S. 345 / Nr. 52 Erbrecht (d)

BGE 72 II 345

52. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. November 1946 i.S. Felder gegen Erben
Schnider.


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Regeste:
Bäuerliches Erbrecht, Art. 620 f . ZGB.
1. Klage auf Zuweisung muss gegen alle Miterben, nicht nur gegen Mitbewerber
gerichtet werden.
2. Stirbt eine Prozesspartei, so fällt das Verfahren (auch noch vor
Bundesgericht) einschliesslich schon ergangener Urteile als gegenstandslos
geworden dahin.
Droit successoral paysan, art. 620 s. CC.
1. La demande en attribution doit être intentée à tous les cohéritiers et non
seulement aux compétiteurs.
2. En cas de décès d'une partie, toute la procédure devient caduque y compris
les jugements déjà rendus.
Diritto successorio rurale.
1. La domanda di attribuzione dev'essere diretta contro tutti i coeredi e non
soltanto contro quelli che si sono messi in competizione.
2. Se una parte muore in pendenza di causa, tutta la procedura diventa caduca,
comprese le sentenze già prolate.

Frau Felder Schnider bewarb sich um Zuweisung des von ihrer kinderlosen
Schwester hinterlassenen landwirtschaftlichen Gewerbes in Flühli nach
bäuerlichem Erbrecht; die 6 übrigen Geschwister, worunter der Bruder Niklaus
Schnider, beantragten in erster Linie Veräusserung des Heimwesens an den
bisherigen Pächter Schaller, eventuell erhoben sie alle selber darauf
Anspruch. Die Schatzungskommission teilte das Heimwesen dem Bruder Niklaus zu.
Von der Möglichkeit der Anfechtung dieser Verfügung machte einzig Frau Felder
Gebrauch, indem sie beim Amtsgericht gegen Niklaus Schnider Klage auf
Zuteilung der Liegenschaft an sie einreichte. Sowohl das Amts- als das
Obergericht haben ihre Klage abgewiesen. Fünf Tage nach Fällung des Urteils
des Obergerichts starb der Beklagte, worauf die Klägerin die vorliegende
Berufung an das Bundesgericht einlegte mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts sei zufolge des seither eingetretenen Todes des Beklagten
aufzuheben und das Verfahren als gegenstandslos zu erklären; eventuell sei der
Entscheid der Schatzungskommission in dem Sinne

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abzuändern, dass das Heimwesen der Klägerin zugewiesen werde.
Die Erben des verstorbenen Beklagten, nämlich seine Frau und zwei Töchter,
erklärten den Rechtsstreit fortsetzen zu wollen und beantragen Abweisung der
Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Mit ihrer Klage hat die Klägerin einmal den Anspruch des Beklagten auf
Übernahme der Liegenschaft bestritten und ausserdem zugleich einen eigenen
Anspruch auf Zuteilung geltend gemacht.
a) Das letztere Begehren der Klägerin auf Zuteilung des Heimwesens an sie
selber hätte von den kantonalen Instanzen nicht anhand genommen werden sollen,
da es nicht nur gegen den Beklagten als Mitbewerber, sondern auch gegen die
übrigen Miterben hätte gerichtet werden müssen. Denn damit, dass diese gegen
die von der Schatzungskommission verfügte Zuteilung an den Beklagten keine
Klage einleiteten, anerkannten sie lediglich den Anspruch dieses Bruders auf
Übernahme der Liegenschaft, nicht aber eventuell ­ d.h. für den Fall des
Ausscheidens desselben als Übernehmer ­ die Berechtigung der Klägerin auf
Übernahme. Durch eine gegen den Bruder allein gerichtete Klage konnte
bezüglich des Anspruchs der Klägerin kein für alle Beteiligten verbindlicher
Entscheid herbeigeführt werden. Eine Zuteilung der Liegenschaft an die
Klägerin gemäss ihrem Eventualberufungsantrag käme schon deshalb nicht in
Frage.
b) Der Anspruch des Erben auf Übernahme eines Heimwesens gemäss Art. 620 f .
ZGB wird, weil er von der persönlichen Eignung des Ansprechers abhängig ist
(Art. 620 Abs. 1) und im Bestreitungsfalle unter Berücksichtigung seiner
persönlichen Verhältnisse beurteilt werden muss (Art. 621 Abs. 1), nicht
vererbt. Der Anspruch des Beklagten ist mithin bei seinem Tode nicht auf seine
Erbinnen übergegangen; diese können daher den Prozess nicht

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fortführen. Der Wegfall des Beklagten als Ansprecher und als Prozesspartei
wegen Todes hat, gleichwie nach der Praxis der Tod einer Partei im
Scheidungsprozess (BGE 46 II 179) und im Verfahren betr. Kinderzuteilung
(Urteil vom 29. September 1944 i.S. Schocher), zur Folge, dass das Verfahren
als gegenstandslos geworden dahinfällt, und zwar nicht nur bezüglich der
vorliegenden Berufung, sondern auch was den dem Tode des Beklagten
vorausgegangenen Teil des Prozesses anbelangt. Dem ist dadurch Rechnung zu
tragen, dass ­ gemäss dem Berufungshauptantrag ­ der Entscheid der Vorinstanz
aufgehoben wird, ansonst es bei diesem sein Bewenden hätte, was praktisch auf
eine Zuteilung der Liegenschaft an die Erbinnen des verstorbenen Beklagten
hinausliefe.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil, ausser im
Kostenpunkte, aufgehoben und das Verfahren als gegenstandslos erklärt.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 72 II 345
Date : 01. Januar 1946
Published : 07. November 1946
Source : Bundesgericht
Status : 72 II 345
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Bäuerliches Erbrecht, Art. 620 f. ZGB.1. Klage auf Zuweisung muss gegen alle Miterben, nicht nur...


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ZGB: 620
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