S. 68 / Nr. 7 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 73 I 68

7. Urteil vom 7. März 1947 i. S. eidg. Steuerverwaltung gegen Berggemeinde
Oberalbrist und Bern, kantonale Rekurskommission.

Regeste:
Wehropfer: Besteuerung der mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten
Alpkorporationen des Berner Oberlandes.
Sacrifice pour la défense nationale: Imposition des corporations d'alpages de
l'Oberland bernois qui ont la personnalité.
Sacrificio per la difesa nazionale: Imposizione delle corporazioni degli alpi
dell'Oberland bernese munite della personalità giuridica.

A. - Nach Art. 20
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 20 - 1 Der Grad der Verwandtschaft21 bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
1    Der Grad der Verwandtschaft21 bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
2    In gerader Linie sind zwei Personen miteinander verwandt, wenn die eine von der andern abstammt, und in der Seitenlinie, wenn sie von einer dritten Person abstammen und unter sich nicht in gerader Linie verwandt sind.
des bern. Einführungsgesetzes zum ZGB erhalten
Alpgenossenschaften das Recht der Persönlichkeit ohne Eintragung in das
Handelsregister durch die Genehmigung ihrer Statuten und Reglemente seitens
des Regierungsrates. Schon bestehende Alpgenossenschaften werden als
juristische Personen anerkannt, sollen aber ihre Statuten und Reglemente dem
Regierungsrat zur Genehmigung vorlogen. Bei Alpen, die Allmendgenossenschaften
oder andern derartigen Korporationen gehören, ist die Teilung ausgeschlossen
(Art. 102). Sie können aber, mit Zustimmung von zwei Dritteln der Anteilhaber,
sofern diese über mindestens zwei Drittel der Kuhrechte verfügen, veräussert,
verpfändet oder belastet werden (Art. 103).
Für Alpen, die in Kuhrechte eingeteilt sind, wird ein Seybuch geführt. Dieses
bildet einen Bestandteil des Grundbuches, und die Eintragungen im Seybuch
haben für die Kuhrechte die gleichen Wirkungen wie die Eintragungen im
Grundbuch (Art. 104). Zum Erwerb der

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Kuhrechte bedarf es der Eintragung in das Seybuch. Kuhrechte können veräussert
und verpfändet werden (Art. 105). Für Alpen, bei denen nicht mehr als 6
Anteilhaber vorhanden sind, kann mit Beschluss von zwei Dritteln der
Anteilhaber, sofern diese über mindestens zwei Drittel der Kuhrechte verfügen,
auf die Führung des Seybuches verzichtet werden; in diesem Falle stehen die
Rechtsverhältnisse der Alp unter den Bestimmungen über das Miteigentum (Art.
106, Abs. 2).
B. - Die Berggemeinde Oberer Albristberg ist eine geseyete Alp mit 81 3/4
Kuhrechten samt einem Überbesatz von rund 31/4 Kuhrechten und einem
Armenweiderecht im Masse eines halben Kuhrechtes. Es wird ein Seybuch geführt.
Das Alpreglement ist vom Regierungsrat des Kantons Bern genehmigt worden. Im
Grundbuch ist als Eigentümerin der Alp die Berggemeinde als Alpkorporation
eingetragen.
In ihrer Steuererklärung für das eidgenössische Wehropfer II, vom 10. April
1945, bestritt die Berggemeinde die Steuerpflicht. Sie wurde für das
Alpgrundstück (Weidland) eingeschätzt.
Die kantonale Rekurskommission hat die Einschätzung auf den Wert der der
Alpgenossenschaft zustehenden Kuhrechte beschränkt, die Besteuerung für die
Weide (das Alpgrundstück) also aufgehoben. Zur Begründung wird im wesentlichen
ausgeführt, nach der Regelung im bernischen Einführungsgesetz zum
Zivilgesetzbuch, Art. 20 und Art. 103 ff., sei die Rechtsnatur der
Alpkorporation als einer juristischen Person eindeutig festgelegt. Die
Beschwerdeführerin sei daher juristische Person und, gemäss Art. 3 WOB II,
grundsätzlich wehropferpflichtig. Dagegen dürfe sie nicht ohne weiteres
steuerrechtlich als Eigentümerin der ganzen Alp betrachtet werden. Für die
Zurechnung von Sachen und Rechten zum Vermögen eines Steuerpflichtigen sei
nicht nur dessen formalzivilrechtliche, sondern insbesondere auch die
wirtschaftliche Stellung von Bedeutung. Bei den Alpkorporationen wirke sich
der

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frühere, vor Einführung des ZGB vorhandene Rechtszustand noch aus. Danach sei
die Rechtsnatur der Alpkorporation umstritten gewesen, doch sei auf Grund der
gesetzlichen Vorschriften Miteigentum angenommen worden. Die Alp sei bisher
zur Grundsteuerschatzung nicht eingeschätzt gewesen. Die Rechte seien taxiert
und die Steuer von jedem Berechtigten nach Massgabe der Zahl seiner Anteile
bezogen worden.
Auf Grund von Feststellungen bei Augenscheinen und der Kenntnisse orts- und
sachkundiger Mitglieder der Rekurskommission ergebe sich, dass die Korporation
zwar die Verfügungsgewalt nach aussen, die Vertretung der Gemeinschaft
gegenüber Dritten und im Prozess, sowie die Ordnung und Organisation der
Benutzung der Weide, und die Bewirtschaftung und Nutzung des Waldes habe, dass
aber die Weide nicht von der Korporation, sondern ausschliesslich von den
Bergansprechern genutzt werde. Darin zeige sich der alte Rechtszustand, der
als Miteigentum oder, in Anlehnung an Gierke, als ein Gesamthandverhältnis,
eine Art genossenschaftlichen Eigentums angesehen werden könne. Weil die
Korporation aus der Weide, die den wichtigsten Teil des gemeinsamen Vermögens
darstellt, keinen Ertrag erzielt, so seien auch die Steuern bisher nicht von
ihr, sondern von den einzelnen Ansprechern erhoben, auf sie entsprechend der
Grösse ihrer Ansprachen verteilt worden. Wirtschaftlich betrachtet stünden
somit die wichtigsten Befugnisse an der Weide nicht der Korporation, sondern
den einzelnen Ansprechern zu. Sie übten allein diejenigen Befugnisse aus, die
einen Ertrag abwerfen, die also einer Bewertung unterliegen. Bei dieser
Sachlage sei es gerechtfertigt, die Bergansprecher wirtschaftlich auch als
Eigentümer der Weide zu betrachten. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise sei
auch gerechtfertigt, weil es sich nicht um eine Genossenschaft des OR, sondern
um ein aus alten wirtschaftlichen Verhältnissen herausgewachsenes Gebilde
handle, auf das die Kategorien der heutigen Rechtsordnungen nicht recht
passten. Auch

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die wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Belastung rufen Bedenken. Die
Ordnung der Alpkorporation im bernischen Recht ermögliche dem Kleinbauern und
dem Arbeiter das Halten eines Stückes Grossvieh oder einiger Ziegen.
Voraussetzung sei dabei aber, dass sich die Besteuerung in bescheidenen
Grenzen halte, da sonst die Gefahr bestehe, dass die kleinen Anteilhaber ihre
Rechte an kapitalkräftigere Interessenten abtreten. Unter diesem Gesichtspunkt
stehe die Besteuerung der Alpkorporation für die Weide in Widerspruch. Eine
Ausnahme bestehe nur für die Armenweide von 1/2 Kuhrecht und für den
Überbesatz von rund 3 1/4 Kuhechten. Diese ständen im Eigentum der Alp und
würden von ihr jeweils zur Nutzung verpachtet. Das sei das Vermögen, das dem
Wehropfer unterliege.
C. - Die eidg. Steuerverwaltung erhebt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt, den Entscheid der kantonalen Rekurskommission aufzuheben und dem
neuen Wehropfer auch das Alpgrundstück zu unterwerfen. Zur Begründung wird im
wesentlichen ausgeführt, die Korporation sei Eigentümerin des im Grundbuch auf
ihren Namen eingetragenen Grundeigentums und dafür steuerpflichtig. Die
Annahme der Rekurskommission, dass aus Gründen wirtschaftlicher
Betrachtungsweise eine andere Behandlung einzutreten habe, sei unzutreffend.
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise sei bisher nur angewandt worden, wenn
eine Absicht der Steuerumgehung anzunehmen war, zum Zwecke der Steuerersparnis
ein Sachverhalt vorgeschoben wurde, der den tatsächlichen Verhältnissen nicht
entsprach. Sie müsse auf diese Fälle beschränkt bleiben.
Bei den Alpkorporationen rechtfertige sich ein Abweichen vom zivilrechtlichen
Sachverhalt nicht. Die Kuhrechtinhaber hätten weder rechtlich, noch
wirtschaftlich die Stellung von Eigentümern am Grundbesitz der
Alpgenossenschaft. Ihre Rechte seien Nutzungsrechte und als solche zu
besteuern. Der angefochtene Entscheid beruhe auf einer Verletzung des
Gesetzes. Das steuerbare

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Vermögen der Alpgenossenschaft setze sich zusammen aus ihrem Grundeigentum und
den ihr zustehenden Nutzungsrechten.
D. - Die Berggemeinde Oberalbrist beantragt Abweisung der Beschwerde,
eventuell angemessene Herabsetzung der von der eidgenössischen
Steuerverwaltung beantragten Einschätzung. Zur Begründung wird im wesentlichen
ausgeführt, aus der im angefochtenen Entscheide dargelegten historischen
Entwicklung müsse geschlossen werden, dass die geseyete Alp ihrem Wesen nach
nicht einer von den Kuhrechtsbesitzern verschiedenen juristischen Person in
dem Sinne zustehen könne, dass die juristische Person schlechtweg die
Befugnisse eines Eigentümers (Art. 64 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 64 - 1 Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
1    Die Versammlung der Mitglieder bildet das oberste Organ des Vereins.
2    Sie wird vom Vorstand einberufen.
3    Die Einberufung erfolgt nach Vorschrift der Statuten und überdies von Gesetzes wegen, wenn ein Fünftel der Mitglieder die Einberufung verlangt.
. ZGB) ausüben könnte. Daraus
schliesse der Entscheid mit Recht, dass das Eigentum an der Alp im
wirtschaftlichen Sinne nicht der Alpkorporation, sondern den einzelnen
Kuhrechtsbesitzern nach Massgabe ihrer Anteile zustehe. Die Alpkorporation
selbst könne eine Nutzung an der Alp nur soweit ausüben, als ihr selbst
Kuhrechte daran zustehen. Wenn die eidg. Steuerverwaltung die Alpkorporationen
mit Aktiengesellschaften oder Genossenschaften vergleiche, so übersehe sie den
ausschlaggebenden Unterschied zwischen jenen juristischen Personen und einer
bernischen Alpkorporation. Die Aktionäre und Genossenschaffer hätten einen
persönlichen Anteil am Gewinn und an einem allfälligen Liquidationsergebnis,
der Inhaber eines Bergrechtes einen dinglichen Anspruch an der Alp. Dieser
bestehe am Grundstück als solchem und könne nicht verändert oder aufgehoben
werden. Bei einer Veräusserung des Grundstückes würde er als dinglicher
Anspruch weiterbestehen. Seine Verhaftung mit dem Grundstück sei derart, dass
er eine Liquidation der Korporation im Sinne des Obligationenrechtes
schlechtweg unmöglich machen würde, Darum werde das Recht nicht als
Mitgliedschaftsrecht, sondern als Nutzungsrecht bezeichnet, was in dem
Entscheide der eidg. Kriegsstener-Rekurskommission Nr. 201 vom 27. Mai 1925
(VSA IV S. 205 ff.) übersehen worden sei. Eine Gleichsetzung der

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Eigentumsverhältnisse der Alpkorporation mit denjenigen einer
Aktiengesellschaft oder Genossenschaft sei verfehlt.
Die Alpkorporation einer geseyeten Alp habe als solche die grundlegenden
Rechte des Eigentümers an der Sache nicht. Diese stünden vielmehr den
Kuhrechtsbesitzern zu. Sie allein seien befugt, das Grundstück zu nutzen; sie
hätten die Möglichkeit, ihr Nutzungsrecht zu veräussern oder zu verpfänden.
Sie übten somit alle Befugnisse aus, welche das Wesen des Eigentumsbegriffs
ausmachen.
Wollte man aber entgegen diesen Darlegungen das Eigentum an der geseyeten Alp
steuerrechtlich als Vermögensbestandteil der Alpkorporation betrachten, so sei
zu berücksichtigen, dass dem Kuhrechtsbesitzer ein dingliches Recht an der Alp
zustehe. Dieses schränke das Eigentum der Alpkorporation wirtschaftlich und
rechtlich ein und vermindere den Wert des Eigentumsrechtes um die darauf
haftenden Nutzungsrechte dergestalt, dass man ruhig von einer Wertlosigkeit
des formalrechtlichen Eigentums der Alpkorporation sprechen könne. Es gehe
daher nicht an, den Steuerwert der Alp dem Schätzungswert der Liegenschaft
gleichzusetzen, wie es die kantonale Wehropferverwaltung hier getan habe. Es
müsste daher eventuell eine neue Einschätzung des Vermögenswertes der Alp für
die Alpkorporation vorgenommen werden, wobei der Wertverminderung durch die
darauf lastenden Nutzungsrechte Rechnung getragen würde.
Unbegründet sei auch der Antrag auf Erhöhung des Vermögens um den Wert von 3
9/4 Kuhrechten.
E - Die kantonale Rekurskommission beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie
verweist auf die Begründung des angefochtenen Entscheides und auf die
Ausführungen der Antwort auf die Beschwerde und fügt im wesentlichen bei: Wenn
die Alpkorporationen auch als juristische Personen anerkannt wurden, so sei
doch der dingliche Charakter des Rechtes des Anteilhabers bestehen geblieben.
Dieser Tatsache habe das Steuerrecht stets Rechnung getragen. Die
wirtschaftliche Betrachtungsweise sei hier

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besonders gerechtfertigt, weil es sich um die Beurteilung eines
wirtschaftlichen Gebildes handle, das in die rein schematische Ordnung des
Obligationenrechtes und des formellen eidgenössischen Steuerrechtes nicht ohne
weiteres eingefügt werden könne.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde gutgeheissen
in Erwägung:
1.- Der BRB über die Erhebung eines neuen Wehropfers (WOB II) unterwirft der
Besteuerung u. a. die juristischen Personen, die am 1. Januar 1946 ihren Sitz
in der Schweiz hatten (Art. 3, lit. b). Der Gegenstand des Wehropfers ist für
sie, wie für natürliche Personen, das Reinvermögen, d. h. nach der
Legaldefinition, das um die nachgewiesenen Schulden gekürzte gesamte
bewegliche und unbewegliche Vermögen des Pflichtigen (Art. 5, Abs. 1). Für die
Vermögensbewertung und den Schuldenabzug sind die Vorschriften des
Wehrsteuerbeschlusses, Art. 28, 30 bis 35, entsprechend anzuwenden.
2.- Die Berggemeinde Oberalbrist gehört zu der Gruppe der
Allmendgenossenschaften und ähnlichen Körperschaften, deren Ordnung Art. 59
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 59 - 1 Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
1    Für die öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten bleibt das öffentliche Recht des Bundes und der Kantone vorbehalten.
2    Personenverbindungen, die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, stehen unter den Bestimmungen über die Gesellschaften und Genossenschaften.
3    Allmendgenossenschaften und ähnliche Körperschaften verbleiben unter den Bestimmungen des kantonalen Rechtes.
,
Abs. 3 ZGB dem kantonalen Recht überlassen hat. Im Kanton Bern sind die bei
Einführung des Zivilgesetzbuches bestehenden Alpgenossenschaften ohne Weiteres
als juristische Personen anerkannt worden; es wurde ihnen lediglich auferlegt,
ihre Statuten und Reglemente dem Regierungsrat zur Genehmigung vorzulegen,
wofür ihnen der Regierungsrat eine Frist ansetzen und für deren Nichtbeachtung
Strafen androhen konnte. Neue Korporationen erhalten die Persönlichkeit mit
der regierungsrätlichen Genehmigung ihrer Satzungen (Art. 20
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 20 - 1 Der Grad der Verwandtschaft21 bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
1    Der Grad der Verwandtschaft21 bestimmt sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten.
2    In gerader Linie sind zwei Personen miteinander verwandt, wenn die eine von der andern abstammt, und in der Seitenlinie, wenn sie von einer dritten Person abstammen und unter sich nicht in gerader Linie verwandt sind.
des bern. Einfg.
zum ZGB; FLÜCKIGER, Personenrechtliche Elemente im bern. Einfg. zum ZGB,
Zeitschr. des bern. Juristenvereins, 57, S. 452). In beiden Fällen ist eine
Eintragung im Handelsregister für den Erwerb der Persönlichkeit nicht
erforderlich. Bei Eintritt der Steuerpflicht für das Wehropfer war das

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letzte Reglement der Berggemeinde Oberalbrist vom Regierungsrat genehmigt. Die
Berggemeinde war daher als Alpkorporation anerkannt und hatte die Eigenschaft
einer juristischen Person. Sie erfüllt als solche die Voraussetzungen der
subjektiven Steuerpflicht gemäss Art. 3, lit. b WOB II.
3.- Nach dem Grundbuch des Amtsbezirks Obersimmental in Blankenburg ist die
Berggemeinde Eigentümerin des Obern Albristberges, bestehend in Weidland, auf
welchem als Rechte und Lasten lediglich eine Zaunpflicht vorgemerkt ist. Das
Weidland bildet daher einen Bestandteil des Vermögens der Berggemeinde, und
sie ist nach Art. 5 WOB II dafür steuerpflichtig.
Anders wäre es nur, wenn die Voraussetzungen erfüllt wären, unter denen es als
zulässig erscheint, für die steuerliche Betrachtungsweise von der Gestaltung
des Sachverhalts nach Massgabe des Zivilrechts abzusehen, der Beurteilung
einen von ihr abweichenden Sachverhalt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
zu «runde zu legen. Nach feststehender Praxis ist aber, wo das Gesetz-wie
hier-nichts anderes vorschreibt, ein derartiges Abweichen vom formell
vorliegenden Tatbestand auf die Fälle beschränkt, in denen die von den
Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung ungewöhnlich («insolite» BGE 59 I S.
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), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls der wirtschaftlichen
Gegebenheit völlig unangemessen erscheint, und wenn anzunehmen ist, dass sie
missbräuchlich, lediglich deshalb gewählt worden ist, um eine Einsparung von
bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldeten Steuern zu erwirken
(vgl. dazu GEERING, Treu und Glauben in der Festschrift für BLUMENSTEIN, «Von
der Steuer in der Demokratie», S. 138 und Zitate). Wo diese Voraussetzungen
nicht zutreffen, entspricht es dem Grundsatz gesetzmässiger Verwaltung, dass
sich die mit der Durchführung des Gesetzes betrauten Behörden an die Ordnung
des Gesetzes halten, selbst wenn sie das Ergebnis gefühlsmässig nicht
unbedingt für befriedigend ansehen sollten.

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Die Gesetzesdurchführung kann, soweit sie nicht ausdrücklich dazu ermächtigt
ist, nicht dazu berufen sein, die Anordnungen des Gesetzgebers nach eigenem
Gutfinden abzuändern, zu korrigieren. Auf eine solche, dem Grundsatze
gesetzmässiger Verwaltung widersprechende Korrektur läuft aber ein
Zurückgreifen auf einen angeblich abweichenden wirtschaftlichen Sachverhalt
bei einem Tatbestand hinaus, dessen rechtliche Gestaltung nach Massgabe des
Gesetzes unzweideutig feststeht.
So verhält es sich hier. Wo eine nach Massgabe des kantonalen Rechts als
juristische Person anerkannte Korporation zivilrechtlich Eigentümerin eines
Grundstückes ist, kann für die Besteuerung das Eigentum nicht andern Personen
zugeschrieben, die Korporation als Eigentümerin übergangen werden.
Übrigens ist das, was die Rekurskommission für die Rechtfertigung ihrer
«wirtschaftlichen Betrachtungsweise» vorbringt, nicht überzeugend. Die
Rekurskommission will aus den Nutzungsrechten der Inhaber der Kuhrechte
ableiten, dass das Eigentum an der Weide wirtschaftlich nicht der Korporation,
sondern den einzelnen Ansprechern zustehe. Sie verkennt dabei, dass den
Ansprechern, als Einzelberechtigten, gerade die Befugnis abgeht, die die
Stellung des Eigentümers charakterisiert. Die Verfügung über das Eigentum an
der Alp, die Veräusserung, steht nicht dem Alpgenossen zu, sondern der
Genossenschaft als Korporation, wobei der einzelne Alpgenosse überstimmt
werden kann; und ebenso verhält es sich hinsichtlich Verpfändung und Belastung
(Art. 103 EG). Die Alpgenossen haben kein Eigentum an der Alp, sie sind
vielmehr auf Nutzungsrechte beschränkt. Sie könnten daher, auch nicht
anteilsmässig, für das Alpgrundstück als einen Bestandteil ihres Vermögens
besteuert werden. Dieses ist vielmehr bei der Korporation zu erfassen.
4.- Die bernische Alpkorporation ist eine dem kantonalen öffentlichen Rechte
unterstellte Genossenschaft, deren Zweck in der gemeinsamen Bewirtschaftung
und

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Nutzung des Korporationsgutes besteht. Dem öffentlichen Recht ist sie
unterstellt im Hinblick auf das Interesse, das die Allgemeinheit an der
Erhaltung und einer dieser dienlichen Bewirtschaftung des Korporationsgutes
findet (vgl. ROSIN: Die öffentliche Genossenschaft, S. 87). Die
öffentlichrechtliche Seite kommt zum Ausdruck in den Beschränkungen, denen die
Korporation und die einzelnen Genossen in der Ausübung ihrer Rechte und in der
Bewirtschaftung des Korporationsgutes unterworfen sind (z. B. in dem Verbot
einer Teilung der Alp, Art. 102 EG). Darin unterscheiden sie sich von
privatrechtlichen Wirtschaftsverbänden. Im übrigen sind sie, ähnlich den
Genossenschaften des Privatrechts, körperschaftliche Personenverbindungen zur
Wahrung wirtschaftlicher Interessen der Genossen. Der Unterschied zu den
Wirtschaftsverbänden des Privatrechts ist bei näherer Betrachtung kaum so
bedeutend, wie die Rekurskommission anzunehmen scheint.
5.- Bei der Besteuerung der Alpgenossenschaft stellt sich die Frage, ob sich
die Nutzung der Alpgenossen am Korporationsgut auf die Steuerberechnung
auswirkt. Die Berggemeinde Oberalbrist vertritt die Auflassung, dass bei
Festsetzung des steuerbaren Vermögens der Korporation die Alprechte, die den
Alpgenossen zustehen, als eine Last anzurechnen seien, die den Wert des der
Korporation zustehenden Eigentumsrechts vermindert. Es wird darauf Gewicht
gelegt, dass die Alprechte als dingliche Rechte an der Alp ausgestaltet sind.
Es liegt aber auf der Hand, dass im Rahmen einer Ordnung, die, wie der
Wehropferbeschluss, die juristische Person für ihr ganzes Reinvermögen
steuerpflichtig erklärt und daneben die gesellschaftlichen Beteiligungsrechte
der Mitglieder, soweit ihnen Vermögenswert zukommt, als Bestandteile des
steuerbaren Vermögens dieser Mitglieder behandelt, die Mitgliedschaftsrechte
nicht als eine den Wert der Korporation mindernde Last in Betracht kommen
können, gleichgültig ob diese Mitgliedschaftarechte im übrigen als
obligatorische oder als

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dingliche Rechte ausgestaltet sind. Mitgliedschaftsrechte bilden für eine
Korporation keine Beschränkung in der Verwendung des Korporationsgutes; ihre
Ausübung ist für die Korporation keine Last, sondern die Erfüllung ihres
organisatorischen Zwecks. Es verhält sich in dieser Beziehung ähnlich wie beim
Vermögen einer Stiftung. Die Bewirtschaftung und Nutzung der Alp vermindert
übrigens den Wert des Nutzungsgutes nicht, sondern verleiht ihm im Gegenteil
erst einen Wert, der ihm ohne sie nicht zukäme. Jedenfalls bewirkt sie im
Wirtschaftsplan der Korporation keine Verminderung des Wertes des
Korporationsvermögens.
6.- Nach den Weisungen des eidg. Finanz- und Zolldepartementes für die
Bewertung der Grundstücke (Art. 12 der Verfügung vom 21. November 1944, Ges.
Sammlung S. 757 f.) beträgt der Wehropferwert der geseyeten Alpen im Kanton
Bern in der Regel 100 % der rohen Grundsteuerschatzung. Bei der Berggemeinde
Oberalbrist wurde der Bewertung im Einschätzungsverfahren, mangels einer
Grundsteuerschatzung für das Alpgrundstück, die Grundsteuerschatzung der
Alprechte zugrunde gelegt. Es ergibt sich ein Steuerwert der Alp im Betrage
von Fr. 44000.-. Diese Bewertung ist im Verfahren vor den kantonalen Behörden
nicht angefochten worden.
Bei dieser Sachlage rechtfertigt sich die Anordnung einer neuen Bewertung
nicht. Es hat daher bei der Schätzung des Steuerwertes der Alp auf Fr. 44000.-
sein Bewenden.
7.- Neben der Alp gehören zum Vermögen der Korporation auch die ihr z. Zt.
zustehenden 3 3/4 Kuhrechte. Die Auffassung, dass diese Rechte im Werte des
Alpgrundstückes inbegriffen seien, ist offenbar irrtümlich. Sie bilden im
Rahmen der Ordnung des Wehropferbeschlusses, bei welcher die Körperschaft für
ihr Vermögen und die Inhaber körperschaftlicher Beteiligungsrechte für den
Wert dieser Rechte besteuert werden, selbständige Vermögens- und
Steuerobjekte. Derartige Rechte werden übrigens auch, wie dem Bundesgericht
aus andern Fällen bekannt ist,

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als selbständige Rechte genutzt, z. B. durch Verpachtung oder durch Verwendung
zur Entschädigung der Alpgenossen und -Angestellten.
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Document : 73 I 68
Date : 01. Januar 1947
Published : 07. März 1947
Source : Bundesgericht
Status : 73 I 68
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Wehropfer: Besteuerung der mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten Alpkorporationen des...


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ZGB: 20  59  64
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59-I-272 • 73-I-68
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