BGE 68 IV 68
13. Urteil des Kassationshofes vom 3. Juli 1942 i.S. Bragagnolo gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn.
Regeste:
1. Art. 28 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
Verzicht auf den Strafantrag.
2. Der Verletzte, der auf Bestrafung des Schuldigen verzichtet, verhindert die
Bestrafung unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, die einen Strafantrag
erfordern.
1. Art. 28 al. 5 CP. Interprétation d'une déclaration du lésé dans le sens
d'une renonciation à porter plainte.
2. La renonciation du lésé à la punition du coupable empêche la condamnation à
tous les points de vue juridiques qui requièrent une plainte.
1. Art. 28 cp. 5 CPS. Interpretazione d'una dichiarazione del leso quale
rinuncia a sporgere querela.
2. La rinuncia del leso alla punizione del colpevole impedisce che
quest'ultimo sia punito sotto ogni riguardo, in quanto sia necessaria una
denuncia penale.
A. - Am 17. September 1941 reichte Julia Hug gegen Eugen Bragagnolo
Strafanzeige ein und beantragte dessen Bestrafung wegen Betruges, weil er sie
unter Verschweigung, dass er verheiratet war, zur geschlechtlichen Hingabe und
zur Anschaffung einer Aussteuer veranlasst hatte. Das Amtsgericht Olten-Gösgen
betrachtete den Tatbestand des Betruges im Sinne des § 156 des solothurnischen
Strafgesetzbuches als erfüllt und verurteilte den Angeklagten am 20. Oktober
1941 zu Strafe, Schadenersatz und Genugtuung. Der Verurteilte appellierte an
das Obergericht des Kantons Solothurn, worauf er am 16. Februar 1942 mit Julia
Hug einen Vergleich abschloss, durch welchen er ihr eine Abfindungssumme
bezahlte und Satisfaktion erteilte, während sie «hiemit das
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Desinteressement am hängigen Strafprozess wegen Betrugs» erklärte.
B. - Am 18. Februar 1942 erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn Eugen
Bragagnolo der boshaften Vermögensschädigung im Sinne des Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
schuldig und verurteilte ihn unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges zu
zwei Monaten Haft. Es stellte fest, dass Julia Hug im oberinstanzlichen
Urteilstermin erklärt habe, sie wünsche die Bestrafung des Angeklagten und sei
nie der Meinung gewesen, er solle straflos ausgehen. Es nahm an, in dieser
Erklärung liege ein rechtzeitiger Strafantrag, wie ihn die Verurteilung wegen
boshafter Vermögensschädigung gemäss Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
voraussetze.
C. - Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende rechtzeitige
Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten. Dieser beantragt, es sei aufzuheben
und die Sache zu neuer Behandlung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ist
unter anderem der Auffassung, dass kein gültiger Strafantrag vorgelegen habe.
D. - Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat darauf verzichtet,
Gegenbemerkungen anzubringen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Der Beschwerdeführer wurde bis zum Inkrafttreten des schweizerischen
Strafgesetzbuches von Amtes wegen verfolgt, weil der Betrug nach
solothurnischem Strafrecht nicht Antragsdelikt ist. Die Verurteilung wegen
boshafter Vermögensschädigung im Sinne des Art. 149
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Strafantrag des Verletzten voraus und durfte daher im vorliegenden Falle nur
erfolgen, wenn Julia Hug nach dem Inkrafttreten des StGB binnen drei Monaten
Strafantrag stellte und stellen konnte (Art. 339 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 149 - Wer sich in einem Gastgewerbebetrieb beherbergen, Speisen oder Getränke vorsetzen lässt oder andere Dienstleistungen beansprucht und den Betriebsinhaber um die Bezahlung prellt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. |
Ein solcher Antrag war nur solange möglich, als die Antragsberechtigte nicht
ausdrücklich darauf verzichtet hatte (Art. 28 Abs. 5
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 28 - 1 Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
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1 | Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist, unter Vorbehalt der nachfolgenden Bestimmungen, der Autor allein strafbar. |
2 | Kann der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden, so ist der verantwortliche Redaktor nach Artikel 322bis strafbar. Fehlt ein verantwortlicher Redaktor, so ist jene Person nach Artikel 322bis strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist. |
3 | Hat die Veröffentlichung ohne Wissen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, so ist der Redaktor oder, wenn ein solcher fehlt, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person als Täter strafbar. |
4 | Die wahrheitsgetreue Berichterstattung über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen einer Behörde ist straflos. |
der
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Beschwerdeführer einen Verzicht darin, dass sie zwei Tage vor der
oberinstanzlichen Verhandlung zuhanden des Gerichtes ihr «Desinteressement» am
hängigen Strafprozess erklärte. Wenn sie in diesem Augenblick geglaubt haben
sollte, der Beschwerdeführer werde ja ohnehin von Amtes wegen bestraft werden,
so war ihre Meinung unbeachtlich, denn es kommt nicht darauf an, was sie sich
vorgestellt, sondern was sie dem Gericht gegenüber erklärt hat. Diese
Erklärung konnte nur so verstanden werden, dass Julia Hug mit Rücksicht auf
die ihr durch den Beschwerdeführer bezahlte Abfindungssumme nicht verlange,
dass er bestraft werde. Eine weniger strenge Auslegung würde dazu führen, dass
Julia Hug die Vorteile des Vergleichs geniessen könnte, ohne das Opfer
erbringen zu müssen, welches den Beschwerdeführer bewogen hat, ihr die
Abfindungssumme zu bezahlen. Die Auffassung der Vorinstanz, die Verletzte habe
gegenüber dem hängigen Betrugsprozess ihr «Desinteressement» erklären können,
ohne den staatlichen Strafanspruch hinfällig zu machen, da Betrug von Amtes
wegen zu verfolgen sei, wäre dann richtig, wenn sich der Beschwerdeführer des
Betruges oder sonst einer von Amtes wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung
schuldig gemacht hätte. Die Vorinstanz nimmt nun aber selber an, dies sei
nicht der Fall, sondern er könne nur wegen boshafter Vermögensschädigung
bestraft werden. Bloss für diese rechtliche Qualifikation das Antragsrecht
behalten und bezüglich der Qualifikation als Betrug das «Desinteressement»
erklären, konnte Julia Hug nicht. Der Strafantrag ist die Willenserklärung des
Verletzten, dass der Schuldige wegen einer Tat bestraft werden solle. Die
rechtliche Qualifikation derselben ist Sache des Richters. Der Antragssteller
kann darauf keinen Einfluss nehmen, indem er erklärt, die Tat solle nur unter
bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt werden, und er kann daher
auch nicht bloss teilweise auf das Antragsrecht verzichten, in dem Sinne, dass
er sich vorbehalten könnte, gegebenenfalls doch noch die
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Beurteilung der Tat unter einzelnen von mehreren in Frage stehenden
rechtlichen Gesichtspunkten zu verlangen. Der Verletzte, der auf Bestrafung
des Schuldigen verzichtet, verhindert die Bestrafung unter allen rechtlichen
Gesichtspunkten, die einen Strafantrag erfordern, selbst wenn er nicht an alle
in Frage kommenden rechtlichen Qualifikationen der Tat gedacht hat.
Die Vorinstanz hätte den Beschwerdeführer daher freisprechen sollen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Solothurn vom 18. Februar 1942 aufgehoben und die Sache zu neuer
Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.