S. 30 / Nr. 5 Organisation der Bundesrechtspflege (d)

BGE 67 I 30

5. Auszug aus dem Urteil vom 24. Januar 1941 i. S. Gemeinde Bözen gegen
Jagdgesellschaft Iberg-Homberg und Finanzdirektion des Kantons Aargau.

Regeste:
Art. 178 , Zif. 1 OG: Die staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 175 Zif. 3 OG
ist nur zulässig gegen Entscheidungen und Verfügungen, die von kantonalen
Behörden kraft der ihnen zustehenden öffentlichen Gewalt erlassen werden.
Gegen schiedsgerichtliche Entscheide ist die Beschwerde nicht gegeben, auch
wenn als Schiedsrichter eine Gerichtsperson oder eine Behörde bezeichnet
wurde.
Art. 178 ch. l OJ: Le recours de droit public fondé sur l'art. 175 ch. 3 OJ
n'est recevable que dans le cas où il vise un jugement ou une décision
prononcé par une autorité cantonale en vertu du pouvoir public dont elle est
revêtue. Les jugements arbitraux ne peuvent faire l'objet d'un tel recours
alors même quo l'arbitre choisi serait un magistrat de l'ordre judiciaire ou
une autre autorité.
Art. 178 cifra 1 OGF: Il ricorso di diritto pubblico basato sull'art. 175
cifra 3 OGF è ricevibile soltanto nel caso in cui sia diretto contro una
sentenza o una decisione pronunciata da un'autorità cantonale in virtù dei
pubblici poteri di cui è rivestita. I lodi non possono essere impugnati con
ricorso di diritto pubblico anche se l'arbitro scelto fosse un magistrato
dell'ordine giudiziario od un'altra autorità.

A. - An der Versteigerung vom 27. September 1937 erwarb die Jagdgesellschaft
Iberg-Homberg das Revier der Gemeinde Bözen. Nach dem Pachtvertrag dauert die
Pacht 8 .Jahre und ist der jährliche Pachtzins Fr. 1060.-

Seite: 31
zahlbar zum voraus jeweilen am 1. Januar. Hervorzuheben ist noch:
Ziff. 14. «Kommt der Pächter seinen durch die Ersteigerung des Reviers
übernommenen Verpflichtungen nicht nach, so ist der Gemeinderat berechtigt,
das Pachtverhältnis sofort aufzuheben. Der Auflösung des Pachtverhältnisses
hat jedoch eine Mahnung vorauszugehen. Dem Pächter bleibt das Recht
vorbehalten, binnen 10 Tagen wegen der Auflösung des Pachtverhältnisses bei
der Finanzdirektion Beschwerde zu führen.»
Durch Bundesratsbeschluss vom 5. September 1939 wurde die Ausübung der Jagd im
ganzen Gebiete der Schweiz untersagt. Durch einen weitern BRB vom 22.
September 1939 wurden die Kantone ermächtigt, die Jagd vom 1. Oktober an
innert gewisser Schranken wieder zu gestatten. Der aargauische Regierungsrat
erliess in der Folge verschiedene Beschlüsse zur Regelung der Jagd im Einklang
mit der militärischen Sachlage. Im Revier Bözen konnte die Jagd erst wieder
nach dem 10. Juni 1940 und nur in einem beschränkten Umfang ausgeübt werden.
Während der Hauptjagdzeit 1939 (1. Oktober bis 31. Dezember) konnte also in
vielen Revieren des Aargaus überhaupt nicht gejagt werden. Im allgemeinen
bewilligten die Gemeinden einen Nachlass auf den Pachtzinsen (die Übernahme
des Nachlasses seitens des Bundes wurde abgelehnt).
Die Jagdgesellschaft Iberg-Homberg meldete beim Gemeinderat Bözen einen
Rückforderungsanspruch pro 1939 an und lehnte es vorläufig ab, den am 1.
Januar 1940 fälligen Pachtzins pro 1940 zu bezahlen.
Am 30. September 1940 forderte der Gemeinderat den Präsidenten der
Jagdgesellschaft auf, bis 10. Oktober den vollen Pachtzins für 1940 zu
bezahlen unter der Androhung, dass sonst das Pachtverhältnis sofort aufgelöst
werde. Die Jagdgesellschaft erklärte ihre Vergleichsbereitschaft und regte
eventuell an, die Frage der Pachtzinsreduktion durch ein Schiedsgericht
entscheiden zu lassen.

Seite: 32
Am 8. Oktober deponierte sie den Pachtzins beim Gerichtspräsidenten Brugg. Am
11. Oktober erklärte der Gemeinderat das Pachtverhältnis als aufgelöst, da die
Forderung betreffend Bezahlung des Pachtzinses für 1940 nicht erfüllt worden
sei. Am 1. November 1940 versteigerte der Gemeinderat das Revier neuerdings
und schlug es zwei andern Personen zu zum bisherigen Pachtzins.
Über die Auflösung des Pachtverhältnisses beschwerte sich die Jagdgesellschaft
bei der Finanzdirektion. Mit Verfügung vom 23. Oktober erteilte diese der
Beschwerde aufschiebende Wirkung und erklärte die Jagdgesellschaft berechtigt,
nach Massgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Jagd auszuüben. Der
Gemeinderat zog diese Verfügung an den Regierungsrat weiter, indem er geltend
machte, die Auflösung des Pachtverhältnisses sei zivilrechtlicher Natur und
deren Behandlung stehe selbständig der Gemeinde bezw. dem Gemeinderat Bözen
zu. Die Verfügung der Finanzdirektion verstosse gegen Art. 3 und 44 der
Staatsverfassung. Der Regierungsrat trat am 8. November auf die Beschwerde
nicht ein: «Die Finanzdirektion hat in dieser Jagdangelegenheit gehandelt und
entschieden gestützt auf Ziff. 14 der Steigerungsbedingungen für die
Jagdpacht, wodurch der Finanzdirektion, und nur dieser, von den Parteien,
nämlich von der Gemeinde einerseits und den Pächtern anderseits, die Kompetenz
zum Entscheid über die Frage der Auflösung des Pachtvertrages eingeräumt
wurde. Eine Beschwerde an den Regierungsrat kann infolgedessen nicht in Frage
kommen, auch nicht ein Entscheid des Regierungsrates. Im übrigen gilt die von
der Finanzdirektion erlassene Verfügung nur so lange, bis ein rechtskräftiger
Entscheid des zuständigen Richters vorliegt.»
Am 6. November verfügte die Finanzdirektion: «Der Beschluss des Gemeinderates
Bözen vom 10. Oktober 1940 betr. Auflösung des Pachtverhältnisses zwischen ihm
und der Jagdgesellschaft Iberg-Homberg wird als ungültig erklärt, und es wird
festgestellt, dass die Jagdgesellschaft,

Seite: 33
bestehend aus den Herren J. Bächtiger, in Basel, Dr. E. Kistler, in Brugg, und
Gottl. Pfenninger, in Zürich, weiterhin zur Jagdausübung in diesem Revier
berechtigt ist, und weiter wird festgestellt, dass auf Grund des vom
Gemeinderat Bözen mit Arnet, Bäckermeister in Herznach abgeschlossenen neuen
Pachtvertrages die Jagd nicht ausgeübt werden darf. - Diese Feststellungen und
Verfügungen gelten, bis der zuständige Richter in der Angelegenheit
entschieden hat.»
Auch hierüber beschwerte sich der Gemeinderat beim Regierungsrat, der am 15.
November aus den gleichen Gründen nicht eintrat wie auf die erste Beschwerde;
er fügte noch bei: «Die Finanzdirektion handelte beim Entscheid der Frage, ob
der Jagdpachtvertrag zwischen dem Gemeinderat Bözen und den Revierpächtern Dr.
Kistler, Bächtiger und Pfenninger einseitig aufgelöst werden könne, nicht als
Regierungsdirektion, gegen deren Verfügung die Beschwerde an den Regierungstat
zulässig wäre, sondern in schiedsrichterlicher Eigenschaft, da der
Pachtvertrag diese Beschwerdemöglichkeit an die Finanzdirektion ausdrücklich
vorsieht.»
B. - Am 2. Dezember hat der Gemeinderat Bözen gegen die beiden Verfügungen der
Finanzdirektion und die beiden Entscheide des Regierungsrates die
staatsrechtliche Beschwerde ergriffen mit dem Antrag, sie seien aufzuheben.
Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde nicht eingetreten, soweit sie gegen
die Verfügungen der Finanzdirektion vom 23. Oktober und 6. November 1940
gerichtet war, hinsichtlich der Verfügung vom 6. November
in Erwägung:
(Erw. 3.)-Der Finanzdirektor leitet seine Befugnis, die Verfügung vom 6.
November zu erlassen, ausschliesslich aus Ziff. 14 der Pachtbedingungen her
und nicht aus irgend einer staatlichen Kompetenzbestimmung. Ziff. 14 des
Pachtvertrages behält dem Pächter das Recht vor,

Seite: 34
binnen 10 Tagen wegen der Auflösung des Pachtverhältnisses bei der
Finanzdirektion Beschwerde zu führen. Die durch diese Bestimmung begründete
Zuständigkeit fasst der Finanzdirektor dahin auf, dass er nicht etwa über die
Begründetheit der vom Gemeinderat ausgesprochenen Auflösung des
Pachtverhältnisses definitiv zu entscheiden hat. Das ist, da der
Jagdpachtvertrag im Kanton Aargau als zivilrechtlicher Vertrag angesehen wird,
Sache des ordentlichen Richters. Der Finanzdirektor hatte nur die Aufgabe, bis
zum Entscheide des Richters gegebenenfalls eine Art vorsorgliche Verfügung zu
treffen, die das Verhältnis vorläufig ordnet, den Richter aber in keiner Weise
bindet. In diesem Sinne lautet die angefochtene Verfügung vom 6. November.
Ob gegen sie der staatsrechtliche Rekurs zulässig sei, hängt, von der Frage
ab, ob es eine kantonale Verfügung nach Art. 178 ' OG sei. Dies ist der Fall,
wenn die Verfügung erlassen wurde von einer kantonalen Behörde kraft der ihr
zustehenden öffentlichen Gewalt, wenn sie ein Ausdruck dieser öffentlichen
Gewalt ist. Diese Voraussetzung trifft hier nicht zu. Der äussern Form nach
handelt es sich allerdings um eine Verfügung einer Amtsstelle, der
Finanzdirektion. Aber die Verfügung zieht ihre verbindliche Wirkung für die
Beteiligten nicht aus einer öffentlichen, amtlichen Entscheidungsbefugnis,
sondern nur aus dem Willen der Parteien, wie er in einer Vertragsklausel
niedergelegt ist. Und hierin liegt der ausschlaggebende Gesichtspunkt, um den
kantonalen Charakter der Verfügung und damit die Statthaftigkeit des
staatsrechtlichen Rekurses gegen sie zu verneinen.
Das Bundesgericht ist von jeher auf staatsrechtliche Beschwerden gegen
schiedsgerichtliche Entscheide nicht eingetreten, eben weil es keine
staatlichen Entscheide sind (BGE 31 I 113, 32 I 46, 34 I 393). Auch wenn als
Schiedsrichter eine Gerichtsperson bezeichnet wurde («der Gerichtspräsident
von O», ohne Angabe des Namens), wurde das Urteil als privates, nicht als
öffentliches angesehen und

Seite: 35
der staatsrechtliche Rekurs als unzulässig erklärt (BGE 31 I 113, Erw. 2).
Eingetreten wurde nur, wenn die Zuständigkeit der verfügenden oder
entscheidenden Stelle sich nicht bloss aus dem Parteiwillen, sondern zugleich
aus einer staatlichen Vorschrift ergab (BGE 43 I 53: Mitwirkung des
Obergerichts beim Schiedsverfahren; Urteil «Les Entilles» vom 12. November
1921, nicht publiziert: kantonale Bestimmung, derzufolge der Friedensrichter,
ausser seiner normalen Kompetenz, über Streitigkeiten zu entscheiden hat, wenn
ihn die Parteien als Richter annehmen). In der vorliegenden Sache fehlt es
aber, wie bemerkt, an jeder gesetzlichen Stütze, neben den Pachtbedingungen,
für die Verfügungsbefugnis der Finanzdirektion.
Kann somit auf die Beschwerde über die Verfügung der Finanzdirektion nicht
eingetreten werden, so bezieht sich das auch auf die Frage, ob diese
Amtsstelle die Ziff. 14 der Pachtbedingungen mit Recht als eine Ermächtigung
zu einer allfälligen provisorischen Verfügung aufgefasst habe
Vgl. auch Nr. 3 und 4. - Voir aussi nos 3 et 4.
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : 67 I 30
Date : 31 décembre 1941
Publié : 23 janvier 1941
Source : Tribunal fédéral
Statut : 67 I 30
Domaine : ATF - Droit administratif et droit international public
Objet : Art. 178, Zif. 1 OG: Die staatsrechtliche Beschwerde nach Art. 175 Zif. 3 OG ist nur zulässig gegen...


Répertoire des lois
OJ: 175  178
Répertoire ATF
31-I-111 • 32-I-46 • 34-I-392 • 43-I-46 • 67-I-30
Répertoire de mots-clés
Trié par fréquence ou alphabet
conseil exécutif • conseil d'état • question • fermage • commune • recours de droit public • argovie • décision • autorité cantonale • tribunal fédéral • jour • autorisation ou approbation • bail à ferme • pouvoir de décision • loi fédérale d'organisation judiciaire • autorité judiciaire • caractéristique • volonté • caractère • enchères
... Les montrer tous