S. 59 / Nr. 19 Strafgesetzbuch (d)

BGE 72 IV 59

19. Urteil des Kassationshofes vom 21. Juni 1946 i.S. Schmid gegen
Statthalteramt Luzern-Stadt.

Regeste:
1. Art. 143
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB, Sachentziehung. Dieses Vergehen kann auch an Sachen begangen
werden, die der Täter schon in Gewahrsam hat. Es besteht in diesem Fall darin,
dass er wie ein Eigentümer über die Sache verfügt. Ausgenommen sind die Fälle,
die unter Art. 145
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 145 - Der Schuldner, der in der Absicht, seinen Gläubiger zu schädigen, diesem eine als Pfand oder Retentionsgegenstand dienende Sache entzieht, eigenmächtig darüber verfügt, sie beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB (Sachbeschädigung) fallen.
2. Art. 13 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB. Wann ist der Richter verpflichtet, den Geisteszustand
des Beschuldigten untersuchen zu lassen?
1. Art. 143 CP, Soustraction sans dessein d'enrichissement. Ce délit peut
aussi être commis à l'égard de choses que l'auteur a déjà en sa possession.
Dans ce cas, l'infraction consiste en ce que le possesseur dispose de la chose
comme ferait un propriétaire. Sont réservés les cas qui appellent
l'application de l'art. 145 CP (dommages à la propriété),
2. Art. 13 al. 1 CP. Quand le juge est-il tenu de faire examiner l'état mental
de l'inculpé?
1. Art. 143 CP, Sottrazione senza fine di lucro. Questo reato può essere
commesso anche per cose che sono già in possesso dell'autore. In questo caso
il reato consiste nel fatto che il possessore dispone della cosa come se fosse
il proprietario. Sono riservati i oasi cui torna applicabile l'art. 145 CP
(danneggiamento).
2. Art. 13 cp. 1 CP. Quando il giudice è tenuto a far esaminare lo stato
mentale dell'imputato t

A. ­ Dr. Schmid arbeitete im Bureau des Dr. Heller Von Ende Juni 1944 an
erschien er nicht mehr zur Arbeit und weigerte sich, vier anvertraute
Schlüssel zu den Wohn- und Bureauräumen und zur Geldkassette seines
Arbeitgebers herauszugeben, ehe ihm dieser ein Dienstzeugnis ausgestellt und
einen streitigen Lohnbetrag ausbezahlt haben werde. Dr. Heller stellte
deswegen gegen Dr. Schmid Strafantrag wegen Sachentziehung.
Im Verlaufe des Verfahrens forderte der Amtsstatthalter

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von Luzern-Stadt den Beschuldigten unter Hinweis auf die Strafdrohung des Art.
292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB auf, bis zur Erledigung der Strafsache jeden Wohnsitzwechsel innert
zwei Tagen dem Amtsstatthalter mitzuteilen. Dr. Schmid gehorchte dieser
Verfügung nicht.
B. ­ Am 11. April 1946 teilte die Amtsvormundschaft der Stadt Zürich dem
Amtsgericht Luzern-Stadt mit, dass Dr. Schmid auf Grund von Art. 369
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
1    Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
2    Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann.
3    Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde.
ZGB
entmündigt worden sei und dass das bezügliche Gutachten zur Verfügung gehalten
werde. Ohne dieses Gutachten beizuziehen oder den Geisteszustand des
Angeklagten untersuchen zu lassen, erklärte das Amtsgericht Dr. Schmid am 2.
Mai 1946 der Sachentziehung (Art. 143
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB) und des Ungehorsams gegen eine
amtliche Verfügung (Art. 292
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 292 - Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.
StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer
bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von drei Tagen und zu dreissig Franken
Busse.
C. ­ Der Vormund des Verurteilten hat gegen dieses Urteil die
Nichtigkeitsbeschwerde erklärt. Er beantragt, es sei aufzuheben und die
Strafsache zur neuen Urteilsfällung und zur Freisprechung des Angeklagten an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung wird geltend gemacht, das
Amtsgericht habe Art. 10
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 10 - 1 Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
1    Dieses Gesetz unterscheidet die Verbrechen von den Vergehen nach der Schwere der Strafen, mit der die Taten bedroht sind.
2    Verbrechen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind.
3    Vergehen sind Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind.
, eventuell Art. 11
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 11 - 1 Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
1    Ein Verbrechen oder Vergehen kann auch durch pflichtwidriges Untätigbleiben begangen werden.
2    Pflichtwidrig untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner Rechtstellung dazu verpflichtet ist, namentlich auf Grund:
a  des Gesetzes;
b  eines Vertrages;
c  einer freiwillig eingegangenen Gefahrengemeinschaft; oder
d  der Schaffung einer Gefahr.
3    Wer pflichtwidrig untätig bleibt, ist gestützt auf den entsprechenden Tatbestand nur dann strafbar, wenn ihm nach den Umständen der Tat derselbe Vorwurf gemacht werden kann, wie wenn er die Tat durch ein aktives Tun begangen hätte.
4    Das Gericht kann die Strafe mildern.
und 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB verletzt. Dr. Schmid
leide an paranoider Form der Schizophrenie und habe die ihm vorgeworfenen
Handlungen in völliger Unzurechnungsfähigkeit begangen. Das Amtsgericht hätte
sich über den Grund der Bevormundung unterrichten und über den Geisteszustand
des Angeklagten Erhebungen treffen sollen.
D. ­ Der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt stellt keinen Antrag.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Der französische Text des Art. 143
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 143 - 1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, sich oder einem andern elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeicherte oder übermittelte Daten beschafft, die nicht für ihn bestimmt und gegen seinen unbefugten Zugriff besonders gesichert sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Die unbefugte Datenbeschaffung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
StGB bezeichnet die Handlung dessen,
der sich der Sachentziehung schuldig macht, mit dem Zeitwort «soustraire»,
also gleich wie Art. 137 die Tat des Diebes. Daraus darf jedoch nicht

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geschlossen werden, dass der Tatbestand der ersteren Bestimmung gleich wie der
der letzteren nur durch Wegnahme einer Sache verwirklicht werden kann, denn
nach allgemeinem Sprachgebrauch hat «soustraire» neben dem Sinn des Wegnehmens
auch den der unrechtmässigen Verfügung wie ein Eigentümer über eine fremde
Sache, die sich schon im Gewahrsam des Täters befindet. Deutlicher sind der
deutsche und der italienische Text, die in Art. 137 von a wegnehmen» bezw.
«impossessarsi», in Art. 143 allgemeiner von «entziehen» bezw. «sottrarre»
sprechen. Dieser Unterschied in der Bezeichnung ist berechtigt. Hätte die
Sachentziehung als eine ohne Bereicherungsabsicht erfolgende Wegnahme einer
fremden Sache, also bloss als Gegenstück zum Diebstahl, nicht auch zur
Veruntreuung (Art. 140) und zur Unterschlagung (Art. 141), aufgefasst werden
wollen, so enthielte das Strafgesetzbuch eine Lücke. Nach den meisten
kantonalen Rechten erforderte der Tatbestand der Veruntreuung (Unterschlagung)
nicht Bereicherungsabsicht des Täters. Strafbar war jeder, der unrechtmässig
wie ein Eigentümer über eine in seinem Gewahrsam stehende fremde Sache
verfügte, also z.B. auch, wer sie beiseite schaffte, ohne sich oder einen
andern damit bereichern zu wollen (z. B. Luzern § 214 KStG, Zürich § 177,
Waadt Art. 198). Eine derart durchgreifende Änderung, dass solche Fälle nun
nicht mehr strafbar sein sollten, kann man beim Erlass des Strafgesetzbuches
nicht beabsichtigt haben. Indem man die Absicht unrechtmässiger Bereicherung
zum Tatbestandsmerkmal der Veruntreuung und des Diebstahls erhob, wollte man
der Tat dessen, dem die Bereicherungsabsicht fehlt, lediglich die entehrende
Bezeichnung als Veruntreuung bezw. Diebstahl nehmen und sie zum blossen
Antragsdelikt machen, das zudem milder zu bestrafen ist. Dagegen lag es dem
Gesetzgeber fern, den, der ohne Bereicherungsabsicht über eine ihm anvertraute
oder durch Naturgewalt, Irrtum, Zufall oder sonstwie ohne seinen Willen
zugekommene fremde Sache wie ein Eigentümer

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verfügt, straflos zu lassen. Besteht die Verfügung darin, dass der Täter die
Sache beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, so ist er nach Art. 145
strafbar. Schafft er sie dagegen bloss beiseite, indem er z. B. einen
anvertrauten Edelstein in den tiefen See wirft, so gilt Art. 143.
Nicht strafbar ist dagegen, wer eine fremde Sache, die ihm anvertraut oder
gegen seinen Willen zugekommen ist, lediglich unrechtmässig gebraucht oder
lediglich seine Rückgabepflicht nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt. Wie Art.
140 und Art. 141 mit Strafe bloss bedrohen, wer sich die Sache aneignet, sich
also unrechtmässig die Stellung eines Eigentümers verschaffen will, richtet
sich auch Art. 143 nur gegen den, der unrechtmässig eine Verfügung trifft, die
gar nicht anders denn als Verfügung eines Eigentümers denkbar ist. Der Täter
muss sich so benehmen wollen, als ob er Eigentümer der in seinem Gewahrsam
befindlichen Sache wäre; nur dann entzieht er sie dem wirklichen Eigentümer,
nicht dagegen, wenn er, ohne das Eigentum des andern antasten zu wollen, sich
bloss Rechte eines obligatorisch oder beschränkt dinglich Berechtigten
anmasst.
2. ­ Indem Dr. Schmid nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sich
weigerte, dem Arbeitgeber die anvertrauten Schlüssel zurückzugeben, ehe ihm
ein Dienstzeugnis ausgestellt und ein streitiger Lohnbetrag bezahlt werde,
verletzte er lediglich seine Rückgabepflicht, ohne wie ein Eigentümer über die
Schlüssel zu verfügen. Er ist daher von der Anklage der Sachentziehung
freizusprechen, welches auch sein Geisteszustand gewesen sein mag, in dem er
die Tat beging.
3. ­ Wenn der Richter an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten zweifelt,
muss er dessen Geisteszustand durch einen oder mehrere Sachverständige
untersuchen lassen (Art. 13 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB). Das Bundesgericht hat diese
Vorschrift dahin ausgelegt, dass der Richter die Zweifel nicht unterdrücken
darf, wenn Umstände vorliegen, die

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sie normalerweise aufdrängen (BGE 69 IV 53). Ein solcher Umstand lag im
vorliegenden Fall in der Mitteilung der Amtsvormundschaft Zürich vom 11. April
1946, dass Dr. Schmid auf Grund von Art. 369
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 369 - 1 Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
1    Wird die auftraggebende Person wieder urteilsfähig, so verliert der Vorsorgeauftrag seine Wirksamkeit von Gesetzes wegen.
2    Werden dadurch die Interessen der auftraggebenden Person gefährdet, so ist die beauftragte Person verpflichtet, so lange für die Fortführung der ihr übertragenen Aufgaben zu sorgen, bis die auftraggebende Person ihre Interessen selber wahren kann.
3    Aus Geschäften, welche die beauftragte Person vornimmt, bevor sie vom Erlöschen ihres Auftrags erfährt, wird die auftraggebende Person verpflichtet, wie wenn der Auftrag noch bestehen würde.
ZGB (Geisteskrankheit oder
Geistesschwäche) bevormundet sei. Da das Amtsgericht darüber hinweggegangen
ist, muss auch die Verurteilung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche
Verfügung aufgehoben werden. Die Vorinstanz hat das Versäumte nachzuholen und
neu zu urteilen, und zwar auch über die allfällige Anwendung der Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
oder
15 StGB. Ob es eigene Sachverständige ernennen oder die Unzurechnungsfähigkeit
des Angeklagten auf Grand des vom Beschwerdeführer eingelegten Gutachtens von
Ärzten der Heilanstalt Burghölzli vom 23. Juni 1945 bejahen will, liegt in
seinem Ermessen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Amtsgerichts
Luzern-Stadt vom 2. Mai 1946 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im
Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 IV 59
Date : 01. Januar 1946
Published : 20. Juni 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 IV 59
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 143 StGB, Sachentziehung. Dieses Vergehen kann auch an Sachen begangen werden, die der...


Legislation register
StGB: 10  11  13  14  143  145  292
ZGB: 369
BGE-register
69-IV-51 • 72-IV-59
Keyword index
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deprivation of an object • property of another • intention • enrichment intention • penal code • accused • theft • lower instance • court of cassation • removal • convicted person • criminal matter • day • employer • insubordinance to decree • marriage • abrogation • statement of affairs • criminal complaint • decision
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