BGE 71 IV 43
10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Februar 1945 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Imhof.
Seite: 43
Regeste:
Art. 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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3 | Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.435 |
1. Ein strafbares falsches Zeugnis liegt nicht vor, wenn die Aussage ungültig
ist.
2. Ob die Nichtbeachtung von Formvorschriften bei der Einvernahme das Zeugnis
ungültig macht, sagt das Prozessrecht. Es braucht die Ungültigkeit aber nicht
ausdrücklich vorzuschreiben; sie kann sich auch aus seiner Auslegung ergeben.
3. Begriff der Ungültigkeit des Zeugnisses.
Art. 307 CP.
1. Il n'y a pas de faux témoignage punissable lorsque la déposition est nulle.
2. C'est le droit de procédure qui dit si l'inobservation des prescriptions de
forme par le juge qui reçoit le témoignage rend celui-ci nul. Il n'est pas
nécessaire que la nullité soit expressément prévue; elle peut aussi résulter
de l'interprétation de la loi.
3. Notion de la nullité du témoignage.
Art. 307 CP.
1. Il reato di falsa testimonianza non è perfetto allorquando la deposizione
sia nulla.
2. Se l'inosservanza di un disposto reggente l'assunzione della prova
testimoniale abbia per effetto la nullità della testimonianza, è questione che
si risolve alla luce del diritto procedurale, non è però necessario che la
sanzione di nullità sia espressamente contemplata dalla legge: essa può essere
inferita anche in via d'interpretazione.
3. Nozione della nullità della testimonianza.
Aus den Erwägungen:
Wie der Kassationshof in BGE 69 IV 219 ff. ausgesprochen hat, ist die
Befolgung der Formvorschriften, welche nach kantonalem Recht bei der
Zeugeneinvernahme zu beachten sind, nicht von Bundesrechts wegen Voraussetzung
der Strafbarkeit des falschen Zeugnisses, jedoch kann das kantonale
Prozessrecht, wie Art. 83 BStrP es für das Bundesstrafverfahren tut,
Zeugenaussagen, die unter Verletzung von Formvorschriften zustande gekommen
sind, als ungültig erklären, mit der Folge, dass dann überhaupt kein Zeugnis
und infolgedessen auch kein strafbares falsches Zeugnis im Sinne des Art. 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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3 | Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.435 |
StGB vorliegt.
Soweit die Strafbarkeit einer Zeugenaussage von deren
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Gültigkeit abhängt, ist somit ausschliesslich das kantonale Prozessrecht
massgebend. Dieses bestimmt, welche Formen bei der Zeugeneinvernahme zu
beachten sind und welche Folgen ihre Nichtbeachtung für die Gültigkeit der
Aussage nach sich zieht. Dabei ist es entgegen der Auffassung der
Staatsanwaltschaft nicht so, dass von Bundesrechts wegen Ungültigkeit der
Aussage nur dann anzunehmen wäre, wenn das kantonale Recht sie ausdrücklich
vorsieht. Die Ungültigkeit kann sich, wie grundsätzlich jede Rechtsregel, auf
dem Wege der Auslegung als Sinn der kantonalen Vorschriften ergeben, sei es
aus ihrem eigenen Gehalte oder aus der Entstehungsgeschichte, sei es aus dem
Zusammenhang mit anderen Bestimmungen oder aus dem Geiste der ganzen
Prozessordnung. Wieso das auf eine ungleiche Anwendung des materiellen
Strafrechts hinauslaufen sollte, ist nicht einzusehen. Entweder ist eine
Aussage nach dem kantonalen Recht gültig oder ungültig, und dementsprechend
ist sie, wenn falsch, nach Art. 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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3 | Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.435 |
abgestufte Gültigkeit, je nachdem das kantonale Recht sie mehr oder weniger
ausdrücklich regelt, gibt es unter dem Gesichtspunkt von Art. 307 nicht.
Welches der Inhalt des kantonalen Rechtes ist, sagt nun aber für den
Kassationshof des Bundesgerichtes verbindlich die letzte kantonale Instanz.
Nach Art. 269 BStrP kann die Nichtigkeitsbeschwerde nur damit begründet
werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze; die
Anwendung des kantonalen Rechtes ist der Gerichtsbarkeit des Kassationshofes
entzogen. Wenn die Vorinstanz erklärt, dass nach der aargauischen
Prozessordnung der Zeuge auf die Straffolgen der falschen Aussage und auf die
Zeugnisverweigerungsgründe aufmerksam zu machen sei und dass die
Nichtbeachtung dieser Vorschriften die Ungültigkeit der Aussage zur Folge
habe, so ist deshalb die Frage für den Kassationshof endgültig entschieden,
und die Kritik, welche die Staatsanwaltschaft an der vorinstanzlichen
Auslegung der
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kantonalen Vorschriften übt, kann nicht gehört werden. Natürlich muss die
kantonale Behörde vom zutreffenden bundesrechtlichen Begriff der ungültigen
Zeugenaussage ausgegangen sein. Eine ungültige und damit überhaupt keine
Zeugenaussage im Sinne von Art. 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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Aussage bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen darf. Dazu gehört, wie
der Kassationshof bereits in Sachen Guinand ausgesprochen hat (BGE 69 IV 223),
dass das Urteil einer unteren Instanz, welches vorschriftswidrig auf ungültige
Aussagen abstellt, auf dem Rechtsmittelweg bei einer oberen kantonalen Instanz
angefochten werden kann. Denn wenn dies nicht möglich ist, sinkt die
Vorschrift, wonach eine nicht formrichtig zustande gekommene Zeugenaussage vom
Richter unbeachtet gelassen werden muss, zu einer blossen Ordnungsvorschrift
herab. Dann kann nicht mehr von einer ungültigen Aussage gesprochen werden,
zumal die Versuchung, eine einmal vorliegende Aussage zu verwerten, für den
erstinstanzlichen Richter unter Umständen gross ist, wenn er von vorneherein
nicht damit rechnen muss, von einer oberen Instanz ins Unrecht versetzt zu
werden. Demnach könnte nicht eine rechtskräftig verwertete Aussage deswegen,
weil sie richtigerweise nicht hätte berücksichtigt werden sollen, immer noch
als im Sinne von Art. 307
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 307 - 1 Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge, Sachverständiger, Übersetzer oder Dolmetscher zur Sache falsch aussagt, einen falschen Befund oder ein falsches Gutachten abgibt oder falsch übersetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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3 | Bezieht sich die falsche Äusserung auf Tatsachen, die für die richterliche Entscheidung unerheblich sind, so ist die Strafe Geldstrafe.435 |
Für den Kanton Aargau darf aber angenommen werden, dass erstinstanzliche
Urteile, welche auf eine ungültige Aussage abstellen, deswegen bei der oberen
Instanz angefochten werden können. Wäre das nicht der Fall, so hätte die
Staatsanwaltschaft, die ja in der Beschwerdebegründung ausdrücklich auf BGE 69
IV 219 Bezug nimmt, es geltend gemacht.