S. 55 / Nr. 12 Prozessrecht (d)

BGE 72 II 55

12. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. Januar 1946 i. S. Vivell gegen
Vivell.

Regeste:
Entscheidungen über Eheschutzmassnahmen (Art. 169 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. ZGB) können auch nach
dem neuen OG mit der Berufung nicht angefochten werden.
Les décisions ordonnant des mesures protectrices de l'union conjugale (art.
169 et suiv. CC) ne peuvent faire l'objet d'un recours en réforme, même sous
l'empire de la nouvelle loi d'organisation judiciaire.
Le decisioni che ordinano misure protettive dell'unione coniugale (art. 169 e
seg. CC) non sono impugnabili mediante ricorso per

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riforma, nemmeno in virtù della nuova legge sull'organizzazione giudiziaria
federale.

Nach der Abweisung ihrer Scheidungsklage durch Urteil des Bundesgerichts vom
7. Juni 1945 weigerte sich Frau Vivell, zu ihrem Manne zurückzukehren, und
behielt die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, die ihr durch
vorsorgliche Massnahme für die Dauer des Scheidungsprozesses zur Pflege und
Erziehung zugewiesen worden waren, weiterhin bei sich. Am 19. Juli 1945
stellte deshalb der Ehemann beim Amtsgerichtspräsidenten das Begehren, seine
Frau sei an ihre Pflichten zu ermahnen, insbesondere sei sie aufzufordern,
unverzüglich mit den Kindern zu ihm zurückzukehren. Für den Fall ihrer
Weigerung beantragte er, es sei vom Richter zu verfügen, dass die beiden
Kinder unverzüglich ihm zugeführt werden. Der Amtsgerichtspräsident fand, der
Ehefrau könne wegen der Weigerung, zum Manne zurückzukehren, nicht
Pflichtvergessenheit vorgeworfen werden, und teilte die Kinder mit Entscheid
vom 13. August 1945 in Anwendung von Art. 169 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. ZGB ihr zu. Das Obergericht
hat die Beschwerde des Ehemannes, mit der er die vor erster Instanz gestellten
Begehren erneuerte, am 13. Oktober 1945 abgewiesen, da die Ehefrau gemäss Art.
170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB zum Getrenntleben berechtigt sei, und da das Wohl der Kinder ihre
Belassung bei der Mutter gebiete.
Gegen dieses Urteil hat der Ehemann die Berufung an das Bundesgericht erklärt
mit dem Antrage, die Kinder seien ihm zur Erziehung und zum Unterhalt
zuzuweisen. Für den Fall, dass die Berufung als unzulässig erachtet werden
sollte, beantragt er, seine Rechtsvorkehr sei als «zivilrechtliche Beschwerde»
entgegenzunehmen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Begehren, die der Berufungskläger beim Amtsgerichtspräsidenten
gestellt hat, sind auf den Erlass von Eheschutzmassnahmen im Sinne von Art.
169 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. ZGB

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gerichtet. In diesem Sinne haben die kantonalen Instanzen sie denn auch
behandelt.
2.- Auf Grund von Art. 58 des frühern Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege (aOG) und der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes hat das
Bundesgericht Entscheidungen über Massnahmen zum Schutze der ehelichen
Gemeinschaft in ständiger Rechtsprechung als mit der Berufung nicht anfechtbar
erklärt (BGE 43 II 275, 68 II 245). An diesem Zustande wollte das am 1. Januar
1945 in Kraft getretene neue Organisationsgesetz vom 16. Dezember 1943 (OG)
nichts ändern. Die Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1943 erklärt
ausdrücklich, dass Wünsche nach einem Ausbau durch Ausdehnung der
Bundesrechtspflege auf weitere Materien im bundesrätlichen Gesetzesentwurf
(der im wesentlichen Gesetz geworden ist) nicht haben berücksichtigt werden
können und übrigens in der Expertenkommission von keiner Seite aufgegriffen
worden seien (BBl 1943 S. 103). Die Art. 48 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. OG erweitern den Kreis der
berulungsfähigen Entscheide gegenüber Art. 58 aOG nur insofern, als gewisse
Vor- und Zwischenentscheide, die gemäss Art. 58 Abs. 2 aOG erst zusammen mit
dem Haupturteil anfechtbar gewesen waren, nun unmittelbar mit der Berufung
weitergezogen werden können. Dass das neue OG bei der Regelung der Frage,
welche Entscheide mit der Berufung anfechtbar sind, den Begriff des
Haupturteils (Art. 58
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
aOG) durch denjenigen des Endurteils (Art. 48
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
OG)
ersetzt hat, bedeutet sachlich keine Änderung. Der neue Ausdruck wurde
gewählt, um im Anschluss an die Praxis zu Art. 58 aOG klarzustellen, dass
neben den Urteilen, die über den eingeklagten zivilrechtlichen Anspruch
materiell entscheiden, auch solche Urteile weiterziehbar sind, die wegen
Fehlens einer Prozessvoraussetzung auf die Sache selbst nicht eintreten,
sofern der Berechtigte dadurch von der Verfolgung seines Anspruches endgültig
ausgeschlossen wird (BBl 1943 S. 122; vgl. BGE 53 III 184 E. 1 und dortige
Zitate). Bisher nicht berufungsfähige

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Entscheide der Berufung zu unterwerfen, war mit der erwähnten Bezeichnung
nicht bezweckt. Unter dem neuen OG ist daher die Berufung gegen Entscheide in
Eheschutzsachen ebensowenig wie unter dem frühern OG zulässig.
3.- Die Berufungsschrift enthält keine Rügen, die gemäss Art. 68
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
OG mit der
zivilrechtlichen Nichtigkeitsbeschwerde erhoben werden könnten. Auch dem
Eventualantrage, die Rechtsvorkehr als Nichtigkeitsbeschwerde zu behandeln,
kann daher nicht entsprochen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 1. - Voir aussi no 1.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 II 55
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 05. Januar 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 II 55
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Entscheidungen über Eheschutzmassnahmen (Art. 169 ff. ZGB) können auch nach dem neuen OG mit der...


Gesetzesregister
OG: 48  58  68
ZGB: 169 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
BGE Register
43-II-275 • 53-III-182 • 68-II-245 • 72-II-55
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • kantonales rechtsmittel • bundesrechtspflegegesetz • mann • rechtsvorkehr • entscheid • nichtigkeitsbeschwerde • eheschutz • ehegatte • gerichts- und verwaltungspraxis • zwischenentscheid • zivilrechtlicher anspruch • getrenntleben • gesetzesentwurf • scheidungsklage • expertenkommission • frage • mutter • kreis • eheliche gemeinschaft • ehe • zitat • vorsorgliche massnahme • dauer • prozessvoraussetzung • erste instanz
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BBl
1943/103 • 1943/122