S. 74 / Nr. 24 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 74

24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. März 1946 i.S. Duetsch
gegen Egloff und Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau.

Regeste:
Art. 303
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
StGB; falsche. Anschuldigung.
1. Unter Vorbehalt der Wiederaufnahme des Verfahrens wird die Nichtschuld des
Beschuldigten durch ein freisprechendes Urteil oder durch einen gegen ihn
ergangenen Aufhebungsbeschluss auch für das Verfahren gegen den, der die
falsche Anschuldigung erhoben hat, verbindlich festgestellt (Erw. 1).
2. Falsche Anschuldigung, begangen durch Einreichung einer Strafanzeige, die
objektiv zum grössten Teil wahre Tatsachen berichtet, aber wider besseres
Wissen Auslassungen, Beifügungen, falsche Verdächtigungen und die Behauptung
der zum angezeigten Verbrechen oder Vergehen gehörenden subjektiven
Voraussetzungen enthält (Erw. 2).
Art. 303 CP. Dénonciation calomnieuse.
1. Le juge appelé à statuer sur le crime de dénonciation calomnieuse est lié,
en ce qui concerne l'innocence de la personne dénoncée et sous réserve d'une
reprise de la procédure contre celle-ci, par le jugement d'acquittement dont
elle a fait l'objet ou par le prononcé de non-lieu dont elle a bénéficie
(consid. 1).
2. Dénonciation calomnieuse, consistant dans le dépôt d'une plainte pénale,
qui relate des faits vrais pour la plus grande

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partie, mais qui à dessein en tait d'autres, ajoute à ce qui est émet de faux
soupçons et affirme de mauvaise foi l'existence des conditions subjectives
requises pour les crimes et délits dénoncés (consid. 2).
Art. 303 CP. Denuncia mendace.
1. Il giudice chiamato a pronunciarsi sul reato di denuncia mendace è
vincolato, per quanto concerne l'innocenza della persona denunciata e con
riserva di una ripresa della procedura contro di lei, dalla sentenza di
assoluzione prolata nei suoi confronti o dal decreto di abbandono, di cui ha
beneficiato (consid. 1).
2. Denuncia mendace consistente nello sporgere una querela penale che
riferisce fatti per lo più veri, ma che tace altri fatti aggiunge a quanto è,
emette falsi sospetti e afferma in mala fede l'esistenza delle condizioni
soggettive richieste per i crimini o delitti denunciati (consid. 2).

Aus den Erwägungen:
1. ­ Der Beschwerdeführer ist in Anwendung von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
StGB
verurteilt worden. Nach dieser Bestimmung macht sich strafbar, «wer einen
Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder
eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn
herbeizuführen». Dass Notar Egloff der Verbrechen und Vergehen, welche ihm die
Strafklage des Beschwerdeführers vorgeworfen hat, nicht schuldig ist, ergibt
sich für den Richter, der über die Anwendung des Art. 303 zu urteilen hat,
verbindlich aus dem Aufhebungsbeschluss der thurgauischen Anklagekammer vom
24. März 1944. Dieser Beschluss hat das Strafverfahren ­ unter Vorbehalt der
Wiederaufnahme wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel ­ gleich einem
gerichtlichen Urteil endgültig erledigt. Damit verträgt es sich nicht, die
Schuldfrage im Verfahren wegen falscher Anschuldigung erneut zu erörtern; das
ginge gegen das Wesen des Urteils, das feststellt, was Recht ist. Die
praktischen Folgen zweier sich widersprechender Entscheide, von denen der eine
die Schuld verneinen, der andere sie auf Grund der gleichen Tatsachen und
Beweismittel bejahen würde, wären unhaltbar, namentlich dann, wenn ein
Verurteilter mit einer Gegenanzeige wegen falscher Anschuldigung ohne Anrufung
neuer Tatsachen oder Beweismittel

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Erfolg hätte, in diesem Verfahren also als nicht schuldig dastünde und
trotzdem verurteilt bliebe. Dadurch, dass ein Aufhebungsbeschluss oder ein
freisprechendes Urteil im nachfolgenden Verfahren wegen falscher Anschuldigung
als verbindlich hingenommen wird, leiden die Interessen dessen, der sich wegen
falscher Anschuldigung zu verantworten hat, nicht, denn alles, was seines
Erachtens für die Schuld des andern spricht, kann er zu seiner eigenen
Verteidigung gleichwohl anrufen, um darzutun, dass er die Anschuldigung
gutgläubig erhoben habe.
2. ­ Der Beschwerdeführer hatte die Absicht, mit der Strafklage vom 18.
Dezember 1943 gegen Notar Egloff und die Mitbeschuldigten eine Strafverfolgung
herbeizuführen. Hätte er der Staatsanwaltschaft unentstellt und lückenlos
bloss (wahre) Tatsachen berichtet, deren rechtliche Qualifikation der Behörde
überlassend, so könnte nicht gesagt werden, er habe im Sinne des Art. 303 die
angezeigten Personen «eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt»,
denn das öffentliche Interesse erheischt, dass der Behörde gegebenenfalls auch
Tatsachen gemeldet werden, die der Anzeiger zwar persönlich nicht für strafbar
hält, zu deren Würdigung er der Behörde aber doch Gelegenheit geben möchte.
Dagegen widerspricht es dem öffentlichen Interesse, der
Strafverfolgungsbehörde einen Tatbestand zu unterbreiten, der, wenn er auch
objektiv zum grössten Teil wahr ist, Auslassungen, Beifügungen oder falsche
Verdächtigungen enthält, oder mit dem der Anzeiger wider besseres Wissen die
Behauptung verbindet, auch die zum Verbrechen oder Vergehen gehörenden
subjektiven Voraussetzungen seien erfüllt. Durch solche Entstellungen wird die
Behörde irregeführt. Statt dass sie die Anzeige sofort als unbegründet von der
Hand weisen kann, wird sie veranlasst, die Strafverfolgung zu eröffnen und
Erhebungen zu treffen. Dass die Einreichung einer Anzeige, die wider besseres
Wissen Auslassungen oder sonstige Entstellungen enthält, als falsche
Anschuldigung zu bestrafen ist, nehmen auch die französische

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Wissenschaft und Rechtsprechung an (GARÇON, Code pénal Art. 373 Anm. 164 ff.;
DALLOZ, Recueil périodique 1856 I 139, 1873 I 169).
Eine solche Anzeige hat der Beschwerdeführer eingereicht. Er hat schon den
objektiven Tatbestand entstellt. Er hat nicht nur die Vermutung ausgesprochen,
Notar Egloff habe die Vormundschaftsbehörde über die tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse irregeführt, sondern auch behauptet, er, Egloff, habe
den devoten Vormund Widmer offensichtlich für seine Zwecke missbraucht. Dass
die Vormundschaftsbehörde im Beschluss vom 28. April 1942, durch den sie die
Aufhebung des Teilungsvertrages guthiess, die Genehmigung des Bezirksrates
vorbehielt, übergeht die Strafklage. Freilich wurde diese Genehmigung aus
Versehen nicht eingeholt. Das wurde aber dadurch gutgemacht, dass der
Bezirksrat den Kaufvertrag mit Meier am 4. Juli 1942 genehmigte, was im
Vertrag wiederum ausdrücklich vorbehalten worden war, worüber aber die
Strafklage schweigt. Auch die Bestreitung, dass als Kaufpreis bloss Fr.
40,000.­ gelöst worden seien, geht über einen Bericht feststehender Tatsachen
hinaus. Wichtiger als diese Entstellungen des objektiven Geschehens ist die
feste Behauptung, Notar Egloff sei der angeführten Verbrechen und Vergehen
schuldig, auch deren subjektive Voraussetzungen seien also erfüllt. Auf diese
Behauptung laufen auch die zahlreichen Ausführungen hinaus, die sich auf die
angebliche subjektive Einstellung Egloffs beziehen, so wenn von «deliktischer
Absicht» oder vom «schlechten Gewissen» des Notars gesprochen wird, oder wenn
die Strafklage erklärt, über die Voraussetzungen des Vorsatzes nach Art. 18
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.

StGB seien keine Zweifel möglich, der Zweck des Nachlassvertrages sei
offensichtlich der gewesen, die Gläubiger über die wahre Sach- und Rechtslage
hinwegzutäuschen, und die Konferenzen zwischen Egloff und den Beteiligten
hätten dem Zwecke gedient, die strafbaren Machenschaften nach Möglichkeit zu
vertuschen. In der Entstellung des objektiven und der Behauptung

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des subjektiven Tatbestandes (der in Wirklichkeit nicht gegeben war) liegt
objektiv die falsche Anschuldigung im Sinne des Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
StGB.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 IV 74
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 08. März 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 IV 74
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 303 StGB; falsche. Anschuldigung.1. Unter Vorbehalt der Wiederaufnahme des Verfahrens wird die...


Gesetzesregister
StGB: 18 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
303
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
BGE Register
72-IV-74
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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