S. 29 / Nr. 7 Obligationenrecht (d)

BGE 72 II 29

7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. Februar 1946 i. S.
Terri-Schokoladen A.-G. gegen Sugro A.-G.

Regeste:
Kauf amerikanischer Waren «fas New York» mit Navicertklausel. Bedingte
Obligation: Ausfall der Bedingung. Angemessene Begrenzung der Schwebezeit nach
Treu und Glauben durch den Richter. Art. 151 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 151 - 1 Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
1    Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
2    Für den Beginn der Wirkungen ist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss.
. OR., Art. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
ZGB.
Achat de marchandises américaines «fas New York», avec clause de navicert.
Obligation conditionnelle: défaillance de la condition; le juge doit limiter
la période de suspension d'après les règles de la bonne foi. Art. 151 ss CO et
2 CC.

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Acquisto di merci americane «fas New York» con clausola di navicert.
Obbligazione condizionale; condizione caduca; il giudice deve limitare il
periodo di sospensione secondo le norme della buona fede. Art. 151 e seg. CO e
2 CC.

Aus dem Tatbestand:
A. - Die Beklagte, eine Importunternehmung, verkaufte der Klägerin, die eine
Schokoladenfabrik betreibt, am 2. /4. September 1940 zunächst 10 und am 21.
/23 Oktober 1940 ferner 20 Tonnen amerikanische Kakaobutter (Abschlüsse I und
II). Der Kaufpreis wurde in beiden Verträgen gleich hoch festgesetzt fas (free
alongside ship) New York. Die Verkaufsbestätigung der Beklagten wurde im
Doppel von der Klägerin unterzeichnet. Sie enthält in beiden Fällen folgende
Bestimmungen: «Zahlungsbedingungen: im voraus an die Gondrand Shipping Co.,
New York, sobald das Verschiffungsdatum festgelegt ist. ­ Besondere
Bedingungen: Voraussetzung für die Durchführung des Geschäfts ist in erster
Linie die Erteilung eines Navicerts seitens der englischen Regierung.
Ausserdem verweisen wir auf beigefügtes Schreiben.» In dem zugehörigen
Begleitschreiben wurde festgelegt, dass die Beklagte die Ausstellung des
Navicerts, die Verschiffung der Ware bis Genua und deren Weiterleitung nach
St. Gallen, dem Sitz der Klägerin, sowie die Versicherung mit Einschluss des
Kriegsrisikos übernehme, d. h. besorge, alles jedoch auf Kosten der Klägerin.
Vorgedruckt war in beiden Verkaufsbestätigungen eine Force-Majeure-Klausel.
Unter der Rubrik «Lieferung» heisst es beim ersten Kauf: «Verschiffung mit
Dampfer Mount Taurus wahrscheinlich im Oktober»; beim zweiten: «Januar 1941/
Verschiffung ab New York».
Vor dem ersten Kaufsabschluss hatte die Klägerin die Erwartung geäussert, der
Bundesrat werde alles daran setzen, die Frage der Erteilung von Navicerts, d.
h. von Bewilligungen der englischen Blockadebehörden zum Warentransport aus
überseeischen Ländern nach der Schweiz, mit England zu regeln.

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B. - Die Beklagte kaufte ihrerseits die nötigen Kakaobuttermengen bei der
Firma Rockwood & Co. in New York und liess durch diese nach jedem der beiden
Abschlüsse mit der Klägerin die Gesuche um Navicerts stellen. Doch wurde ein
erstes Gesuch für den Abschluss I bereits Ende September 1940 abgewiesen. Das
gleiche Schicksal hatte im folgenden Monat das unter Nr. 7020 erneuerte
Gesuch, ebenso das Gesuch Nr. 7377 für den Abschluss II. Im Dezember 1940
wurden, anstelle der abgewiesenen, zwei neue Gesuche Nr. 8929 (für 10 t) und
8934 (für 30 t) gestellt.
Die Beklagte hatte noch keinen Bescheid über deren Erledigung, als im März
1941 das Navicertverfahren neu geregelt wurde im Sinne einer kontingentierten
Zuteilung von Waren an die Schweiz. Auf das Drängen der Klägerin, nun neue
Schritte zur Erwirkung von Navicerts zu unternehmen, schrieb ihr die Beklagte
am 24. März 1941:
«..... dass wir bereits Nachricht bekommen haben, es bestünde in absehbarer
Zeit eine gewisse Chance dafür, dass die Engländer endlich wieder Navicerts
bewilligen. Sobald wir darüber etwas Definitives vernehmen, geben wir Ihnen
sofort weitere Nachrichten.»
C. - Auf ein Ansuchen der Beklagten vom 31. März 1941 telegraphierten Rockwood
& Co. am 1. April zurück: «Regret have no contracts with you. All pending
cancelled when navicerts rejected.» (Bedauern, haben keine Kontrakte mit
Ihnen. Alle schwebenden wurden annulliert, als Navicerts verweigert wurden).
Hierauf schrieb die Beklagte der Klägerin am 2. April, ihre amerikanischen
Lieferanten teilen mit, dass die Bestellungen von 10 und 20 Tonnen Kakaobutter
annulliert worden seien, «da Navicerts für die betreffenden Posten von den
britischen Behörden nicht erteilt wurden. Wir müssen Sie bitten, deshalb diese
Geschäfte als annulliert zu betrachten». Die Klägerin widersetzte sich der
Aufhebung der Abschlüsse und beharrte darauf, dass die Beklagte weiterhin
lieferungspflichtig sei.

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D. - Erst am 13. Juni 1941 erhielt die Beklagte ein Navicert für Kakaobutter,
und zwar für 35 Tonnen. Sie bestellte diese Menge bei Rockwood & Co. zu
beträchtlich höherem Preis. Im September 1941 gelangte die Ware in die
Schweiz. Davon gab die Beklagte der Klägerin gemäss einer Verteilungsliste 6
Tonnen ab, gleichfalls zu höherem Preis. Bei dieser Regelung behielt sich die
Klägerin die Rückforderung des Preisunterschiedes gegenüber den Abschlüssen I
und II vom September und Oktober des Vorjahres wie auch deren Geltendmachung
für die übrigen 24 Tonnen vor.
E. - Im Oktober 1941 verlangte die Klägerin von der Beklagten eine Erklärung,
dass sie die Abschlüsse I und II zu den vertraglichen Preisen erfüllen werde.
Sie drohte eine Schadenersatzforderung von Fr. 120,000.­ an. Die Beklagte
bestritt Erfüllungs- und Schadenersatzpflicht.
Die vorliegende Klage vom 7. November 1941 lautete anfänglich auf eine
Schadenersatzforderung von Fr. 101,050 nebst Zins, eventuell einen durch
gerichtliche Expertise oder nach richterlichem Ermessen zu bestimmenden
Betrag. Die Beklagte bestritt den Anspruch. Das Zivilgericht des Kantons
Basel-Stadt sprach der Klägerin Fr. 7973.50 zu, das ist der Preisunterschied
auf den 6 gelieferten Tonnen. Das Appellationsgericht wies indessen mit Urteil
vom 25. Mai, zugestellt am 17. Oktober 1945, die Klage ganz ab.
F. - Die Klägerin hat Berufung an das Bundesgericht eingelegt. Sie bemisst
ihre Forderung nunmehr noch auf Fr. 64,948.-, eventuell Fr. 44,347.40 nebst
Zins. Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Entscheidung hängt von der rechtlichen Bedeutung, vom Sinn und von der
Tragweite der Navicertklausel ab.
Die Klägerin nimmt den Standpunkt ein, es handle sich nicht um eine
vertragliche Bedingung im Sinne von

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Art. 151 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 151 - 1 Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
1    Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
2    Für den Beginn der Wirkungen ist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss.
. OR. Die Klausel weise einfach auf die wegen der englischen
Blockade gegebenen Schwierigkeiten hin, wie sie damals eben bestanden. Auch
ohne die Klausel hätte man auf das Erfordernis eines Navicerts Rücksicht
nehmen müssen. Es frage sich somit nur, ob die Erfüllung der beiden
Kaufverträge wegen Nichterteilung des Navicerts objektiv unmöglich geworden
sei. Das hätte die Beklagte nach Art. 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
OR zu beweisen.
Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Die Klausel erwähnt die
Blockade-Vorschriften nicht nur nebenbei. Sie erklärt die Erteilung eines
Navicerts als Voraussetzung für die Durchführung des Geschäftes. Damit ist
klar ausgedrückt, dass der Kauf nur unter der Bedingung der Erteilung eines
Navicerts erfüllt werden solle, dass er also nur unter dieser Bedingung gelte.
An sich handelte es sich in beiden Fällen um einen Gattungskauf. Dieser hätte
trotz der Blockadevorschriften unbedingt geschlossen werden können. Die
Vereinbarung hätte dahin gehen können, der Kauf sei ohne Rücksicht auf die
Schwierigkeiten der Einfuhr nach der Schweiz ohne weiteres in New York
erfüllbar. In diesem Falle hätte die Klägerin die Ware dort erhalten und auch
bezahlen müssen, und es wäre ihre Sache gewesen, sie entweder in Amerika
weiterzuverkaufen oder die Einfuhr nach der Schweiz wenn möglich zu
bewerkstelligen. Einen solchen unbedingten Kauf wollte aber die Klägerin nicht
abschliessen, wie aus ihrem Brief an die Beklagte vom 30. August 1940
hervorging. Darin erklärte sie sich zur Stellung eines Akkreditivs in New York
bereit, bedang sich aber aus, dass die Auszahlung nur gegen die
Verschiffungsdokumente erfolge. «Selbstverständlich haben wir nur dann ein
Interesse, Kakaobutter zu kaufen und zu bezahlen, wenn wir die Gewähr dafür
besitzen, dass die Ware auf mehr oder weniger gesichertem Wege auch wirklich
hereinzubringen ist. Kakaobutter in Amerika effektiv zu kaufen und zu
bezahlen, bevor dieselbe wirklich verschifft werden kann, hat für uns kein
Interesse». Voraussetzung der Verschiffung war aber das Navicert als

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«Blockadefreipass», wie es in den Akten auch genannt wird. Mit der Klausel:
«Voraussetzung für die Durchführung des Geschäftes ist in erster Linie die
Erteilung eines Navicerts seitens der englischen Regierung» wurde die
Möglichkeit der einwandfreien Verschiffung mittels Navicerts zur vertraglichen
Bedingung erhoben. Es konnte nur eine aufschiebende Bedingung sein. Beim
Vertragsschluss hatten die Parteien ja noch kein Navicert. Sie sahen vor, dass
die Beklagte sich um dessen Erhältlichmachung zu bemühen habe. Nur und erst
wenn der erstrebte Erfolg erzielt sein würde, sollte das Geschäft zur
Durchführung kommen.
Die Parteien waren darüber einig, dass die Verschiffung nicht etwa ohne
Navicert versucht werden solle. Sie gingen davon aus, dass der Vertrag, so wie
sie ihn erfüllen wollten, bis auf weiteres unerfüllbar war und dass er nur
allenfalls später, im Falle der Erteilung eines Navicerts, zu erfüllen sei.
Es braucht daher nicht erörtert zu werden, was für Abmachungen zu dem Zwecke
getroffen werden können, um über die Anwendung von Art. 119
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
OR Klarheit zu
schaffen. Tatbestände, die unter diesen Gesichtspunkt fallen, sind in den
vorliegenden Verträgen in der Force-Majeure-Klausel vorgesehen. Davon hebt
sich schon durch die Einreihung unter die Rubrik «Besondere Bedingungen»
(«Bedingung» im Sinne von Bestimmung) die Navicertklausel als etwas anderes
und Eigenartiges ab. Auch ihrem Wesen nach besteht zwischen den beiden
Klauseln ein grundsätzlicher Unterschied. Fälle höherer Gewalt sind nicht
voraussehbare Ereignisse der Zukunft. Die Blockade aber bestand bereits, und
mit der Navicertklausel gaben die Parteien dem Willen Ausdruck, den Kauf nur
bei Erwirkung des zur Überwindung der Blockadeschwierigkeiten geeigneten
Navicerts gelten zu lassen.
Nur für den Fall des Eintritts dieser Bedingung waren die 10 und 20 Tonnen
Kakaobutter gekauft. Nur wenn sich die Bedingung erfüllte, musste die Ware
geliefert und bezahlt werden. Der Annahme eines aufschiebend

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bedingten Kaufes steht auch nicht etwa entgegen, dass die Parteien sich ohne
weiteres zu gewissen Handlungen verpflichteten und diese auch vornahmen. Die
Klägerin stellte für Rechnung der Beklagten ein Akkreditiv, und die Beklagte
liess die Gesuche um die Navicerts stellen. Das waren rechtlich nicht
Ausführungshandlungen, sondern nur Vorwirkungen des Vertrages. Durch die
Stellung des Akkreditivs bezeugte die Klägerin die Ernsthaftigkeit ihres
Erfüllungswillens, aber eben nur für den Fall der Erwirkung des Navicerts. Und
die Beklagte unternahm es, die erwähnte Bedingung herbeizuführen durch das
hiefür notwendige Gesuch, dessen Gutheissung aber keineswegs sicher zu
erwarten war. Die vertragliche Gebundenheit war mit dem Vertragsschluss
gegeben, aber die beidseitige Leistungspflicht, die Erfüllung der eigentlichen
Vertragsleistungen, war, wie dargetan, aufschiebend bedingt.
Die Vorinstanzen stellen zudem fest, dass der innere Wille der Parteien auf
nichts anderes als einen aufschiebend bedingten Kauf gerichtet war. Sie ziehen
hiebei neben dem Wortlaut der Klausel die Vorverhandlungen und die
Begleitumstände der Vertragsabschlüsse in Betracht. Das Bundesgericht hat
diese Tatfrage nicht zu überprüfen (Art. 63 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
OG; BGE 69 II 319). Die
Würdigung der Vertragsmeinung der Parteien durch die Vorinstanzen ist übrigens
einleuchtend, namentlich angesichts des bereits erwähnten Briefes der Klägerin
vom 30. August 1940.
2.- Wie lange es gehen werde, bis über die Erteilung oder Ablehnung des
Navicerts entschieden wäre, stand beim Abschluss der beiden Kaufverträge
dahin.
Damit erhebt sich die Frage, bis wann die Parteien gebunden sein sollten, wie
lange sie zuwarten wollten oder zuzuwarten hatten, bis sich entschied, ob die
Navicerts erteilt würden oder nicht, die Frage also, bis wann der
Schwebezustand der aufschiebend bedingten Verträge dauern sollte. Davon hängt
das Schicksal der Klage in erster Linie ab.
Dass ein Kaufgeschäft auf unbegrenzte Zeit in der

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Schwebe bleiben solle, kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht angenommen
werden. Auffallenderweise enthalten die Verträge der Parteien keine
ausdrückliche Bestimmung über diesen Punkt. Die Klägerin vertritt deswegen und
mit Hinweis auf die Umstände bei Abschluss der Verträge die Ansicht, die
Geschäfte seien für beide Parteien unbefristet gewesen, d. h. beide hätten auf
unbegrenzte Zeit zuzuwarten gehabt und seien an die Abmachungen zeitlich
unbeschränkt gebunden gewesen.
Die Tragweite einer Bedingung ist entsprechend der allgemeinen Regel nicht
bloss nach dem Wortlaut, allenfalls nach dem mangelhaften oder lückenhaften
Wortlaut, sondern nach der zugrunde liegenden Absicht der Parteien zu
beurteilen. Hiefür fällt der Zweck des Geschäftes ins Gewicht. Bei Geschäften
des täglichen Lebens und Handels ist vor allem Treu und Glauben entscheidend.
Der französische Code civil enthält in Art. 1176 die Regel: «S'il n'y a point
de temps fixe, la condition peut toujours être accomplie». Damit ist aber
nicht gesagt, dass «le temps fixe», d. h. der Endpunkt der Schwebezeit,
ausdrücklich stipuliert sein müsse. Jedenfalls ist für das schweizerische
Handelsrecht, das den Grundsätzen von Treu und Glauben untersteht, davon
auszugehen, dass eine zeitliche Begrenzung auch stillschweigend vereinbart
werden kann. Dabei braucht es sich nicht notwendig um einen kalendermässig
bestimmten Tag zu handeln. Oft ergibt sich durch Auslegung ein «angemessener
Zeitraum, innerhalb dessen das bedingende Ereignis eintreten oder nicht
eintreten soll». Nur «in Ermangelung eines ausdrücklich oder stillschweigend
vereinbarten Zeitraums kann die positive Bedingung nach noch so langer Zeit in
Erfüllung gehen» (v. TUHR OR II 658).
Dabei fallen alle Mittel der Auslegung in Betracht. Der stillschweigenden
Vereinbarung ist der Fall gleichzusetzen, wo ein wirklicher Parteiwille gar
nicht vorliegt, jedoch nach den Umständen eine Lücke des Vertrages anzunehmen
und vom Richter durch Festsetzung einer angemessenen

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Schwebezeit auszufüllen ist. So kann es sich etwa verhalten, wenn sich die
Parteien den baldigen Eintritt des bedingenden Ereignisses als wahrscheinlich
vorgestellt haben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob der Vertrag auch
gelten solle, wenn das Ereignis oder die Gewissheit des Nichteintrittes länger
auf sich warten lässt. In einem solchen Falle kann eine Fortdauer der
Schwebezeit unter Umständen dem mutmasslichen Parteiwillen entsprechen: dem
Willen, den die Parteien mutmasslich gehabt und bekundet hätten, wenn sie mit
einer solchen Gestaltung der Verhältnisse gerechnet hätten. Aber anderseits
würde man diesem Willen Gewalt antun, wenn man beim Fehlen einer bestimmten
Begrenzung eine ganz unbegrenzte Schwebezeit annehmen wollte. Vielmehr ist die
Vertragslücke durch Bemessung der Schwebezeit nach den Umständen auszufüllen.
Bei der Entscheidung spielt neben besondern Umständen des Falles die Natur des
Vertrages und dessen normale Art der Abwicklung eine Rolle.
3.- Hier handelt es sich um Kaufverträge, die normalerweise rasch vollzogen
werden. Wegen der Knappheit der zur Schokoladenfabrikation notwendigen Stoffe
in der Schweiz war eine möglichst rasche Lieferung besonders erwünscht. Die
Klägerin gab der Eile der Angelegenheit wiederholt Ausdruck. Schon in einer
Eingabe vom 14. September 1940 an das eidgenössische
Volkswirtschaftsdepartement schilderte sie die Lage der Schokoladenfabriken
wegen des Mangels an Kakaobutter als besorgniserregend. Nur eben wegen der
Blockadeschwierigkeiten konnten die Verträge nicht zur Ausführung gelangen. Es
ist nun von vorneherein nicht anzunehmen, dass die Parteien länger an die
Verträge gebunden sein wollten als bis voraussichtlich über die sogleich
einzureichenden Navicertgesuche entschieden sein würde. Die Klausel spricht
von der Erteilung eines Navicerts; gemeint ist: durch Gutheissung des
dahingehenden Gesuches. Bei dessen Abweisung fiel die Bedingung aus. Damit war
die Schwebezeit beendigt, der Kauf als nicht rechtswirksam erwiesen. Freilich
haben

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die Parteien diese Konsequenz dann bei Abweisung der ersten Gesuche nicht
gezogen. Die Gesuche wurden erneuert, und die Parteien wurden weiterhin bei
Behörden vorstellig. Aber daraus darf nicht geschlossen werden, die Verträge
sollten nun einfach so lange in der Schwebe bleiben, als die Möglichkeit,
weitere Navicertgesuche zu stellen, überhaupt noch bestand. Vielmehr durfte
dann jedenfalls auf das Ergebnis der Gesuche vom Dezember 1940 abgestellt
werden, welche die Beklagte am 7. Januar 1941 auch der schweizerischen
Zentrale für Lebensmittelimporteure (Cibaria) mit Angabe der Nummern der
Garantiezertifikate meldete. Die Vorinstanz stellt fest, dass diese Gesuche am
2. April 1941, als die Beklagte sich von den beiden Kaufverträgen lossagte,
abgewiesen waren. Das ist keineswegs «aktenwidrig», wie die Klägerin
behauptet, noch liegt ein offensichtliches Versehen vor, worauf es nach dem
neuen OG (Art. 63 Abs. 2) allein ankommen könnte. Vielmehr beruht die
Feststellung auf der Würdigung der Akten, insbesondere der verschiedenen
Mitteilungen der Rockwood & Co. an die Beklagte über die erfolgte Abweisung
der Gesuche.
Daran ändert es nichts, dass die Beklagte unablässig um die Erhältlichmachung
von Navicerts weiterhin bemüht war, auch nach Einführung des neuen Verfahrens.
Das konnte im Hinblick auf neu abzuschliessende Kaufverträge geschehen. Auch
hatte die Beklagte noch weitere Kunden für Kakaobutter. Der Vorinstanz ist
auch darin beizustimmen, dass die Beklagte in ihrem Brief vom 24. März 1941
keine neuen Verpflichtungen eingegangen war. Dieser Brief betraf nicht die
Frage, wie lange die alten Verträge noch in der Schwebe bleiben sollten. Er
sprach nur von gewissen Chancen der Erteilung von Navicerts. Das konnte für
die Klägerin angesichts ihres ständigen Warenbedarfs auch Bedeutung haben für
den Fall, dass sie die Ware nicht mehr zum alten Preis, sondern auf Grund
eines neuen Abschlusses zu beziehen hätte. Als die Firma Rockwood & Co. der
Beklagten die Abweisung der

Seite: 39
Navicertgesuche meldete und ihrerseits von einer Erfüllung der bestehenden
Verträge nichts mehr wissen wollte, machte die Beklagte am 2. April 1941 den
Ausfall der Bedingung sogleich geltend. Damit waren die beiden Verträge
erledigt, und es kam nur noch der Abschluss neuer Kaufverträge in Frage. Seit
den Abschlüssen vom September und Oktober 1940 waren übrigens 7 bzw. mehr als
5 Monate verstrichen, für einen an sich sofort vollziehbaren Handelskauf also
eine sehr lange Zeit.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt vom 25. Mai 1945 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 II 29
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 12. Februar 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 II 29
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Kauf amerikanischer Waren «fas New York» mit Navicertklausel. Bedingte Obligation: Ausfall der...


Gesetzesregister
OG: 63
OR: 119 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 119 - 1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
1    Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.
2    Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.
3    Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.
151
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 151 - 1 Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
1    Ein Vertrag, dessen Verbindlichkeit vom Eintritte einer ungewissen Tatsache abhängig gemacht wird, ist als bedingt anzusehen.
2    Für den Beginn der Wirkungen ist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Bedingung in Erfüllung geht, sofern nicht auf eine andere Absicht der Parteien geschlossen werden muss.
ZGB: 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
1    Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.
2    Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.
BGE Register
69-II-319 • 72-II-29
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • bedingung • frage • bundesgericht • vorinstanz • stelle • brief • wille • englisch • blockade • treu und glauben • lieferung • dauer • berechnung • sprache • einfuhr • basel-stadt • zins • monat • amerika • unternehmung • bewilligung oder genehmigung • knappheit • entscheid • zahl • zahlung • sachmangel • vertragsabschluss • richterliche behörde • beendigung • annahme des antrags • voraussetzung • ware • konkursdividende • offensichtliches versehen • schokolade • leben • verhalten • menge • ermessen • vorwirkung • besteller • wiese • tag • wissen • kaufpreis • bundesrat • norm • höhere gewalt • zivilgericht • objektive unmöglichkeit • innerhalb • tatfrage • gewicht
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