BGE 71 IV 194
44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. September 1945 i.S. Kalt
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Seite: 194
Regeste:
Art. 217 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben. |
1. Der Unterhaltsbeitrag des ausserehelichen Vaters bleibt auch geschuldet,
wenn das Kind unentgeltlich bei einem Dritten untergebracht ist und daher den
Beitrag vorläufig nicht braucht.
2. Dass die rückständigen Unterhaltsbeiträge im Augenblick des Urteils ein
Kapital ausmachen, steht der Anwendung des Art. 217
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben. |
dessen Voraussetzungen im Augenblick der Fälligkeit des einzelnen Beitrages
erfüllt waren.
Art. 217 al. 2 CP.
1. Le père naturel continue à devoir les aliments à son enfant dans le cas où
celui-ci est entretenu gratuitement par un tiers et n'a donc momentanément pas
besoin du subside.
2. Le fait qu'au moment du jugement les pensions arriérées représentent un
capital ne s'oppose pas à l'application de l'art. 217 CP pourvu que les
conditions de cet article fussent réalisées à l'échéance de chaque
contribution.
Art. 217, cp. 2 CP.
1. Il padre naturale continua ad essere debitore dogli alimenti verso suo
figlio anche nel caso in cui quest'ultimo è mantenuto gratuitamente da un
terzo e non ha quindi, pel momento, bisogno del contributo.
2. Il fatto che, quando fu pronunciato il giudizio, i contributi in arretrato
rappresentano un capitale non è d'ostacolo all'applicazione dell'art. 217 CP,
purchè le condizioni di quest'articolo fossero soddisfatte alla scadenza
d'ogni contributo.
Aus den Erwägungen:
Der Pflegevatar Paul Burkhard bestätigte in seiner schriftlichen Erklärung vom
20. Januar 1944, dass er für das Kind kein Kostgeld verlange, und eine gleiche
Bescheinigung hatte er dem Beschwerdeführer schon am 16. Oktober 1942 in einem
Rechtsöffnungsverfahren ausgestellt. Den Pflegeeltern steht jedoch gegenüber
dem Beschwerdeführer ein Anspruch nicht zu. Anspruchsberechtigt ist das Kind,
dessen gesetzlicher Vertreter der Vormund ist. Dieser allein wäre daher
legitimiert ob und unter welchen Voraussetzungen auch sachlich befugt, kann
dahingestellt bleiben , dem Beschwerdeführer die Unterhaltsbeiträge zu
erlassen. Die Pflegeeltern konnten
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lediglich gegenüber dem Kind oder seiner Mutter auf die Bezahlung von Kostgeld
verzichten. Indem sie dies taten, wurde der Beschwerdeführer von seiner Schuld
gegenüber dem Kinde nicht befreit.
Unerheblich ist auch, dass infolge des Verzichtes der Pflegeeltern auf
Kostgeld die Leistungen des Beschwerdeführers nicht mehr für den laufenden
Unterhalt des Kindes benötigt werden. Der vom Richter gemäss Art. 319
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 319 - 1 Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden. |
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1 | Die Eltern dürfen die Erträge des Kindesvermögens für Unterhalt, Erziehung und Ausbildung des Kindes und, soweit es der Billigkeit entspricht, auch für die Bedürfnisse des Haushaltes verwenden. |
2 | Ein Überschuss fällt ins Kindesvermögen. |
festgesetzte Anspruch auf Unterhaltsbeiträge besteht unabhängig davon, ob das
Kind nach seinen finanziellen Verhältnissen oder denjenigen seiner Mutter
tatsächlich auf die Beiträge angewiesen ist oder nicht, und demgemäss auch
unabhängig davon, ob die Mutter für den Unterhalt besondere Zuwendungen von
dritter Seite erhält oder ob er sogar ganz von Dritten übernommen wird. Auf
das Interesse am Unterhaltsbeitrag kommt es also nicht an. Der Beitrag ist
geschuldet kraft der natürlichen Verwandtschaft zwischen Vater und Kind, und
ob das Geld für die Kosten von Unterhalt und Erziehung tatsächlich gebraucht
werden muss oder ob es als Spargut für das Kind beiseitegelegt werden kann,
geht den Pflichtigen nichts an.
Aus dem gleichen Grunde können rückständige Beiträge auch nachgefordert
werden. Dass ihre Vollstreckung dann, wenn sie zu einem eigentlichen Kapital
angewachsen sind, an die Schranken des Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind. |
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1 | Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind. |
2 | Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist. |
3 | Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an. |
4 | Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205 |
78, 64 III 132), besagt hier nichts. Der Unterhaltspflichtige wird bestraft,
weil er den einzelnen Beitrag im Augenblick, wo er fällig wird, nicht bezahlt.
Dass seine Schuld in jenem Augenblick den Charakter einer familienrechtlichen
Unterhaltspflicht im Sinne des Art. 217
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 217 - 1 Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
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1 | Wer seine familienrechtlichen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, obschon er über die Mittel dazu verfügt oder verfügen könnte, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
2 | Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Es ist unter Wahrung der Interessen der Familie auszuüben. |
auch in dem Zeitpunkt, wo die rückständigen Beitrage ein Kapital ausmachen,
noch zutrifft, ist belanglos.
Wie die Vorinstanz bemerkt, besteht im vorliegenden Falle auch nicht etwa
Gewähr, dass für das Kind bis zu seinem achtzehnten Altersjahr von Dritten
gesorgt werden wird. Diese Gewähr bestünde nicht einmal, wenn das
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Kind vom Ehepaar Burkhard adoptiert würde, denn die Adoptiveltern können
sterben oder selber bedürftig werden. Dann müssten für den Unterhalt und die
Ausbildung des Kindes die zurückgelegten Beiträge des Beschwerdeführers
verwendet werden; denn die Fr. 30. bezw. Fr. 35., die er weiterhin laufend
zu bezahlen hat, würden hiezu nicht ausreichen. Umso weniger kann man den
vorläufigen Verzicht der Pflegeeltern auf Kostgeld dem Beschwerdeführer zugute
kommen lassen. Jedenfalls aber kann, wie erwähnt, darüber nur der Vormund des
Kindes befinden, nicht der Pflegevater.
Die Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers ist demnach durch den Verzicht der
Pflegeeltern auf Kostgeld nicht berührt worden. Damit ist auch gesagt, dass
dieser Verzicht die Zahlungsverweigerung nicht rechtfertigt.