S. 267 / Nr. 46 Erbrecht (d)

BGE 70 II 267

46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. November 1944 i. S.
Eggli gegen Bänninger.

Regeste:
Erbteilung. Nachlassliegenschaft geht trotz testamentarischer
Zuteilungsvorschrift mit dem Tod des Erblassers in das (Gesamt-)Eigentum der
Erbengemeinschaft über (Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
, 602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB). Der Erblasser kann jedoch
verfügen, dass in Abweichung von der Regel des Art. 617
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 617 - Grundstücke sind den Erben zum Verkehrswert anzurechnen, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt.
ZGB, der Zeitpunkt des
Todes - statt der Teilung - den Stichtag für die Abrechnung bilden, also
Nutzen und Schaden der Liegenschaft in der Zwischenzeit schon auf Rechnung des
Erwerbers sehen solle.
Partage successoral. Les immeubles deviennent propriété (commune) de la
communauté successorale à compter du jour du décès du défunt, même s'il a
disposé autrement (art. 560, 602 CC). Le défunt peut cependant ordonner, en
dérogation à l'art. 617 CC, que ce sera le jour du décès au lieu du jour du
partage qui sera décisif pour le règlement de compte, autrement dit que
l'acquéreur aura les profits et les charges de l'immeuble dès le jour du
décès.
Divisione successoria. Gli immobili diventano proprietà (comune) della
comunione successoria a contare dal giorno della morte del de cuius, anche
s'egli ha ordinato altrimenti (art. 560, 602 CC). Il de cuius può tuttavia
ordinare (in deroga all'art. 617 CC) che il giorno della sua morte e non
quello della divisione sarà decisivo per la liquidazione dei conti, ossia che
l'acquirente dell'immobile avrà i rischi ed i profitti dell'immobile dal
giorno della morte del de cuius.

A. - Am 6. Dezember 1940 starb in Zürich Frau Berta Greutert geb. Bünzli, die
Ehefrau des am 10. Juli 1938 verstorbenen Johannes Greutert. Sie hinterliess
als Erben ihre beiden Töchter: Marta, verehelichte Bänninger, und Laura,
verehelichte Eggli. Die Erbschaft stellt laut Inventar ein Reinvermögen von
Fr. 60712.45 dar. Unter den Aktiven befindet sich die Liegenschaft
Pflanzschulstrasse

Seite: 268
Nr. 77 in Zürich, die in der Steuertaxation auf Fr. 10500.- bewertet und mit
einer Schuldbriefschuld von Fr. 54000.- belastet ist.
Frau Greutert hinterliess ein eigenhändiges Testament, das u.a. folgende
Bestimmungen enthält:
«Meine Liegenschaft Pflanzschulstrasse Nr. 77 in Zürich 4 soll meiner Tochter
Marta Bänninger-Greutert zum Anrechnungswert von Fr. 104000.- zugestellt
werden unter Überbindung der bestehenden Hypothek mit Zins bis zum Todestag
und Vergütung des Restes an die gemeinsame Erbmasse.
Die Schuld der Frau Bänninger für die Liegenschaft, das Wohnungsmobiliar
soweit Dasselbe nicht vergabt ist und das übrige Vermögen bilden die
gemeinsame, Erbmasse, ist unter die beiden Kinder gleichwertig zu teilen sowie
sämtliche Wäsche.»
B. - Da sich die Erbinnen über die Erbteilung nicht einigen konnten, reichte
Frau Bänninger-Greutert die Teilungsklage ein. Von den zahlreichen von beiden
Parteien ans Recht gesetzten Streitpunkten sind die meisten durch Vergleich
oder rechtskräftigen Entscheid erledigt. Vor Bundesgericht ist u. a. noch
streitig das Begehren der Beklagten Frau Eggli, die Klägerin Frau Bänninger
habe den Ertrag der ihr zufallenden Liegenschaft für die Zeit vom Tode der
Erblasserin bis zur Teilung (Fr. 4700.- pro Jahr) in die Erbmasse einzuwerfen
und es sei infolgedessen die von der Vorinstanz festgestellte Ziffer des
reinen Nachlassvermögens um den entsprechenden Betrag zu erhöhen.
Die Klägerin trägt auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des
angefochtenen Urteils an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Im Testament ist verfügt, Frau Bänninger solle die Liegenschaft
Pflanzschulstrasse Nr. 77 zum Anrechnungswert von Fr. 104000.- unter
Überbindung der bestehenden Hypothek mit Zins bis zum Todestag der Erblasserin
erhalten. Das Bezirksgericht legte, darin der Auffassung der Klägerin folgend,
diese Verfügung dahin aus: Frau Bänninger solle nach dem Willen der
Erblasserin sofort nach dem Tode derselben, nicht erst im Zeitpunkt der
Erbteilung, in Nutzen und Schaden der Liegenschaft eintreten,

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sodass die inzwischen sich ergebenden Nutzungen der Liegenschaft an sie
persönlich, nicht in die Erbmasse fallen. Demgegenüber vertrat die Beklagte
den Standpunkt, bis zum Moment der Erbteilung gehöre die Liegenschaft zur
Erbmasse, und die Klägerin sei verpflichtet, den auf Fr. 4755.- errechneten
Jahresertrag bis zu diesem Zeitpunkt in die Erbmasse einzuwerfen.
Das Obergericht schloss sich der Auffassung der ersten Instanz an, fügte
jedoch bei, es hätte dieser Testamentsbestimmung hinsichtlich der
Zinsenanrechnung gar nicht bedurft, weil Nutzen und Lasten einer Liegenschaft
von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen. Gemäss Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
ZGB erwerben
die Erben die Liegenschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers; das
Grundeigentum gehe ohne Eintragung im Grundbuch auf die Erben über; die
streitige Liegenschaft sei daher, was übrigens die Beklagte anerkenne, mit dem
Tode der Mutter an Frau Bänninger übergegangen, der sie nach Testament
zukommen soll.
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Nach Art. 560
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
ZGB ging
wohl die Liegenschaft mit dem Tode der Erblasserin kraft Gesetzes an die Erben
über, aber an die Erbengemeinschaft; die Erben werden Gesamteigentümer (Art.
602
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
ZGB). Daran kann eine Teilungsvorschrift der Erblasserin nichts ändern,
wie sie in der streitigen Testamentsklausel liegt. Wenn die Beklagte etwas
anderes anerkannt hat, so ist das nicht ein Tatsachenzugeständnis, sondern
eine rechtlich unrichtige Würdigung der Verhältnisse, die für den Richter
nicht verbindlich ist. Art. 617
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 617 - Grundstücke sind den Erben zum Verkehrswert anzurechnen, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt.
ZGB, wonach der Zeitpunkt der Teilung für die
Bewertung der zu teilenden Sachen und insbesondere der Grundstücke massgebend
ist, gilt auch, wenn Teilungsvorschriften des Erblassers bestehen, sofern
dieser nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat.
Im vorliegenden Falle hat nun aber die Erblasserin eine derartige Bestimmung
getroffen. Sie liegt in der Verfügung, dass der Übernehmerin die bestehende
Hypothek

Seite: 270
und die bis zum Todestag aufgelaufenen Hypothekarzinsen auf die Übernahmesumme
von Fr. 104000.- anzurechnen seien, während sie den Rest des
Liegenschaftswertes in die Erbmasse einzahlen müsse. Die Erblasserin hat damit
mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck; gebracht, dass ihr Todestag der Stichtag
für die Abrechnung sei, und dass die Übernehmerin die Liegenschaft von diesem
Tage an in eigenem Nutzen und Schaden haben solle. Die von den Parteien
diskutierte Frage, ob in dieser Verfügung eine Begünstigungsabsicht der
Erblasserin gegenüber der Klägerin liege, ist belanglos. Zur mehr nur
scheinbaren Begünstigung wird die Teilungsvorschrift, nur deshalb, weil die
Erbteilung nicht sofort durchgeführt wurde. Tatsache bleibt, dass die
Erblasserin der Frau Bänninger die Liegenschaft unter ganz bestimmten
Modalitäten zuerkannte: sie sollte die Hypothekarschulden und die bis zum
Todestag aufgelaufenen Zinsen übernehmen und den «Rest» an die gemeinsame
Erbmasse vergüten. Der Todestag ist also in unzweideutiger Weise zum
Abrechnungstermin gemacht. Es kann darüber umso weniger ein Zweifel bestehen,
als die Erblasserin an späterer Stelle des Testaments beifügt, die Schuld der
Frau Bänninger aus der Liegenschaftsübernahme und das Wohnungsmobiliar sollen
die gemeinsame Erbmasse bilden und unter den beiden Töchtern gleichwertig
geteilt werden. Damit ist in unmissverständlicher Weise gesagt, dass die
Vergütungsforderung aus der auf den Todestag abgerechneten
Liegenschaftsübernahme durch Frau Bänninger anstelle der Liegenschaft selbst
zur Teilungsmasse gehören soll. Ob sich die Erblasserin bewusst war, dass
daraus im Falle der Verzögerung der Erbteilung der Frau Bänninger ein Vorteil
erwachsen könne, oder ob sie diese Überlegung nicht anstellte, ist ungewiss.
Aber darauf kommt neben dem klaren Wortlaut der Verfügung auch nichts an; denn
die Begünstigung erfolgt aus der Verfügung selbst, und wenn die Erblasserin
sie hätte ausschliessen wollen, so hätte sie es zum Ausdruck bringen müssen.
Wenn die Klägerin selbst erklärte, von einer

Seite: 271
Begünstigung könne nicht gesprochen werden, so wollte sie damit nicht dem
Inhalt der Verfügung eine vom Wortlaut abweichende Deutung geben, sondern
offenbar nur sagen, es liege keine erbrechtliche Begünstigung darin, aus
welcher die Beklagte Rechte herleiten könne. In der Tat kann der Vorteil,
welcher der Klägerin aus dieser Teilungsvorschrift erwächst, bei der
Pflichtteilsfestsetzung keine Rolle spielen, weil die verfügbare Quote nach
dem Stand der Erbschaft im Weitpunkt des Todes des Erblassers zu berechnen ist
(Art. 474 1 /GB); diese Quote kann nicht dadurch geschmälert werden, dass die
Erben die Teilung verzögern. Es muss mithin in diesem Berufungspunkte beim
Entscheid der Vorinstanz sein Bewenden haben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 II 267
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 09. November 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 II 267
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Erbteilung. Nachlassliegenschaft geht trotz testamentarischer Zuteilungsvorschrift mit dem Tod des...


Gesetzesregister
ZGB: 560 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 560 - 1 Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
1    Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tode des Erblassers kraft Gesetzes.
2    Mit Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen gehen die Forderungen, das Eigentum, die beschränkten dinglichen Rechte und der Besitz des Erblassers ohne weiteres auf sie über, und die Schulden des Erblassers werden zu persönlichen Schulden der Erben.
3    Der Erwerb der eingesetzten Erben wird auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges zurückbezogen, und es haben die gesetzlichen Erben ihnen die Erbschaft nach den Besitzesregeln herauszugeben.
602 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 602 - 1 Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
1    Beerben mehrere Erben den Erblasser, so besteht unter ihnen, bis die Erbschaft geteilt wird, infolge des Erbganges eine Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten der Erbschaft.
2    Sie werden Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände und verfügen unter Vorbehalt der vertraglichen oder gesetzlichen Vertretungs- und Verwaltungsbefugnisse über die Rechte der Erbschaft gemeinsam.
3    Auf Begehren eines Miterben kann die zuständige Behörde für die Erbengemeinschaft bis zur Teilung eine Vertretung bestellen.
617
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 617 - Grundstücke sind den Erben zum Verkehrswert anzurechnen, der ihnen im Zeitpunkt der Teilung zukommt.
BGE Register
70-II-267
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
abrechnung • anrechnungswert • beklagter • berechnung • bruchteil • bundesgericht • eigentum • entscheid • erbe • erbengemeinschaft • erblasser • erbmasse • erbrecht • erbschaftsteilung • erste instanz • erwachsener • frage • gleichwertigkeit • grundbuch • grundeigentum • grundstück • inventar • mutter • schaden • stelle • stichtag • tag • teilungsklage • testament • tod • vorinstanz • vorteil • weiler • wille • zins • zufall • zweifel