S. 150 / Nr. 24 Familienrecht (d)

BGE 68 II 150

24. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juli 1942 i. S. Eggenberger gegen
Manco.

Regeste:
Vaterschaftsklage. Einrede des Mehrverkehrs.
Der nachgewiesene Verkehr der Kindsmutter mit einem Dritten in der kritischen
Zeit vermag nur dann die Einrede des Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB nicht zu begründen,
wenn die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft des Dritten, verglichen mit der
des Beklagten, HO gering ist, dass die Möglichkeit der erstern sogut wie
ausgeschlossen erscheint.
Wäre die Schwangerschaftsdauer im Falle der Zeugung (des reif geborenen
Kindes) durch den Dritten abnormal kurz, bei Zeugung durch den Beklagten aber
abnormal lang, so greift die Regel des Art. 314 Abs. 2 Platz.
Action en recherche de paternité. Exceptio plurium.
La cohabitation de la mère avec un autre homme que le défendeur pendant la
période critique permet d'élever des doutes sérieux

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sur la paternité de celui-ci (art. 314 al. 2 CC) sauf si la paternité du tiers
comparée à celle du défendeur est à un tel point improbable qu'elle paraît
pour ainsi dire comme exclue.
Lorsque, on cas do paternité du tiers, la durée de la grossesse serait
anormalement courte (l'enfant paraissant né à terme) tandis qu'elle serait
anormalement longue on cas de paternité du défendeur, la règle de l'art. 314
al. 2 est applicable.
Azione di paternità. Exceptio plurium.
Il concubito della madre con un terzo durante il periodo critico fa sorgere
seri dubbi sulla paternità del convenuto (art. 314 cp. 2 CC) salvo se la
paternità del terzo in confronto con quella del convenuto è così improbabile
ché può essere ritenuta, per così dire, exclusa.
Qualora, in caso di paternità del terzo, la durata della gravidanza fosse di
una brevità anormale (l'infante essendo nato a termine), mentre sarebbe di una
lunghezza anormale in caso di paternità del convenuto, è applicabile la regola
dell'art. 314 cp. 2 CC.

A. - Anna Manco, geb. 1920, brachte am 20. Februar 1940 ausserehelich das Kind
Anita zur Welt. Als Vater bezeichnete sie den 1919 geborenen André
Eggenberger, der zugab, mit der Kindsmutter vom Februar 1939 an in Luzern und
dann in Abtwil (St. Gallen), wo er Ende April bei ihr in der von ihrer Mutter
geführten Wirtschaft « Zum Gemsli » auf Besuch war, geschlechtliche
Beziehungen gehabt zu haben, zum letzten Mal am 29. oder 30. April 1939. Er
widersetzte sich jedoch der Klage mit der Behauptung, die Klägerin habe
während der kritischen Zeit (26. April - 24. August 1939) auch mit einem
August Egle geschlechtlich verkehrt und überhaupt einen unzüchtigen
Lebenswandel geführt. Die Klägerin gab zu, mit Egle verkehrt zu haben, jedoch
erst nachdem sie dem Beklagten von der eingetretenen Schwangerschaft
Mitteilung gemacht und dieser sich von ihr zurückgezogen habe. Nach der
Feststellung der Vorinstanz fand der erste Geschlechtsverkehr mit Egle
frühestens Anfangs Juli 1939 statt. Das Kind wies bei der Geburt alle Zeichen
der Reife auf.
B. - Gestützt auf diese Feststellungen schützte das Amtsgericht Luzern-Stadt
die Einrede des Mehrverkehrs nach Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB und wies die
Vaterschaftsklage ab. Auf Appellation der Klägerinnen verwarf jedoch das
Obergericht des Kantons Luzern jene Einrede sowie

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diejenige aus Art. 315 und hiess die Klage gut. Es führt, unter Berufung auf
BGE 61 II 305, aus, die Tatsache, dass die Kindsmutter während der kritischen
Zeit noch mit einem andern Manne geschlechtlich verkehrt habe, begründe nicht
ohne weiteres Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten; der Richter müsse
vielmehr die Grösse der Wahrscheinlichkeit der Zeugung durch den einen oder
den andern Beischläfer abwägen. Vorliegend sei ein Geschlechtsverkehr der
Klägerin mit Egle nicht vor dem Juli 1939 nachzuweisen. Bei Annahme der
Zeugung durch Egle ergäbe sich daher eine Schwangerschaftsdauer von höchstens
234 Tagen. In dem zitierten Urteil habe das Bundesgericht eine solche von 244
Tagen als unter der normalen Zeit liegend bezeichnet und entschieden, dass der
nur 244 Tage vor der Geburt des reifen Kindes erfolgte Geschlechtsverkehr die
Vermutung der Vaterschaft des Beklagten, der der Mutter 283 Tage vor der
Niederkunft beigewohnt hatte, nicht zu entkräften vermöge. Umsomehr gelte dies
für einen bloss 234 Tage vor der Geburt des reifen Kindes erfolgten
Drittverkehr gegenüber einem solchen des Beklagten im Abstand von 295 Tagen.
C. - Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung des Beklagten
mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerinnen tragen auf Bestätigung
desselben an.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die wiedergegebene Argumentation der Vorinstanz bedeutet eine zu weitgehende
Verallgemeinerung des in BGE 61 II 306 ausgesprochenen Gedankens und würde auf
eine Einschränkung und Abschwächung der exceptio plurium hinauslaufen, die
sich mit dem Sinn des Gesetzes nicht mehr vereinbaren liesse. Hiezu konnte
allerdings der Wortlaut der Begründung des zitierten Entscheides insofern
verleiten, als an einem aussergewöhnlichen Sonderfall eine Regel entwickelt,
jedoch zu generell formuliert wird. Immerhin wurde schon dort gesagt, dass bei

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nachgewiesenem Drittverkehr in der kritischen Zeit die exceptio Platz greift,
wenn die gegeneinander abzuwägenden Wahrscheinlichkeiten nicht « sehr ungleich
» seien, d. h. diejenige für die Vaterschaft des Beklagten nicht eindeutig
überwiege (S. 305 u.). Mit dieser Bedingung muss es der Richter streng nehmen.
Es ist davon auszugehen, dass nach wie vor die Regel der Grundsatz bildet,
wonach ein Drittverkehr in der kritischen Zeit die exceptio begründet. Diese
Regel wird nicht schon dann durchbrochen, wenn nach den - immer noch
unvollkommen bekannten - biologischen Gesetzen die Vaterschaft des Beklagten
mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat als diejenige des Dritten, sondern nur in
den ausgesprochenen Ausnahmefällen, wo die Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft
des letztern, verglichen mit der des Beklagten, so gering ist, dass die
Möglichkeit der Paternität des Dritten praktisch sogut wie ausgeschlossen
erscheint.
In dieser Beziehung unterscheidet sich der früher beurteilte Fall vom
vorliegenden in doppelter Hinsicht.
In jenem Falle wurde die Vaterschaft des Dritten nicht allein in Anbetracht
der sich dann ergebenden abnormal kurzen Schwangerschaftsdauer (244 Tage)
ausgeschlossen, sondern es war ausserdem festgestellt, dass bei der Klägerin
im Zeitpunkt ihres Verkehrs mit dem Dritten die Periode bereits ausgeblieben
war. Vorliegend ist nichts derartiges festgestellt. Wohl behauptet die
Kindsmutter, sie sei zur Zeit ihres ersten Geschlechtsverkehrs mit Egle
bereits schwanger gewesen, und dieser sagte aus, sie habe ihm dies damals
mitgeteilt. Die Vorinstanz hat sich jedoch über den Beweiswert dieser Angaben
nicht ausgesprochen. Die Aussage des Egle ist - ungeachtet des ihm von der
Vorinstanz zugebilligten Eindrucks der Wahrhaftigkeit - hinsichtlich der
Genauigkeit seiner Erinnerung mit Vorsicht aufzunehmen: lautete seine Angabe
doch dahin, jene Mitteilung habe ihm die Klägerin « eine ganz kurze Zeit, d.
h. einige Tage nach dem ersten Geschlechtsverkehr » anlässlich der Einvernahme
der Kindsmutter im Strafverfahren gemacht;

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diese fand jedoch, nach der Feststellung der Vorinstanz, frühestens am 9.
August 1939 statt, d. h. mehr als 3 Wochen nach ihrem ersten
Geschlechtsverkehr, wenn dieser Mitte Juli (wie Egle sowie die Klägerin in der
Klage erklärten), bezw. ca. 5 Wochen nach demselben, wenn er (wie sie im
Armenrechtsverfahren angab) Anfangs Juli erfolgt war.
Sodann und vor allem lag in dem 1935 entschiedenen Falle der
Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten Z. nur 283 Tage vor der Geburt, was einer
normalen Schwangerschaftsdauer entspricht, während diese, wenn der Dritte B.
der Erzeuger war, abnormal kurz gewesen wäre. Demgegenüber hätte im
vorliegenden Falle die Schwangerschaft, wenn sie vom letzten Verkehr mit dem
Beklagten (29. oder 30. April 1939) herrührte, 297 bezw. 296 Tage gedauert,
würde also bis zu 3 bezw. 4 Tagen an die oberste vom Gesetz für die
Vaterschaftsvermutung überhaupt noch berücksichtigte Grenze von 300 Tagen
heranreichen und die normale Dauer um 3-4 Wochen überschreiten. Der abnormal
kurzen Schwangerschaftsdauer im Falle der Vaterschaft des Dritten Egle (234
Tage) steht mithin eine ebenso abnormal lange bei der Zeugung durch den
Beklagten gegenüber. Es konkurriert also nicht ein seltener Ausnahmefall mit
einem Normalfall, sondern ein Ausnahmefall mit einem andern
(entgegengesetzten) Ausnahmefall, die beide an die absoluten Grenzwerte
ungefähr gleich nah heranreichen. Unter diesen Umständen kann - im Gegensatz
zum früheren Fall - nicht gesagt werden, die Vaterschaft des Beklagten sei so
viel wahrscheinlicher als die des Dritten, dass diese praktisch ausser
Betracht falle; vielmehr sind sie beide, nach der Schwangerschaftsdauer
beurteilt, ungefähr gleich wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Ein
Übergewicht für die eine könnte sich bei dieser Sachlage unter Umständen
wieder aus dem Reifegrad des Kindes ergeben. Sowenig aber dieses Zeichen einer
Frühgeburt aufwies, sowenig ist hinsichtlich der letzten
Schwangerschaftswochen und der Beschaffenheit der Frucht etwas bekannt, das
für eine so starke Übertragung

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spräche, wie sie eine Schwangerschaftsdauer von 296 Tagen darstellen würde.
Unter diesen Umständen wird die exceptio nicht durch die replicatio
entkräftet. Es greift die allgemeine Regel Platz, wonach Mehrverkehr in der
kritischen Zeit erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten begründet
und damit die gesetzliche Vermutung gegen diesen zu Fall bringt.
Muss demnach die Klage in Anwendung von Art. 314 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 314 - 1 Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
1    Die Bestimmungen über das Verfahren vor der Erwachsenenschutzbehörde sind sinngemäss anwendbar.
2    Die Kindesschutzbehörde kann in geeigneten Fällen die Eltern zu einem Mediationsversuch auffordern.
3    Errichtet die Kindesschutzbehörde eine Beistandschaft, so hält sie im Entscheiddispositiv die Aufgaben des Beistandes und allfällige Beschränkungen der elterlichen Sorge fest.
ZGB abgewiesen werden,
so braucht auf die Einrede aus Art. 315 nicht mehr eingegangen zu werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die
Klage abgewiesen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 68 II 150
Date : 31. Dezember 1942
Published : 02. Juli 1942
Source : Bundesgericht
Status : 68 II 150
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Vaterschaftsklage. Einrede des Mehrverkehrs.Der nachgewiesene Verkehr der Kindsmutter mit einem...


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