S. 177 / Nr. 24 Rechtsgleichheit (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 73 I 177

24. Urteil vom 18. September 1947 i. S. Galenica A.-G. gegen Haber und Kons.
und Direktion der Justiz des Kantons Zürich.


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Regeste:
BRB betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 15. Oktober 1911/8.
Februar 1916 (BMW).
1. Hat ein Kanton die Beschränkung des Kündigungsrechts auf Geschäftsräume
ausgedehnt (Art. 12 BMW), so ist es nicht erforderlich, aber gestattet, Art. 6
lit. b BMW auch auf Geschäftsräume anzuwenden. Darf in diesem Fall an den
Eigenbedarf von Geschäftsräumen ein strengerer Masstab angelegt werden als an
den Eigenbedarf von Wohnungen? (Erw. 3, 4.)
2. Interessenabwägung nach Art. 4 BMW (Erw. 5).
ACF instituant des mesures contre la pénurie de logements du 16 octobre 1911/8
février 1946 (APL).
1. Lorsqu'un canton a étendu l'application des dispositions restreignant le
droit de résiliation aux locaux commerciaux (art. 12 APL), il n'est pas
indispensable d'appliquer à oeux-oi l'art. 5 litt. b APL; en revanche, cette
application est licite La notion de «besoin» doit-elle être alors interprétée
plus strictement que lorsqu'il s'agit de logements? (consid. 3 et 4).
2. Mise en balance des intérêts au sens de l'art. 4 APL (consid. 5).
DCF che istituisce misure per rimediare alla penuria degli alloggi (15 ottobre
1941/8 febbraio 1916).
1. Se un cantone ha esteso ai locali commerciali l'applicazione delle norme
che limitano il diritto di disdetta (art. 12 DCF), non è indispensabile ma è
tuttavia lecito applicare ad essi l'art. 5 lett. b DCF. La nozione di
«bisogno» dev'essere in questo caso interpretata più rigorosamente che quando
si tratti di alloggi? (consid. 3 e 4).
2. Valutazione dogli interessi ai sensi dell'art. 4 DCF (consid. 5).


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A. ­ Die Rekurrentin, Galenica A.-G., betreibt Handel mit pharmazeutischen
Produkten. Sie hat ihren Hauptsitz in Bern und besitzt Zweigniederlassungen in
Lausanne und Genf. Am 10. Januar 1947 kaufte sie die Liegenschaft
Stampfenbachstrasse 63 in Zürich, die im Erdgeschoss Geschäftsräume und in den
obern Stockwerken drei Wohnungen enthält. Die Geschäftsräume sind an Emil
Baumann und je eine der Wohnungen an Frau Haber, Frau Herzog und Frau Riemer
vermietet. Am 15. Januar 1947 kündigte die Galenica A.-G. sämtliche
Mietverträge auf den 30. September 1947. Die Mieter erhoben Einsprache. Zur
Begründung der Kündigungen führte die Galenica A.-G. aus: Seit einigen Jahren
mache sich bei ihr das Bedürfnis geltend, in Zürich eine Zweigniederlassung zu
gründen, um von hier aus die Apotheken Zürichs und der Ostschweiz rascher
beliefern zu können. Die Errichtung eines Depots in Zürich liege nicht nur in
ihrem Interesse, sondern auch im Interesse der Apotheken, der Kranken und
Ärzte, die häufig auf eine möglichst rasche Beschaffung der Arzneimittel
angewiesen seien. Nach längerem Suchen habe die Galenica A.-G. in Zürich ein
geeignetes Haus zum Preise von Fr. 740000.­ erwerben können. Es bedeute für
sie einen grossen geschäftlichen Verlust, wenn ihr die Benutzung dieses Hauses
als Zweigniederlassung verwehrt bleiben sollte.
Das Mietamt der Stadt Zürich erklärte die Kündigungen als unzulässig. Einen
Rekurs hiegegen wies die Justizdirektion des Kantons Zürich am 22. Mai 1947
mit im wesentlichen folgender Begründung ab:
Art. 5 lit. b des Bundesratsbeschlusses betreffend Massnahmen gegen die
Wohnungsnot vom 15. Oktober 1941 (BMW) werde von der Justizdirektion nicht nur
beim Eigenbedarf von Wohnungen, sondern auch beim Bedarf an Geschäftsräumen
angewendet und zwar deshalb, weil für den Eigentümer eines Hauses mit
Geschäftsräumen, wenn diese der Beschränkung des Kündigungsrechtes unterstellt
seien, grundsätzlich die gleichen

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Kündigungsgründe gelten sollten, wie für den Vermieter eines Wohnhauses. Von
dieser Praxis wolle das stadtzürcherische Mietamt im vorliegenden Falle
abgehen, weil sie dazu geführt habe, dass immer mehr Wohnungen in
Geschäftsräume umgewandelt worden seien, was umso bedenklicher erscheine, als
es sich in der Hauptsache um konjunkturbedingte Geschäfte handle. Nach
Auffassung des Mietamtes könne dieser ungesunden Entwicklung, wenn Art. 5 lit.
b BMW auch beim Bedarf an Geschäftsräumen zur Anwendung gelange, nicht
entgegengetreten werden, weil es nicht möglich sei, bei Geschäftsräumen an den
Eigenbedarf einen strengern Masstab anzulegen, als bei Wohnungen, bei denen es
nach der bundesgerichtlichen Praxis schon genüge, wenn ein Hauseigentümer für
die Selbstbenutzung der Wohnung «triftige Gründe» geltend machen könne. Doch
könne sich die Justizdirektion nicht zu einer grundsätzlichen Änderung ihrer
Praxis entschliessen, zumal das Anlegen eines strengern Masstabes an den
Eigenbedarf von Geschäftsräumen, als an denjenigen von Wohnräumen, durchaus
nicht willkürlich sei, da dem Umstand Rechnung getragen werden müsse, dass ein
Wohnbedarf immer beschränkt sei, während der Bedarf an Geschäftsräumen sehr
gross werden könne und deshalb einer Einschränkung bedürfe.
Im vorliegenden Falle handle es sich um Kündigungen, die nicht deshalb
ausgesprochen worden seien, weil die Erwerberin des Hauses weiterer Räume
dringend bedurft habe, sondern weil sie eine Erweiterung ihres Betriebes durch
den Einbezug der Ostschweiz in ihren Tätigkeitsbereich beabsichtigt habe. Wenn
sie mit den Kündigungen nicht durchdringe, so könne dies höchstens dazu
führen, dass sie die Belieferung der Ostschweiz mit Arzneimitteln wenigstens
in dringenden Fällen, wie bisanhin, einem Konkurrenzunternehmen überlassen
müsse. In einem solchen Falle könne nicht von einem «Benötigen» im Sinne von
Art. 5 lit. b BMW gesprochen werden und dürfe somit die Kündigung nicht als
zulässig erklärt werden, ohne auch

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die Interessen der Mieter gebührend zu berücksichtigen. Beim Hause
Stampfenbachstrasse 63 handle es sich um eine Liegenschaft, die dank ihrer
geräumigen und verhältnismässig billigen Wohnungen geeignet sei,
alleinstehenden Frauen durch das Ausmieten von Zimmern eine bescheidene
Existenz zu verschaffen und damit auch einen gewissen Beitrag an die Behebung
des in Zürich herrschenden Mangels an Einzelzimmern zu leisten. Derartige
Wohnungen seien heute in Zürich kaum mehr erhältlich, so dass die Mieterinnen
durch die Kündigungen in eine äusserst bedrängte finanzielle Lage geraten
würden. Aber auch Laden und Werkstatt im Erdgeschoss seien günstig gelegene
Lokale, die die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz ihres Bewerbers
darstellen, so dass auch dieser Mieter durch die Kündigung äusserst schwer
betroffen würde. Diese Interessen der Mieter seien höher zu bewerten als
diejenigen der Vermieterin, welche nicht in ihrer Existenz bedroht sei,
sondern lediglich ihren Betrieb ausdehnen möchte.
B. ­ Mit staatsrechtlichem Rekurs vom 26. Juni 1947 beantragt die Galenica
A.-G. die Aufhebung des Entscheides der Justizdirektion des Kantons Zürich vom
22. Mai 1947 unter Kostenfolge. Die Begründung lässt sich folgendermassen
zusammenfassen:
a) Die Existenz eines Galenica-Depots in Zürich liege nicht nur im Interesse
der Rekurrentin, sondern auch im Interesse der Apotheken von Zürich und der
ganzen Ostschweiz. Der Präsident des Schweizerischen Apothekervereins werte
die Errichtung eines Galenica-Depots in Zürich als ein Ereignis erster Ordnung
in der Entwicklung der schweizerischen Apothekerorganisationen. Kein anderes
Unternehmen der Ostschweiz könne an Stelle der Galenica treten.
b) Die Annahme der Justizdirektion, es sei bei Eigenbedarf von Geschäftsräumen
ein strengerer Masstab anzulegen als bei Eigenbedarf von Wohnräumen, verletze
den Grundsatz der Rechtsgleichheit und sei daher willkürlich.

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Dieser Auffassung sei auch das Mietamt der Stadt Zürich gewesen. Der Begriff
«Eigenbedarf» sei durch die bundesgerichtliche Praxis unzweideutig fixiert
worden und müsse daher stets in gleicher Weise angewendet werden. Der
Standpunkt der Justizdirektion führe zu grösster Rechtsunsicherheit. Die
Geltendmachung von Eigenbedarf wäre darnach im Prinzip zwar möglich;
gleichwohl aber hätten die Administrativbehörden eine Interessenabwägung
zwischen Mieter und Vermieter vorzunehmen. Eine solche Interessenabwägung wäre
aber ausserordentlich schwierig. Besonders stossend sei es, diese
Interessenabwägung auch dann vorzunehmen, wenn es sich gar nicht darum handle,
Wohnräume in Geschäftsräume umzuwandeln, sondern wenn die vom Hauseigentümer
beanspruchten Räume bereits ausschliesslich (wie im Falle des Mieters
Bachmann) oder doch vorwiegend (wie im Falle der übrigen Mieter) gewerblichen
Zwecken dienen.
c) Für den Fall, dass eine strengere Beurteilung des Eigenbedarfes von
gewerblichen Räumen nicht als willkürlich zu betrachten wäre, müsste die von
der Justizdirektion vorgenommene Interessenabwägung als willkürlich erklärt
werden. Einem Gewerbetreibenden dürfe der Eigenbedarf nicht deshalb
abgesprochen werden, weil er «lediglich» eine Erweiterung des Betriebes
bezwecke. Eine derart weitgehende Beschränkung verfassungsmässiger Rechte
lasse sich durch das Mietnotrecht nicht rechtfertigen. Der Willkürakt sei umso
augenfälliger, als die entgegengesetzten Interessen der Mieter nur sehr
beschränkter Art seien und keineswegs in einem dringenden Wohnbedürfnis
bestehen.
C. ­ Die Justizdirektion des Kantons Zürich und die Rekursbeklagten beantragen
Abweisung des Rekurses.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ .....
2. ­ Willkürrekurse sind, wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung
erkannt hat, auf Grund der

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kantonalen Akten zu beurteilen. Im vorliegenden Falle hat daher sowohl die
erst im staatsrechtlichen Rekursverfahren eingereichte Erklärung des
Präsidenten des Schweiz. Apothekervereins, wie auch die erst mit dem
staatsrechtlichen Rekurse aufgestellte Behauptung, dass kein anderes
Konkurrenzunternehmen der Ostschweiz an Stelle der Rekurrentin treten könne,
unberücksichtigt zu bleiben.
3. ­ Durch § 2 der zürcherischen Verordnung vom 28. November 1946 sind die
bundesrätlichen Vorschriften über Massnahmen gegen die Wohnungsnot, soweit sie
die Beschränkung des Kündigungsrechtes betreffen, für das ganze Gebiet des
Kantons Zürich auch auf die Geschäftsräume anwendbar erklärt worden. Ist eine
solche Erstreckung der bundesrätlichen Vorschriften erfolgt, so darf Art. 5
lit. b BMW, wie das Bundesgericht schon oft entschieden hat, auch auf die
Geschäftsräume angewendet werden (nicht publizierte Entscheide des
Bundesgerichts i. S. Maduz vom 11. Juni 1945, Erw. 1; i. S. Eggli vom 8.
Oktober 1945 Erw. 2; i. S. Fr. Mettler A.-G. vom 13. September 1945, Erw. 1;
i. S. Egli vom 21. Januar 1946; i. S. Enger und Kons. vom 11. Februar 1946,
Erw. 2 und i. S. Mozzi vom 19. September 1946). Doch kann auch die
gegenteilige Auslegung von Art. 5 lit. b BMW, d. h. die Annahme, dass der
Eigentümer ­ gleichgültig, ob gemäss Art. 12 BMW eine Erstreckung der
Kündigungsbeschränkungen auf andere als Wohnräume erfolgt ist oder nicht ­
sich auf Art. 5 lit. b BMW nur berufen könne, wenn er in seinem Hause Räume zu
Wohnzwecken benötigt, nicht als offensichtlich unrichtig und daher willkürlich
bezeichnet werden, wie das Bundesgericht wiederholt festgestellt hat (nicht
publizierte Entscheide des Bundesgerichts i. S. Etat de Neuchâtel vom 18. März
1946; i. S. Baugenossenschaft Länggassstrasse 51 Bern vom 26. August 1946 und
i. S. Ruckstuhl vom 17. Oktober 1946). Nachdem der Bundesratsbeschluss in Art.
12 eine Ausdehnung der Mieterschutzbestimmungen auf andere als Wohnräume ins
Auge fasst, gleichwohl aber in Art. 5 lit. b

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nicht schlechtweg von «Raumbedarf», sondern nur von «Wohnbedarf,, spricht,
könnte die Annahme, dass diese Beschränkung auf den Wohnbedarf auch für den
Fall einer gemäss Art. 12 BMW angeordneten Erstreckung der
Mieterschutzvorschriften gewollt ist, höchstens dann als unhaltbar bezeichnet
werden, wenn sich für eine solche Regelung keine vernünftigen Gründe finden
liessen. Dies trifft aber nicht zu. Es lässt sich sehr wohl die Auffassung
vertreten, dass Art. 5 lit. b BMW die persönlichsten Bedürfnisse des
Vermieters, seinen Bedarf an Unterkunft, besonders schützen wollte (TINNER in
SJZ Bd. 40 S. 68; WEIL, Schweiz. Mietnotrecht S. 48/49). Folge dieser
Auslegung von Art. 5 lit. b BMW ist es dann freilich, dass auch die in Art.
7bis BMW für Wohnungen vorgesehene Erstreckung der Kündigungsfrist auf
Geschäftsräume nicht angewendet werden darf; Art. 7bis will ja auch speziell
Art. 5 lit. b BMW in der Weise ergänzen, dass er eine Überprüfung des
Eigenbedarfs des Hauseigentümers auf seine zeitliche Dringlichkeit ermöglichen
will (Bundesblatt 1946 II S. 2).
Hätte die Justizdirektion mit dem angefochtenen Entscheide sich in Abänderung
der bisherigen Praxis grundsätzlich der an zweiter Stelle erwähnten,
einschränkenden Auslegung von Art. 5 lit. b BMW angeschlossen, so hätte der
Rekurrentin das Recht, sich auf diesen Kündigungsgrund zu berufen, ohne
weiteres abgesprochen werden dürfen. Keine Bedeutung wäre hiebei dem Umstand
beizumessen gewesen, dass die von der Rekurrentin in ihrem Hause an der
Stampfenbachstrasse beanspruchten Räume bereits bisanhin ausschliesslich (im
Falle des Rekursbeklagten Bachmann) oder doch teilweise (im Falle der übrigen
Rekursbeklagten) gewerblichen Zwecken dienten; denn bei Nichtanwendung von
Art. 5 lit. b BMW auf Geschäftsräume kann sich derjenige, der in seinem Hause
solche Räume beansprucht, auf Eigenbedarf überhaupt nicht berufen, also auch
dann nicht, wenn diese Räume bisanhin schon als Geschäftsräume benutzt worden
waren.

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Nun weicht aber die Justizdirektion mit dem angefochtenen Entscheide nicht von
ihrer Praxis ab, sondern hält grundsätzlich daran fest, dass Art. 5 lit. b BMW
nicht nur beim Eigenbedarf von Wohnungen, sondern auch beim Bedarf eines
Eigentümers an Geschäftsräumen anwendbar sei. Doch legt die Justizdirektion an
den Eigenbedarf von Geschäftsräumen einen strengern Masstab an als an den
Eigenbedarf von Wohnräumen. Diese Differenzierung mag auf den ersten Blick
bedenklich erscheinen. Doch kann sie wenigstens insoweit nicht als willkürlich
bezeichnet werden, als sie ihre Rechtfertigung in Verhältnissen findet, die
den Eigenbedarf an Wohnräumen vom Eigenbedarf an Geschäftsräumen
unterscheiden. In den beiden Fällen liegen - worüber kein Zweifel bestehen
kann - die Verhältnisse nicht völlig gleich. Der Eigenbedarf an Wohnräumen ist
seiner Natur nach auf die persönlichen Bedürfnisse des Eigentümers, seiner
Familie und seiner nächsten Verwandten beschränkt. In der Regel bedarf der
Eigentümer nur einer Wohnung. Ganz anders liegen aber die Verhältnisse bei den
Geschäftsräumen. Der Bedarf an solchen Räumen kann durch die Ausdehnung des
Geschäftes sehr gross werden. Es kann daher nicht als willkürlich erklärt
werden, wenn der Eigenbedarf an Geschäftsräumen, da ihm nicht schon wie dem
Eigenbedarf an Wohnräumen durch die Natur Schranken gezogen sind, wenigstens
in der Weise beschränkt wird, dass bei einer Erweiterung des
Geschäftsbetriebes ein "Benötigen" im Sinne von Art. 5 lit. b BMW nur dann
angenommen wird, wenn ein dringendes Bedürfnis für die Erweiterung
nachgewiesen werden kann. Nur so können die Kantone, welche die Anwendung von
Art. 5 lit. b BMW auf den Bedarf an Geschäftsräumen nicht ausschliessen,
verhindern, dass kapitalkräftige Unternehmen durch die Erweiterung ihrer
Betriebe zahlreiche kleinere Geschäftsleute, die auf Mieträume angewiesen
sind, zur Betriebseinstellung zwingen. Vermöchten, wie beim Wohnbedarf, schon
triftige Gründe eine vom Eigentümer zwecks Erweiterung seines

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Geschäftes vorgenommene Kündigung zu rechtfertigen, so wäre eine solche
Kündigung zumeist zu schützen. Das Bundesgericht hat denn auch bereits einmal
erklärt, es lasse sich ohne Willkür die Auffassung vertreten, dass der
Hauseigentümer, der die bisanhin vermieteten Räume für die Erweiterung seines
Geschäftes verwenden wolle, sich auf den Kündigungsgrund des Art. 5 lit. b BMW
nur berufen könne, wenn diese Erweiterung einem dringenden Bedürfnis
entspreche, d. h. wenn der Hauseigentümer hierauf nicht verzichten könne
(nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichts i. S. Banque Hypothécaire
Suisse vom 27. Februar 1947, S. 4/5).
4. ­ Die Justizdirektion hat sich im angefochtenen Entscheide nicht, wie die
Rekurrentin behauptet, auf den Standpunkt gestellt, dass der Eigentümer, der
in seinem Hause vermietete Räume zwecks Erweiterung seines Geschäftes in
Anspruch nehmen wolle, überhaupt nie Eigenbedarf geltend machen könne. Die
Justizdirektion lässt vielmehr auch bei einer Geschäftserweiterung die
Berufung auf den Eigenbedarf zu, sofern diese Erweiterung einem dringenden
Bedürfnis entspricht. Das Vorliegen eines solchen Bedürfnisses aber hat die
Justizdirektion im vorliegenden Falle verneint. Dass sie sich dadurch einer
Willkür schuldig gemacht habe, wird von der Rekurrentin nicht behauptet und
trifft jedenfalls dann nicht zu, wenn die erst im staatsrechtlichen Rekurse
vorgebrachten Tatsachen unberücksichtigt bleiben (vgl. oben Erwägung Ziff. 2).
5. ­ Nachdem die Justizdirektion das Vorliegen des in Art. 5 lit. b BMW
vorgesehenen Kündigungsgrundes verneint hatte, war noch die Interessenabwägung
gemäss Art. 4 BMW vorzunehmen. Im staatsrechtlichen Rekurse wird der
Justizdirektion vorgeworfen, dass sie hiebei willkürlich vorgegangen sei, da
die Interessen der Vermieterin offenbar schutzwürdiger seien als die
Interessen der Mieter. Doch diese Rüge wird nicht begründet; es fehlt daher in
diesem Punkte dem staatsrechtlichen Rekurse die durch

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Art. 90 lit. b OG geforderte Begründung. Übrigens muss bei der
Interessenabwägung gemäss Art. 4 BMW dem Ermessen der kantonalen Behörden ein
weiter Spielraum gelassen werden. Das Bundesgericht könnte nur bei einem
offenbaren Ermessensmissbrauch einschreiten. Ein solcher liegt aber nicht vor.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 73 I 177
Datum : 01. Januar 1947
Publiziert : 17. September 1947
Quelle : Bundesgericht
Status : 73 I 177
Sachgebiet : BGE - Verfassungsrecht
Gegenstand : BRB betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot vom 15. Oktober 1911/8. Februar 1916 (BMW).1. Hat...


Gesetzesregister
OG: 90
BGE Register
73-I-177
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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