
2 | Sie hat die Aufsicht über die Tätigkeit der Organe und kann sie jederzeit abberufen, unbeschadet der Ansprüche, die den Abberufenen aus bestehenden Verträgen zustehen. |
3 | Das Recht der Abberufung besteht, wenn ein wichtiger Grund sie rechtfertigt, von Gesetzes wegen. |
eines ihm missliebigen Antrags einzuberufen, obwohl er nach den Statuten oder
nach Gesetz dazu verpflichtet wäre (Art. 64 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 64 - 1 Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins. |
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1 | Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins. |
2 | Sie wird vom Vorstand einberufen. |
3 | Die Einberufung erfolgt nach Vorschrift der Statuten und überdies von Gesetzes wegen, wenn ein Fünftel der Mitglieder die Einberufung verlangt. |
angerufen werden. Am Grundsatze, dass beim Fehlen einer entgegenstehenden
Statutenbestimmung auch Nichtmitglieder in den Vereinsvorstand gewählt werden
können, ist daher festzuhalten. Das Gesetz hinderte also die Wahl von Dr.
Schmid und Dr. Hofer zu Mitgliedern des Vorstands des Beklagten nicht.
Die Bestimmungen des OR über die Bestellung des
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Vorstandes bezw. der Verwaltung der Genossenschaft führen zu keinem andern
Schluss. Während Art. 695 Abs. 2 aOR die Wahl von Nichtmitgliedern der
Genossenschaft in den Vorstand unbeschränkt zugelassen hatte, wird in Art. 894
Abs. 1 revOR nun freilich vorgeschrieben, die Verwaltung der Genossenschaft
müsse mehrheitlich aus Genossenschaftern bestehen. Obwohl der Verein und die
Genossenschaft einander im innern Aufbau gleichen, lässt sich jedoch diese
Bestimmung de lege lata nicht auf den Verein übertragen.