S. 53 / Nr. 14 Strafgesetzbuch (d)

BGE 70 IV 53

14. Urteil des Kassationshofes vom 18. Februar 1944 i.S. Vignola gegen
Generalprokurator des Kantons Bern.

Regeste:
1. Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB.
Weder in der trölerischen Erklärung eines Rechtsmittels noch darin, dass der
appellierende Verhaftete von der Möglichkeit sofortigen Antritts der noch
nicht rechtskräftigen Strafe nicht Gebrauch macht, liegt ein Verhalten, durch
welches die Untersuchungshaft verlängert wird (Erw. 1).
2. Art. 42 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB.
Voraussetzungen der Verwahrung (Erw. 2).
1. Art. 69 CP.
Ni le dépôt d'un recours abusif, ni le fait que le recourant en état
d'arrestation n'use pas de la faculté de commencer immédiatement à subir sa
peine ne constituent une conduite par laquelle le condamné provoque la
prolongation de sa détention préventive (consid. 1).
2. Art. 42 ch. 1 CP.
Conditions de l'internement (consid. 2).
1. Art. 69 CP.
Nell'inoltro d'un ricorso abusivo o nel fatto che il ricorrente in istato
d'arresto non usi della facoltà di cominciare immediatamente a subire la pena
non si può ravvisare un atteggiamento

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pel quale il condannato provoca il prolungamento del carcere preventivo
(consid. 1).
2. Art. 42, cifra 1, CP
Condizioni dell'internamento (consid. 2).

A. - Der im Jahre 1917 geborene Beschwerdeführer Werner Vignola ist bisher zu
sieben Freiheitsstrafen verurteilt worden, die er verbüsst hat: im Jahre 1935
zu zehn Tagen Gefängnis wegen Gebrauchsentwendung und zu einem Monat Gefängnis
wegen Landstreicherei, im Jahre 1936 zu sechs Tagen Gefängnis wegen Betrugs
und zu fünf Tagen Gefängnis wegen Begünstigung bei Diebstahl und
Unterschlagung, im Jahre 1938 zu neun Monaten Korrektionshaus wegen
Diebstahls, Betrugs und Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend die
elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen, im Jahre 1939 zu achtzehn Monaten
Zuchthaus wegen Fälschung einer Privaturkunde und Betrugs und im Jahre 1941 zu
anderthalb Jahren Korrektionshaus wegen Betrugs. Gemäss Beschluss des
Regierungsrates des Kantons Bern vom 10. Juni 1936 hat Vignola ausserdem wegen
sittlicher Verdorbenheit, fortgesetzten liederlichen Lebenswandels und
Müssiggangs ein Jahr in der Arbeitsanstalt verbracht.
Zwei Monate nach Verbüssung der im Jahre 1941 verhängten Strafe beging er am
3. Mai 1943 einen neuen Betrug. Von den Fr. 700.­, die er sich durch dieses
Verbrechen beschaffte, vertat er bis zu seiner am folgenden Tage erfolgten
Verhaftung Fr. 400.­, indem er seine persönliche Ausstattung ergänzte,
Lotterielose, Parfüm, Blumen und dergleichen kaufte und sich in leichter
Gesellschaft und in Vergnügungslokalen herumtrieb. Der Psychiater kam zum
Schluss, Vignola sei ein haltloser, expansiver und moralisch stumpfer
Psychopath und damit in seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt; seine
Fähigkeit, gemäss vorhandener Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln, sei
leicht herabgesetzt gewesen. Da Vignola nicht geisteskrank oder psychisch
schwer abwegig sei, gehöre er nicht in eine Heil- und Pflegeanstalt. Er sei

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erheblich rückfallgefährdet, weshalb als sichernde Massnahme in erster Linie
die Verwahrung gemäss Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB, in zweiter Linie die Bevormundung nach
Art. 370
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 370 - 1 Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
1    Eine urteilsfähige Person kann in einer Patientenverfügung festlegen, welchen medizinischen Massnahmen sie im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit zustimmt oder nicht zustimmt.
2    Sie kann auch eine natürliche Person bezeichnen, die im Fall ihrer Urteilsunfähigkeit mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt die medizinischen Massnahmen besprechen und in ihrem Namen entscheiden soll. Sie kann dieser Person Weisungen erteilen.
3    Sie kann für den Fall, dass die bezeichnete Person für die Aufgaben nicht geeignet ist, den Auftrag nicht annimmt oder ihn kündigt, Ersatzverfügungen treffen.
ZGB in Frage komme.
B. Am 16. Juli 1943 verurteilte das Amtsgericht von Bern Vignola wegen des am
3. Mai 1943 begangenen Betruges zu einem Jahr Gefängnis, abzüglich 73 Tage
Untersuchungshaft, und erkannte an Stelle dieser Strafe auf Verwahrung im
Sinne des Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB und auf zehnjährige Einstellung in der bürgerlichen
Ehrenfähigkeit gemäss Art. 52 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 52 - Die zuständige Behörde sieht von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind.
StGB.
Auf Appellation des Verurteilten, welcher Freisprechung, eventuell Aufhebung
der Verwahrung, beantragte, und Anschlussappellation des Generalprokurators,
welcher die Strafe auf drei Jahre Zuchthaus erhöht und die Verwahrung
bestätigt haben wollte, hielt die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons
Bern am 17. November 1943 am Schuldspruch fest, erhöhte die Strafe auf zwei
Jahre Zuchthaus, abzüglich 73 Tage Untersuchungshaft, und verhängte die
Verwahrung und die zehnjährige Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit.
C. - Vignola greift dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an. Er
beantragt, es sei dahin abzuändern, dass die Untersuchungshaft von zweihundert
Tagen voll auf die Strafe angerechnet und von seiner Verwahrung abgesehen
werde.
D. - Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt die Abweisung der
Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Das Obergericht hat die Untersuchungshaft, die der Beschwerdeführer bis
zum Urteil des Amtsgerichts ausgestanden hat, auf die Strafe angerechnet, weil
er schon in seiner ersten Einvernahme ein volles Geständnis abgelegt habe.
Warum es die zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Urteil verflossene
Haftzeit nicht gleich behandelt hat, wie der Beschwerdeführer es beantragt,
sagt

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es nicht. Der Generalprokurator weist auf Art. 375 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 375 - 1 Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
1    Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
2    Die zuständige Behörde bestimmt die Art und Form der zu leistenden gemeinnützigen Arbeit.
3    Die gesetzlich bestimmte Höchstarbeitszeit darf durch die Leistung gemeinnütziger Arbeit überschritten werden. Die Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bleiben anwendbar.
StGB hin; diese
Bestimmung verbiete die Anrechnung der zwischen dem Urteil und dem Rückzug
eines Rechtsmittels ausgestandenen Sicherheitshaft, weil sonst der Verurteilte
das Rechtsmittel missbrauchen könnte, um den Strafvollzug zu umgehen oder zu
verkürzen. Es könne nicht der Wille des Gesetzes sein, im Falle der
Aufrechterhaltung eines trölerischen Rechtsmittels die Anrechnung der zwischen
dem erst- und dem oberinstanzlichen Urteil ausgestandenen Haft vorzuschreiben.
Wie jede Trölerei, sei auch die Einlegung eines aussichtslosen Rechtsmittels
ein Verhalten des Täters, durch das die Untersuchungshaft verlängert werde,
und das daher gemäss Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB deren Nichtanrechnung rechtfertige. Nur so
könne dem Missbrauch des Instanzenzuges entgegengetreten werden. Die
Appellation des Beschwerdeführers sei im Schuldpunkt von Anfang an völlig
aussichtslos gewesen, und soweit sie sich gegen die Strafzumessung und
insbesondere gegen die Einweisung in eine Verwahrungsanstalt gerichtet habe,
hätte sie den Beschwerdeführer nicht hindern sollen, von der ihm durch Art.
364 Abs. 2 bern. StrV eingeräumten Möglichkeit sofortigen Strafantritts
Gebrauch zu machen, statt in Untersuchungshaft zu bleiben.
Diese Argumentation würde darauf hinauslaufen, dem Verhafteten, der mit der
Appellation bloss die Strafzumessung oder die Verwahrung anficht, den
sofortigen Strafantritt zuzumuten, und ihm andernfalls die Anrechnung der nach
dem erstinstanzlichen Urteil ausgestandenen Haft zu versagen. Dadurch erhielte
Art. 364 Abs. 2 bern. StrV eine Bedeutung, welche mit dem Bundesrecht nicht
vereinbar wäre, denn Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB sagt abschliessend, in welchen Fällen die
Untersuchungshaft auf die Strafe nicht anzurechnen ist. Das ist dann der Fall,
wenn der Täter sie durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder
verlängert hat. Ein solches Verhalten kann darin nicht erblickt werden, dass
der appellierende Verhaftete vom Strafantritt absieht, denn es ist nicht seine
Pflicht, sondern

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bloss sein Recht, die noch nicht rechtskräftige Strafe anzutreten (vgl. Art.
366 Abs. 1 bern. StrV).
Aber auch die trölerische Erklärung der Appellation ist nicht ein Verhalten,
durch welches der Appellant im Sinne des Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB die Untersuchungshaft
herbeiführt oder verlängert. Wenn im Rechtsmittelverfahren die Verhaftung
verfügt oder die bereits bestehende Haft aufrecht erhalten wird, so geschieht
es nicht wegen der Einlegung des Rechtsmittels, sondern aus anderen Gründen,
nach bernischem Recht wegen Flucht- oder Kollusionsgefahr oder weil der
Verurteilte dem Strafvollzug Schwierigkeiten bereiten würde (Art. 111, 366
Abs. 2 bern. StrV). Die Einlegung des Rechtsmittels ist ein Recht des
Verurteilten, von dessen Ausübung er nicht durch die Drohung, dass ihm im
Falle des Misserfolges die zwischen dem erst- und dem oberinstanzlichen Urteil
ausgestandene Haft nicht angerechnet werde, abgeschreckt werden soll. Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.

StGB sieht die Nichtanrechnung vor für Fälle, in denen der Haftgrund durch das
Verhalten des Beschuldigten gesetzt wird, so wenn dieser Anstalten zur Flucht
trifft, Beweismittel zu beseitigen oder Zeugen zu beeinflussen sucht und
dergleichen. Die trölerische Einlegung eines Rechtsmittels ist nicht
Haftgrund. Sie kann als Übertretung einer Prozessvorschrift mit Strafe bedroht
werden (Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 335 - 1 Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
1    Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
2    Die Kantone sind befugt, die Widerhandlungen gegen das kantonale Verwaltungs- und Prozessrecht mit Sanktionen zu bedrohen.
StGB), aber nicht Anlass geben, den
Verhafteten durch Nichtanrechnung der Haft zu massregeln. Zurückhaltung ist
umsomehr am Platze, als nicht leicht zu entscheiden ist, wo die Trölerei
beginnt. Der Laie, zumal unter dem Eindruck der erstinstanzlichen
Verurteilung, mag in guten Treuen ein Rechtsmittel ergreifen, welches der
Richter als zum vornherein aussichtslos erkennen würde. Die extensive
Auslegung des Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB könnte den Verurteilten selbst dann abhalten, ein
Rechtsmittel zu ergreifen, wenn es nicht aussichtslos ist. Diese Wirkung wäre
so unerwünscht wie jene des Art. 375 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 375 - 1 Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
1    Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
2    Die zuständige Behörde bestimmt die Art und Form der zu leistenden gemeinnützigen Arbeit.
3    Die gesetzlich bestimmte Höchstarbeitszeit darf durch die Leistung gemeinnütziger Arbeit überschritten werden. Die Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bleiben anwendbar.
StGB, der den Einsichtigen wie den
Tröler davon abhält, ein aussichtsloses Rechtsmittel zurückzuziehen. Es
besteht daher kein

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Anlass, diese - vom Gesetzgeber freilich nicht gewollte - Wirkung des Art. 375
Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 375 - 1 Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
1    Die Kantone sind für die Durchführung der gemeinnützigen Arbeit zuständig.
2    Die zuständige Behörde bestimmt die Art und Form der zu leistenden gemeinnützigen Arbeit.
3    Die gesetzlich bestimmte Höchstarbeitszeit darf durch die Leistung gemeinnütziger Arbeit überschritten werden. Die Vorschriften über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bleiben anwendbar.
StGB dadurch abzuschwächen, dass Art. 69
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 69 - 1 Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
1    Das Gericht verfügt ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer Straftat gedient haben oder bestimmt waren oder die durch eine Straftat hervorgebracht worden sind, wenn diese Gegenstände die Sicherheit von Menschen, die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung gefährden.
2    Das Gericht kann anordnen, dass die eingezogenen Gegenstände unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
StGB extensiv ausgelegt und so
die Aussicht, durch Aufrechterhaltung eines aussichtslosen Rechtsmittels den
Strafvollzug abkürzen zu können, verringert würde.
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer die bis zum 17. November 1943
ausgestandene Untersuchungshaft voll auf die Strafe anzurechnen, denn die
Akten geben keinen Anhalt, dass er sie in der Zeit zwischen dem erst- und dem
oberinstanzlichen Urteil durch sein Verhalten verlängert habe.
2.- Gemäss Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB kann verwahrt werden, wer wegen Verbrechen oder
Vergehen schon zahlreiche Freiheitsstrafen verbüsst hat, einen Hang zu
Verbrechen oder Vergehen, zur Liederlichkeit oder Arbeitsscheu bekundet und
wieder ein mit Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen verübt.
Der Beschwerdeführer hält die erste Voraussetzung nicht für erfüllt, weil von
den sechs Vorstrafen - jene wegen Landstreicherei hat die Vorinstanz, weil sie
nicht ein Vergehen betreffe, ausser Betracht gelassen - die ersten drei nur
von kurzer Dauer gewesen seien. Von der Schwere der begangenen Taten macht
indessen das Gesetz die Verwahrung nur insofern abhängig, als die Strafen
Freiheitsstrafen gewesen und wegen Verbrechen oder Vergehen ausgesprochen
worden sein müssen. Die Verwahrung richtet sich gegen «Leute schwachen
Charakters, die, jeder Tatkraft ernsten Strebens bar, keiner Versuchung zu
widerstehen vermögen und dadurch, dass sie immer und immer wieder vor den
Strafrichter kommen, ein Spiel mit der Strafrechtspflege spielen, das sie
ihres Ernstes zu entkleiden droht» (Botschaft zum Entwurf 1918 S. 16; BGE 69
IV 102
). Auch auf Verurteilte, die bloss kurze Freiheitsstrafen verbüsst
haben, trifft diese Erwägung zu. Umsomehr auf den Beschwerdeführer, der mit
geringfügigen Vergehen angefangen und mit zusehends schwerer werdenden
Verbrechen fortgefahren hat. Ob im einzelnen Falle gewisse

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Strafen wegen ihrer Geringfügigkeit übersehen werden können, ist Sache des
richterlichen Ermessens, gegen dessen Handhabung die Nichtigkeitsbeschwerde
nicht gegeben ist. Die Vorinstanz hat durch die Mitberücksichtigung der drei
kurzen Strafen das Gesetz nicht verletzt. Sechs Freiheitsstrafen aber können
jedenfalls dann als «zahlreiche» angesprochen werden, wenn die Verhältnisse so
liegen wie im vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer hat zwischen dem
achtzehnten und dem sechsundzwanzigsten Lebensjahr nahezu vier Jahre in
Strafanstalten und ein Jahr wegen sittlicher Verdorbenheit, Liederlichkeit und
Müssiggangs in einer Arbeitsanstalt verbracht, ohne sich dadurch abhalten zu
lassen, schon zwei Monate nach Verbüssung der letzten Strafe aus
Vergnügungssucht ein neues Verbrechen zu begehen. Der psychiatrische
Sachverständige sieht in ihm einen haltlosen, expansiven und moralisch
stumpfen Psychopathen, dessen Zurechnungsfähigkeit leicht herabgesetzt sei. Er
empfiehlt in erster Linie dessen Verwahrung, die Bevormundung, deren sichernde
Wirkung geringer wäre, dagegen nur in zweiter Linie. Der Beschwerdeführer ist
trotz seines geringen Alters der Gefahr des Rückfalles besonders ausgesetzt.
Die Verwahrung setzt nicht voraus, dass der Verurteilte durch Vollzug der
Strafe überhaupt nicht gebessert werden könnte.
Auch die zweite Voraussetzung der Verwahrung, der Hang zu Verbrechen oder
Vergehen, zur Liederlichkeit oder Arbeitsscheu, ist im vorliegenden Falle nach
dem Vorleben des Beschwerdeführers, nach dem Ergebnis der psychiatrischen
Begutachtung und nach den Beweggründen des neuen Verbrechens erfüllt. Eine
nochmalige Warnung durch eine lange Freiheitsstrafe, wie der Beschwerdeführer
sie möchte, war nicht nötig; die bisherigen Strafen waren Warnung genug. Im
übrigen hat es der Beschwerdeführer in der Hand, frühestens nach drei Jahren
die bedingte Entlassung zu erwirken, wenn er sich so verhält, dass die
zuständige Behörde die Verwahrung als nicht mehr notwendig erachtet (Art. 42
Ziff. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB).

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Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- In teilweiser Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird die II.
Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern angewiesen, dem
Beschwerdeführer die bis zum 17. November 1943 ausgestandene Untersuchungshaft
voll auf die Strafe anzurechnen.
2.- Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde weiter geht, wird sie abgewiesen.
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Document : 70 IV 53
Date : 01. Januar 1943
Published : 18. Februar 1944
Source : Bundesgericht
Status : 70 IV 53
Subject area : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Subject : 1. Art. 69 StGB.Weder in der trölerischen Erklärung eines Rechtsmittels noch darin, dass der...


Legislation register
StGB: 42  52  69  335  375
ZGB: 370
BGE-register
69-IV-99 • 70-IV-53
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
remedies • remand • convicted person • day • term of imprisonment • behavior • fraud • month • hamlet • lower instance • court of cassation • penal institution • execution of a sentence • assessment of punishment • vagrancy • theft • reason of detention • flight • work-shy • decision
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