S. 225 / Nr. 53 Strafgesetzbuch (d)

BGE 71 IV 225

53. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1945 i.S. Müller
gegen Rossi.


Seite: 225
Regeste:
1. Art. 28 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
. StGB. Im Verfahren, in welchem nach zürcherischem Recht durch
die Presse begangene Ehrverletzungen verfolgt werden, liegt der Strafantrag
schon in der vorläufigen Anklage im Sinne des § 295 StrPO (Erw. 1).
2. Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB.
a) Diese Bestimmung schützt nur die persönliche Ehre, nicht auch die Geltung
als Künstler (Erw. 2 und 3).
b) Subjektiver Tatbestand der üblen Nachrede (Erw. 4).
c) Wahrung berechtigter Interessen (Erw. 5).
1. Art. 28 sv. CP. Dans la procédure prévue par le droit zurichois pour la
poursuite des atteintes à l'honneur commises par la voie de la presse,
l'«accusation provisoire» au sons du § 295 CPP constitue déjà plainte pénale
(consid. 1).
2. Art. 173 CP.
a) Cette disposition ne protège que l'honneur personnel de l'individu, non sa
valeur d'artiste (consid. 2 et 3).
b) Conditions subjectives de la diffamation (consid. 4).
c) Sauvegarde d'intérêts légitimes (consid. 5).
1. Art. 28 e seg. CP. Nella procedura prevista dal diritto zurigano in materia
di delitti contro l'onore commessi per mezzo della stampa, l'accusa
provvisoria ai sensi del § 295 CPP è già una querela penale (consid. l).
2. Art. 173 CP.
a) Questa disposizione protegge soltanto l'onore personale dell'individuo, non
il suo valore d'artista (consid. 2 e 3).
b) Condizioni soggettivo della diffamazione (consid. 4).
c) Salvaguardia d'interessi legittimi (consid. 5).

A. ­ In der im Mai 1943 herausgegebenen Nummer 5 der «Kunst-Zeitung» erschien
unter der Überschrift «'Königliches' Motta - Denkmal» folgender vom
Kunsthistoriker Dr. W. Y. Müller verfasste und mit dessen Namen versehene
Artikel: «In Genf steht, in den herrlichen Quai-Anlagen am See, seit dem Jahre
1939 auf hohem Steinsockel die schöne

Seite: 226
Plastik einer jungen Frau, die dem Winde entgegenschreitet. Ihr Blick geht auf
den See, über den, von Lausanne her, die Bise heranfegt. Der Wind weht ihre
Locken zurück und legt das Gewand so fest an den jungen Mädchenkörper, dass
dieser sich in seiner ganzen Schönheit prachtvoll plastisch herausarbeitet.
Das Gewand weht nach hinten, und die linke Hand greift in den Stoff, dass der
Rock nicht allzusehr aufgeblasen werde. Dieses Bewegungsmotiv ist sinnvoll und
dient dem Bildhauer noch dazu, den gesamten Körper nach vorn zu drücken, dem
Wind und dem Gefühl des frischen Lebens preisgegeben. Der Profilkontur, vorn
von besonderer Schönheit, fliesst auch im Rücken in harmonischen Kaskaden des
Gewandes herab. Die Figur ist von Henri König, einem Deutschschweizer
Bildhauer, der in Genf wirkt, geschaffen (Abbildung 2 und 3). ­ Der Bildhauer
Remo Rossi, der kürzlich den ersten Preis für seinen Entwurf zum Mottadenkmal
erhielt (Abbildung 1), kam, wie eingeweihte Genfer Kreise zu erzählen wissen,
ursprünglich mit einem ganz andern Projekt für das Denkmal nach Genf. Dort
wurde er augenscheinlich so nachhaltig beeindruckt von dem Werke Königs, dass
er auf einen eigenen, starken Einfall verzichtete und sich offenbar an das
bereits von einem andern glücklich Erschaffene und praktisch Erprobte hielt.
Die Verwandtschaft von Rossis Mottadenkmal-Entwurf mit der 'Brise' von König
ist frappant. Besonders handgreiflich wird die Anregung im Gewandzapfen, den
sie mit der Linken hält. Im übrigen sind natürlich das fallende Gewand und die
wehenden Hüllen nicht in inhaltliche Beziehungen zu Bundesrat Motta zu
bringen. Die Gewanddrapierung als solche an sich scheint der künstlerischen
Requisitenkammer eines Schaufensterdekorateurs zu entstammen. ­ In Fachkreisen
spricht man darum von einem 'Königlichen' Motta-Denkmal und fragt sich, ob die
zuständigen Instanzen das Denkmal Rossis noch für tragbar erachten.»
Der Artikel war begleitet von einer Abbildung des Entwurfes zu einem
Motta-Denkmal von Rossi und von zwei

Seite: 227
Abbildungen der «Bise» (nicht «Brise») von König, welche beide diese Plastik
vom gleichen Aufnahmeort aus zeigen. Müller stützte seine im Artikel
ausgedrückte Meinung einzig auf die Vergleichung dieser photographischen
Aufnahmen und die Mitteilung des Genfer Kunsthändlers Kasper, wonach König
diesem erzählt habe, Rossi sei mit einem andern Projekt nach Genf gekommen.
B. ­ Am 29. Juli 1943 reichte Rossi beim Bezirksgerichtspräsidium Zürich im
Sinne des § 295 zürch. StrPO vorläufige Anklage wegen Ehrverletzung durch die
Presse ein mit den Anträgen auf Ermittlung und Bestrafung des Verfassers oder
der für die Veröffentlichung des erwähnten Artikels verantwortlichen Personen.
Nachdem der Untersuchungsrichter die Untersuchung durchgeführt hatte, setzte
er Rossi gemäss § 303 StrPO Frist, «um endgültige Anklage gegen eine bestimmte
Person einzureichen, unter der Androhung, dass sonst Abstand von der Klage
angenommen würde». Binnen der Frist reichte Rossi am 13. März 1944 gegen Dr.
Müller «endgültige Anklage» wegen übler Nachrede (Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB) ein.
Am 26. März 1945 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich als
Appellationsinstanz Müller dieses Vergehens schuldig und verurteilte ihn zu
Fr. 200.­ Busse.
C. ­ Dr. Müller hat gegen das Urteil des Obergerichts die
Nichtigkeitsbeschwerde erklärt mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Sache
sei zur Freisprechung, eventuell zur Beweisergänzung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. ­ Die Willenserklärung des Verletzten, dass die Strafverfolgung stattfinden
solle, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes dann Strafantrag, wenn
sie nach dem anwendbaren Prozessrecht die Strafverfolgung in Gang bringt und
das Verfahren ohne weitere Erklärung des Antragstellers seinen Lauf nehmen
lässt. Daher anerkennt das Bundesgericht ein Sühnebegehren nicht als

Seite: 228
Strafantrag, wenn nicht die Strafverfolgung nach fruchtlosem Verlauf des
Sühneversuchs von Amtes wegen fortzusetzen ist (BGE 69 IV 195). Im
Zivilprozess, wo die Fortführung des Verfahrens weitgehend dem Kläger obliegt,
wird im Sühnebegehren nur dann ein Strafantrag erblickt, wenn es den Streit
rechtshängig macht; andernfalls gilt erst die Klage als Strafantrag, denn
dieser, so sagt das Bundesgericht, bedürfe nach seinem ganzen Sinn und Zweck
mehr als einer erstmaligen, vorläufigen Anrufung der Strafverfolgungsbehörden;
die Anrufung müsse endgültig und unbedingt sein (BGE 71 IV 65). Auf diese
Rechtsprechung beruft sich der Beschwerdeführer zur Begründung seines
Standpunktes, dass im Verfahren, in welchem nach zürcherischem Recht durch die
Presse begangene Ehrverletzungen verfolgt werden, erst die endgültige Anklage
im Sinne des § 303, nicht schon die vorläufige Anklage im Sinne des § 295
StrPO den Strafantrag enthalte.
Nach § 295 Abs. 1 StrPO wird die «Anklage», in § 298 als «vorläufige Anklage»
bezeichnet, beim Bezirksgerichtspräsidenten durch Einreichung einer
Anklageschrift anhängig gemacht. Der Bezirksgerichtspräsident entscheidet
vorläufig über ihre Zulassung und ordnet die Untersuchung an (§ 296). Ist in
der vorläufigen Anklage keine bestimmte Person als verantwortlicher Verfasser
genannt, so hat sich die Untersuchung in erster Linie mit der Ermittlung
dieser Person zu befassen (§ 298 Satz 1). Darin erschöpft sich jedoch ihr
Zweck nicht; sie dient nicht nur der Ermittlung der zu verfolgenden Person,
sondern auch der weiteren Abklärung der Sache, was sich unter anderem aus §
302 ergibt, wonach die Parteien bei Vermeidung von Ordnungsbusse verpflichtet
sind, ihre sämtlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel schon im
Untersuchungsverfahren vorzulegen und zu bezeichnen. Wenn die Untersuchung
durchgeführt ist, wird dem Ankläger vom Untersuchungsrichter Frist angesetzt,
um endgültige Anklage gegen eine bestimmte Person einzureichen, unter der
Androhung, dass sonst Abstand angenommen würde. Wenn nun auch diese

Seite: 229
Bestimmung es dem Antragsberechtigten anheimstellt, ob das Verfahren seinen
Fortgang nehmen soll, so fasst doch das Gesetz den unbenützten Ablauf der
Frist nicht als Verzicht auf die Strafverfolgung, sondern als «Abstand» auf.
Abstand aber setzt voraus, dass die Sache rechtshängig ist, nicht erst mit der
«endgültigen Anklage» rechtshängig wird. Dafür spricht auch, dass die
vorausgegangene Untersuchung ausser der Ermittlung der zu verfolgenden Person
dem gleichen Zwecke dient und den gleichen Vorschriften untersteht wie jede
Untersuchung, mit welcher nach zürcherischem Strafprozessrecht die Verfolgung
von Verbrechen und Vergehen beginnt (vgl. § 286 und II. Abschnitt der StrPO).
Die «endgültige Anklage» im Sinne des § 303 erfüllt die Aufgabe der Anklage,
die der Staatsanwalt oder der Privatstrafkläger bei Verfolgung von Verbrechen
oder Vergehen überhaupt nach Abschluss der Untersuchung erheben und mit deren
Zulassung das Hauptverfahren anfängt. Die «vorläufige Anklage» im Sinne des §
295 dagegen entspricht dem der Untersuchung vorausgehenden Strafantrag, mit
welchem gemäss § 24 die Verfolgung anderer Antragsdelikte als der
Ehrverletzungen durch die Presse eingeleitet wird. Sie enthält wie dieser die
unbedingte und vorbehaltlose Willenserklärung, dass die Strafverfolgung
stattfinden solle, denn in der Untersuchung, welche der «vorläufigen Anklage»
folgt und welche im Unterschied zum Sühneversuch der Abklärung des
Tatbestandes und damit der Vorbereitung des Hauptverfahrens dient, liegt
bereits ein Teil der Strafverfolgung. Wenn der «vorläufige Ankläger» die
«endgültige Anklage» nicht erhebt, macht er nach Auffassung des zürcherischen
Gesetzgebers lediglich von dem Rechte Gebrauch, das gemäss Art. 31
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
StGB als
Recht zum Rückzug des Strafantrages bis zur Verkündung des Urteils erster
Instanz jedem Strafantragsteller zusteht und die erneute Anhebung der
Verfolgung selbst dann ausschliesst, wenn die dreimonatige Frist des Art. 29
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.

StGB noch nicht abgelaufen ist. Dass die zu verfolgende Person oft erst

Seite: 230
durch die Untersuchung ermittelt wird und in der «vorläufigen Anklage» nicht
genannt zu werden braucht, hindert nicht, in letzterer Prozesshandlung den
Strafantrag zu erblicken, denn dieser kann nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtes auch gegen einen unbekannten Täter gestellt werden (BGE 68 IV
101
).
Liegt der Strafantrag schon in der Einreichung der vorläufigen Anklage, so ist
er im vorliegenden Falle rechtzeitig gestellt worden.
2. ­ Nach Art. 173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB ist strafbar, wer jemanden bei einem andern eines
unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf
zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt oder eine solche Beschuldigung oder
Verdächtigung weiter verbreitet. Das Verhalten oder die anderen Tatsachen,
welche Gegenstand der Beschuldigung oder Verdächtigung bilden, müssen
unehrenhaft sein, den Ruf des Betroffenen als eines ehrbaren Menschen
schädigen können. Eignen sie sich bloss, seine Fähigkeiten als Künstler in ein
ungünstiges Licht zu rücken, nicht aber, ihn als Mensch verächtlich zu machen,
so ist der, welcher ihm jenes Verhalten oder jene Tatsachen nachredet, nicht
strafbar. Art. 173 will nur die persönliche Ehre, nicht auch die Geltung als
Künstler schützen. Daher steht es unter dem Gesichtspunkt dieser Bestimmung
jedem frei, den Wert eines Kunstwerkes vor Drittpersonen anzuzweifeln oder das
Werk als wertlos hinzustellen, ja sogar zu behaupten, der Künstler habe sich
vom Werke eines andern beeinflussen lassen. Solche Kritik, selbst wenn sie
allgemeiner Anschauung nicht standhält oder objektiv falsch ist, ist nicht
üble Nachrede. Sie muss aber den Ruf des Betroffenen als eines ehrbaren
Menschen unangetastet lassen. Wenn sie nach Inhalt oder Form nicht nur seine
Fähigkeiten als Künstler und den Wert seines Werkes herabsetzt, sondern sich
auch eignet, ihn als Mensch der Verachtung auszusetzen, enthält sie insoweit
einen Angriff auf die strafrechtlich geschützte Ehre (vgl. auch BGE 33 II 237
/238).

Seite: 231
Ein solcher Angriff liegt hier vor. Nach dem Gesagten besteht er entgegen der
Auffassung des Obergerichts nicht darin, dass der Beschwerdeführer geschrieben
hat, Rossi habe auf einen eigenen starken Einfall verzichtet. Der Artikel
lässt es aber nicht bei einer Vergleichung der beiden Werke und bei der
Verdächtigung bewenden, Rossi habe Ideen vom Werke Königs übernommen, sondern
geht nach seinem Tone und seiner ganzen Aufmachung darauf aus, den
Beschwerdegegner als Mensch herunterzumachen. Das geht aus der sensationellen
Schilderung hervor, wonach Rossi, wie eingeweihte Genfer Kreise zu erzählen
wüssten, ursprünglich mit einem ganz andern Projekt für das Denkmal nach Genf
gekommen sei, dort aber augenscheinlich so nachhaltig vom Werke Königs
beeindruckt worden sei, dass er auf einen eigenen starken Einfall verzichtet
und sich offenbar an das bereits von einem andern glücklich Erschaffene und
praktisch Erprobte gehalten habe. Diese Ausführungen sind nicht sachliche
Kritik am Werke, sondern sollen den Eindruck erwecken, der Beschwerdeführer
habe zuerst einen andern Entwurf gehabt und habe diesen deshalb fallen lassen,
weil er in der Nachbildung der «Bise» ein Mittel gefunden habe, mit geringem
Aufwand eigener schöpferischer Kraft zum Erfolg zu kommen. Wäre Rossi so
vorgegangen, so hätte er als ein mit einem Charakterfehler behafteter Mann
gelten müssen.
3. ­ Thema des Wahrheitsbeweises im Sinne des Art. 173 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB ist nicht
die geringere oder grössere Ähnlichkeit der beiden Werke, sondern die Frage,
ob der Entwurf, mit welchem der Beschwerdegegner am Wettbewerb teilgenommen
hat, in der geschilderten, seinen Schöpfer verächtlich machenden Weise
zustande gekommen ist. Diese Behauptung stellt der Beschwerdeführer selber
nicht mehr auf. Nach den vom angefochtenen Urteil auf Grund des Gutachtens
hervorgehobenen Unterschieden zwischen den beiden Werken sowie nach der
verbindlichen Feststellung des Obergerichts, wonach sich der Beschwerdegegner
von der «Bise» überhaupt nicht

Seite: 232
habe beeinflussen lassen, erscheint denn auch der erwähnte Vorwurf als
unhaltbar.
4. ­ Der Beschwerdeführer hat den Artikel mit Wissen und Willen geschrieben
und hat gewusst, dass das Geschriebene sich nach Ton und Inhalt eignete, den
Ruf des Beschwerdegegners als Mensch zu schädigen. Er hat somit vorsätzlich
gehandelt. Dass die erhobene Verdächtigung unwahr sei, brauchte er nicht zu
wissen; das Bewusstsein der Unwahrheit gehört zum Tatbestand der Verleumdung,
nicht zu dem der üblen Nachrede. Für die Frage des Vorsatzes kommt auch nichts
darauf an, ob der Beschwerdeführer sein Urteil über die Ähnlichkeit der beiden
Werke und über den Grund der vermeintlichen frappanten Verwandtschaft bloss
leichtfertig gebildet hat. Der Beschwerdeführer braucht ebenfalls nicht
beabsichtigt zu haben, den Beschwerdegegner zu beleidigen; da die tatsächliche
Schädigung des Rufes nicht zum Tatbestand der üblen Nachrede gehört, braucht
der Vorsatz nicht auf eine solche Schädigung gerichtet zu sein.
5. ­ Der Beschwerdeführer will in Wahrung berechtigter Interessen gehandelt
haben und beruft sich zur Begründung dieses Standpunktes auf die besonderen
Aufgaben der Presse und der Kunstkritik. Die Wahrung berechtigter Interessen
setzt jedoch voraus, dass das verwendete Mittel das richtige sei. Ob nun
überhaupt die Verbreitung wahrheitswidriger rufschädigender Tatsachen jemals
das richtige Mittel für die Erfüllung der wohlverstandenen Aufgabe der Presse
sein kann ­ was der Kassationshof schon in BGE 70 IV 20 ohne abschliessende
Stellungnahme bezweifelt hat ­ braucht nicht entschieden zu werden. Von der
Verwendung eines richtigen Mittels kann schon deshalb nicht die Rede sein,
weil der Beschwerdeführer nicht sorgfältig überprüft hat, ob der gegenüber dem
Beschwerdegegner erhobene Vorwurf richtig sei. Der Beschwerdeführer hat seine
Verdächtigung bloss auf die Vergleichung von je einer photographischen
Aufnahme der Werke und auf die Mitteilung des

Seite: 233
Kunsthändlers Kasper gestützt, wonach König diesem erzählt habe, Rossi sei mit
einem andern Projekt nach Genf gekommen. Die Beschreibung der «Bise» im
eingeklagten Artikel ist denn auch in verschiedener Beziehung falsch, was der
Beschwerdeführer bei Betrachtung des Originals, zum Teil sogar schon bei
aufmerksamer Betrachtung der Photographie, hätte sehen können. Auf die
dürftigen Unterlagen und Angaben hin den Beschwerdegegner in der erwähnten
Weise in der Presse herunterzumachen, war leichtfertig und hätte dem
Beschwerdeführer schon nach der vor dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches
geltenden Rechtsprechung nicht erlaubt, sich der Strafe durch Berufung auf die
Pressfreiheit zu entziehen. Mit den Aufgaben des Kunstkritikers sodann kann
die Tat nicht gerechtfertigt werden, weil der Beschwerdeführer ­ worin gerade
seine strafbare Handlung liegt ­ die Grenzen sachlicher Kritik überschritten
hat.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 71 IV 225
Datum : 01. Januar 1945
Publiziert : 07. Dezember 1945
Quelle : Bundesgericht
Status : 71 IV 225
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : 1. Art. 28 ff. StGB. Im Verfahren, in welchem nach zürcherischem Recht durch die Presse begangene...


Gesetzesregister
StGB: 28 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
1    Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar.
2    Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
3    Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar.
4    Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos.
29 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 29 - Eine besondere Pflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit begründet oder erhöht, und die nur der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma19 obliegt, wird einer natürlichen Person zugerechnet, wenn diese handelt:
a  als Organ oder als Mitglied eines Organs einer juristischen Person;
b  als Gesellschafter;
c  als Mitarbeiter mit selbständigen Entscheidungsbefugnissen in seinem Tätigkeitsbereich einer juristischen Person, einer Gesellschaft oder einer Einzelfirma20; oder
d  ohne Organ, Mitglied eines Organs, Gesellschafter oder Mitarbeiter zu sein, als tatsächlicher Leiter.
31 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 31 - Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird.
173
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
BGE Register
33-II-234 • 68-IV-97 • 69-IV-195 • 70-IV-20 • 71-IV-225 • 71-IV-65
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
anklage • strafantrag • presse • beschwerdegegner • denkmal • strafverfolgung • ehre • kassationshof • richtigkeit • bundesgericht • frist • verhalten • wissen • wille • weiler • vorsatz • strafgesetzbuch • strafantragsteller • beschuldigter • frage
... Alle anzeigen