BGE 72 IV 30
10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Februar 1946 i.S. Buser
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt.
Regeste:
Die Fälschung von Rationierungsausweisen (Lieferantencoupons) ist nach Art.
251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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1 | Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
2 | ...330 |
La contrefaçon de titres do rationnement (coupons de fournisseurs) tombe sous
le coup de l'art. 251 ch. 2 CP, non sous le coup de l'art. 245 ou de l'art.
246.
La falsificazione di documenti di razionamento (tagliandi per fornitori) è
punita dall'art. 251, cifra 2 CP, e non dall'art. 245 o dall'art. 246 CP.
Buser, Geschäftsführer eines Lebensmittelgeschäftes, gab einer Fälscherbande
einen Lieferantencoupon für 100 kg Zucker, damit sie ihn als Vorlage für die
Herstellung falscher Coupons verwende, und nahm hernach einen der gefälschten
Ausweise an. Das Appellationsgericht des Kantons
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Basel-Stadt würdigte die Tat als Fälschung öffentlicher Urkunden. Buser führte
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, statt des Art. 251 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 251 - 1. Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
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1 | Wer in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, |
2 | ...330 |
Art. 245
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 245 - 1. Wer amtliche Wertzeichen, namentlich Postmarken, Stempel- oder Gebührenmarken, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, |
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1 | Wer amtliche Wertzeichen, namentlich Postmarken, Stempel- oder Gebührenmarken, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, |
2 | Wer falsche, verfälschte oder entwertete amtliche Wertzeichen als echt, unverfälscht oder gültig verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht mit Recht nicht geltend, dass die Fälschung der
Rationierungsausweise nach Art. 246
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 246 - Wer amtliche Zeichen, die die Behörde an einem Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um eine Genehmigung festzustellen, zum Beispiel Stempel der Gold- und Silberkontrolle, Stempel der Fleischschauer, Marken des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, |
dieser Bestimmung ist strafbar, wer amtliche Zeichen fälscht, welche die
Behörde an einem Gegenstand anbringt, um das Ergebnis einer Prüfung oder um
eine Genehmigung festzustellen, z. B. Stempel der Gold- und Silberkontrolle,
Stempel der Fleischschauer, Marken der Zollverwaltung. Rationierungsausweise
sind nicht solche Zeichen.
Unter Art. 245
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 245 - 1. Wer amtliche Wertzeichen, namentlich Postmarken, Stempel- oder Gebührenmarken, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, |
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1 | Wer amtliche Wertzeichen, namentlich Postmarken, Stempel- oder Gebührenmarken, fälscht oder verfälscht, um sie als echt oder unverfälscht zu verwenden, |
2 | Wer falsche, verfälschte oder entwertete amtliche Wertzeichen als echt, unverfälscht oder gültig verwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
«amtliche Wertzeichen» wären. Die Bestimmung nennt als Beispiel die Postmarken
und die Stempel- oder Gebührenmarken. Daraus ergibt sich, dass sie nur für
Zeichen gilt, welche eines ähnlichen Schutzes bedürfen wie Geld und Banknoten,
weil sie in beschränktem Umfange als Zahlungsmittel verwendet werden oder zur
Bescheinigung einer Zahlung dienen (vgl. ZÜRCHER, Erläuterungen zum Vorentwurf
1908, 318 f.). Art. 245 folgt denn auch unmittelbar den Bestimmungen über die
Geldfälschung und ist mit ihnen unter ein und demselben Titel zusammengefasst.
Rationierungsausweise dienen weder als Zahlungsmittel noch zur Bescheinigung
einer Zahlung und lauten denn auch nicht wie Post-, Stempel-, Gebührenmarken
und ähnliche Wertzeichen auf einen Geldbetrag. Sie verleihen ihrem Inhaber das
Recht zum Bezug einer Ware. Durch die Fälschung von Rationierungsausweisen
werden nicht wie durch die Fälschung amtlicher Wertzeichen finanzielle
Interessen verletzt, sondern die planmässige Verteilung der verfügbaren Ware
wird gestört. An diesem grundsätzlichen Unterschiede ändert der Umstand
nichts, dass Rationierungsausweise gleich wie amtliche
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Wertzeichen, Geld und andere Sachen Gegenstand eines sogenannten
Vermögensdeliktes (Diebstahl, Veruntreuung usw.) sein können (vgl. BGE 70 IV
66). Auch darauf kommt nichts an, dass sie den amtlichen Wertzeichen insofern
ähnlich sind, als sie wie diese in grossen Mengen ausgegeben werden und
grundsätzlich übertragen werden können. Diese Ähnlichkeit hätte dem
Gesetzgeber Anlass geben können, sie einer ähnlichen Sonderbestimmung zu
unterstellen wie die amtlichen Wertzeichen, erlaubt aber nicht, Art. 245 auf
sie anzuwenden.
Trifft somit diese Vorschrift nicht zu, so ist mit Recht Art. 251 Ziff. 2
angewendet worden. Rationierungsausweise sind Schriften oder Zeichen, die
bestimmt sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung (das Recht zum Bezug
von Ware) zu beweisen, sind also Urkunden im Sinne des Gesetzes (Art. 110
Ziff. 5 Abs. 1). Und zwar sind es öffentliche Urkunden, denn die Behörde,
welche sie ausstellt, handelt nicht als Verwaltung einer wirtschaftlichen
Unternehmung oder eines Monopolbetriebes des Staates oder einer andern
öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt in einem zivilrechtlichen
Geschäft, sondern erfüllt eine rein öffentlich-rechtliche Aufgabe (Art. 110
Ziff. 5 Abs. 2).