BGE-68-IV-116
S. 116 / Nr. 25 Verfahren (d)
BGE 68 IV 116
25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. September 1942 i. S.
Kistler gegen Staat Baselland.
Regeste:
1. Art. 268 Abs. 1 BStrP. Der Entscheid darüber, ob eine Strafe, für welche
der Verurteilte den bedingten Strafvollzug genoss, gestützt auf Art. 41 Ziff.
3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
werden.
2. Art. 41 Ziff. 3

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
Freiheitsstrafe erkennt, braucht ein vom zuständigen Gericht gefälltes
rechtskräftiges Urteil, das den Verurteilten wegen eines während der Probezeit
vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens schuldig erklärt, nicht auf
seine materielle Richtigkeit hin zu überprüfen.
3. Art. 41

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
durch das Inkrafttreten des StGB nicht verändert worden.
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1. Art. 268 al. 1 PPF. Le prononcé qui décide si une peine, pour laquelle le
condamné bénéficiait du sursis, doit être mise à exécution en vertu de l'art.
41 ch. 3 CPS, peut être l'objet d'un pourvoi en nullité.
2. Art. 41 ch. 3 CPS. Le juge qui statue sur la mise à exécution d'une peine
privative de liberté infligée avec sursis, n'est pas tenu de revoir au fond le
jugement passé en force, rendu par un tribunal compétent qui reconnaît le
condamné coupable d'un crime ou d'un délit commis intentionnellement durant le
délai d'épreuve.
3. Art. 41, 105, 336 CPS. Le délai d'épreuve imparti avant le 1er janvier 1942
n'est pas modifié par l'entrée en vigueur du CPS.
1. Art. 268 op. 1 PPF. La sentenza che decide se una pena, per la quale il
condannato era al beneficio della sospensione condizionale, dev'essere
eseguita in virtù dell'art. 41 cifra 3 CPS, può essere impugnata con ricorso
in cassazione.
2. Art. 41 cifra 3 CPS. Il giudice che si pronuncia sull'esecuzione d'una pena
privativa della libertà personale inflitta col beneficio della sospensione
condizionale non è tenuto a rivedere nel merito la sentenza definitiva
pronunciata da un tribunale competente che dichiara il condannato colpevole di
un crimine o di un delitto commesso intenzionalmente durante il periodo di
prova.
3. Art. 41, 105, 336 CPS. Il periodo di prova fissato anteriormente al primo
gennaio 1912 non è modificato dall'entrata in vigore del CPS.
A. Am 19. Mai 1942 verfügte das Polizeigericht von Arlesheim, die
vierzehntägige Gefängnisstrafe, zu welcher es Ernst Kistler am 7. Oktober 1937
wegen fortgesetzter vorsätzlicher Widerhandlung gegen Art. 64

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
Gewährung des bedingten Strafvollzugs und Auferlegung einer fünfjährigen
Probezeit verurteilt hatte, sei zu vollziehen, weil der Verurteilte am 8.
April 1942 durch das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt wegen am 1. Februar
1941 begangener vorsätzlicher Widerhandlung gegen Art. 38 des BG betreffend
den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen mit Fr. 200.- gebüsst
worden war. Auf die Appellation des Ernst Kistler trat die Polizeikammer des
Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft am 26. Juni 1942 nicht ein. Sie nahm
an, gegen Entscheide auf Widerruf des bedingten Strafvollzugs sei dieses
Rechtsmittel, weil im EG zum StGB nicht vorgesehen, nicht zulässig.
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B. Mit den vorliegenden rechtzeitig sowohl gegen den Entscheid des
Polizeigerichts als auch gegen das Urteil der Polizeikammer des Obergerichts
eingereichten Nichtigkeitsbeschwerden beantragt Ernst Kistler, der
erstgenannte Entscheid sei aufzuheben und es sei anzuordnen, dass die am 7.
Oktober 1937 ausgesprochene Strafe nicht zu vollziehen sei, eventuell sei der
Entscheid vom 19. Mai 1942 aufzuheben und das Verfahren zu kassieren und die
Akten seien an das Polizeigericht zur neuen Behandlung des Falles
zurückzuweisen, mit der Anweisung, ein Urteil zu eröffnen. Er erblickt eine
Verletzung von Art. 254 BStrP darin, dass das Polizeigericht seinen Entscheid
als «Beschluss» statt als «Urteil» oder «Einstellungsbeschluss» gefällt habe.
Er ist der Auffassung, es hätte sich durch das Urteil des Strafgerichts des
Kantons Basel-Stadt vom 8. April 1942 nicht gebunden erachten, sondern
selbständig prüfen sollen, ob er die Widerhandlung gegen Art. 38 des
Lebensmittelpolizeigesetzes vorsätzlich begangen habe. Zu diesem Zwecke hätte
es eine Hauptverhandlung durchführen sollen, in welcher auch der Staatsanwalt
hätte zu Worte kommen müssen.
C. Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat durch den
Gerichtspräsidenten von Arlesheim erklären lassen, das Polizeigericht habe die
Verhandlung vom 19. Mai 1942 ordnungsgemäss nach dem kantonalen Prozess
durchgeführt.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Damit die Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof zulässig sei, muss
gemäss Art. 268 BStrP ein Urteil vorliegen. Dies ist hier der Fall. Wenn der
Richter darüber erkennt, ob eine Strafe, für welche der Verurteilte den
bedingten Strafvollzug genoss, gestützt auf Art. 41 Ziff. 3

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sei, übt er nicht vollziehende, sondern richterliche Gewalt aus, da er darüber
befindet, ob die Voraussetzungen erfüllt seien, eine dem Verurteilten gewährte
Rechtswohltat zu widerrufen. Der Entscheid
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hierüber wird in Fortsetzung des Verfahrens getroffen, in welchem der bedingte
Strafvollzug eingeräumt worden war. Von beiden Fragen, ob der bedingte
Strafvollzug zu gewähren und ob er zu widerrufen sei, hängt die Durchsetzung
des staatlichen Strafrechts in gleicher Weise ab, und beide Fragen sind für
den Verurteilten von gleicher Tragweite. Es ist daher gerechtfertigt, gegen
die gemäss Art. 41 Ziff. 3

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Nichtigkeitsbeschwerde ebenso zuzulassen, wie sie gegen die Entscheide auf
Gewährung oder Verweigerung des bedingten Strafvollzuges zulässig ist. Urteile
im Sinne des Art. 268 BStrP sind nicht bloss die Entscheide, in welchen über
Bestand oder Nichtbestand des staatlichen Strafrechts erkannt wird, sondern
auch andere Erkenntnisse materiellrechtlicher Bedeutung, z. B. solche über die
Umwandlung von Bussen (BGE 63 I 189).
2. ....
3. Der Widerruf des bedingten Strafvollzugs durch das Polizeigericht von
Arlesheim stützt sich darauf, dass der Beschwerdeführer während der Probezeit
vorsätzlich ein Vergehen begangen habe. Auf welche Weise dies festgestellt
werden muss, ist einzig dem kantonalen Prozessrecht zu entnehmen. Eine
bundesrechtliche Bestimmung, welche dem Richter im Verfahren über den Widerruf
des bedingten Strafvollzugs gebieten würde, ein vom zuständigen Gericht
gefälltes rechtskräftiges Urteil auf seine materielle Richtigkeit hin zu
überprüfen, besteht nicht. Das Polizeigericht von Arlesheim durfte davon
ausgehen, dass durch das Urteil des Strafgerichts von Basel-Stadt vom 8. April
1942 verbindlich festgestellt sei, dass der Beschwerdeführer am 1. Februar
1941 sich vorsätzlich gegen Art. 38

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habe.
4. Art. 66

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
zu drei Monaten an. Unter der Herrschaft des Art. 333 Abs. 2

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |
Stelle dieser Strafe auf Haft bis zu drei Monaten erkannt werden
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und sind auf die Widerhandlungen gegen Art. 64 KWG die Bestimmungen über die
Übertretungen anwendbar. Seitdem das StGB in Kraft ist, dürfte daher die
Probezeit nur noch auf ein Jahr bemessen werden (Art. 105

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
nicht, dass eine Probezeit, die vor dem 1. Januar 1942 für eine heute als
Übertretung geltende strafbare Handlung verhängt wurde, durch das StGB auf ein
Jahr verkürzt worden sei. Die Festsetzung der Probezeit gehört zur Bemessung
der Strafe. Wie die rechtskräftig ausgesprochenen Strafen durch das
Inkrafttreten des StGB nicht berührt werden ausgenommen in den Fällen, in
denen es Art. 336

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
Januar 1942 verhängte Probezeit nicht. Umso weniger kann das Inkrafttreten des
StGB ein Hindernis dafür sein, dass der bedingte Strafvollzug widerrufen werde
wegen eines vorsätzlichen Vergehens, welches innerhalb der auf Grund des
alten Rechts festgesetzten Probezeit schon vor dem 1. Januar 1942 begangen
wurde.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Soweit auf die Nichtigkeitsbeschwerden eingetreten werden kann, werden sie
abgewiesen.
Gesetzesregister
KUVG 38KUVG 64KUVG 66
StGB 41
StGB 105
StGB 333
StGB 336
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 41 - 1 Das Gericht kann statt auf eine Geldstrafe auf eine Freiheitsstrafe erkennen, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 105 - 1 Die Bestimmungen über die bedingten und die teilbedingten Strafen (Art. 42 und 43), über die Landesverweisung (Art. 66a-66d) sowie über die Verantwortlichkeit des Unternehmens (Art. 102) sind bei Übertretungen nicht anwendbar.150 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen. |