S. 96 / Nr. 23 Erbrecht (d)

BGE 66 II 96

23. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Juni 1940 i. S. Schmutz gegen
Schmutz und Kons.

Regeste:
Bäuerliches Erbrecht. Anspruch des Übernehmers auf Verschiebung der Teilung
(Art. 622 ZGB) auch dann, wenn die bereits vorhandene Pfandbelastung über 3/4
des Anrechnungswertes beträgt.
Wie hoch der Übernehmer das Heimwesen zwecks Abfindung der Miterben würde
belasten müssen, ist bei der Prüfung seiner Eignung nach Art. 620 zu
berücksichtigen.
Succession paysanne. L'héritier qui reprend le domaine peut aussi exiger qu'il
soit sursis au partage (622 CC) lorsque les droits de gage qui grevaient le
domaine dès avant la reprise dépassaient les trois quarts du prix fixé pour
celui-ci.
C'est lors de l'examen relatif à l'aptitude de l'héritier reprenant (art. 620
CC) que l'on doit tenir compte des charges que ce dernier devrait imposer au
domaine pour désintéresser ses cohéritiers.
Successione comprendente un'azienda agricola. L'assuntore dell'azienda può
domandare che la divisione sia differita anche quando i diritti di pegno già
esistenti eccedono i tre quarti del valore d'imputazione.
Nell'esame dell'idoneità dell'erede che intende assumere l'azienda (art. 620
CC) si deve tener conto degli oneri ch'egli dovrebbe imporre all azienda per
far fronte alle pretese dei coeredi.

A. - Auf Grund erhobener Klage gegen seine Miterben, letztinstanzlich
geschützt durch Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Dezember 1938, erhielt
Johann Schmutz das von seiner Mutter hinterlassene bäuerliche Heimwesen
Kleinegg in Hasle, Grundsteuerschatzung Fr. 46260.-, zum Ertragswerte
zugewiesen. In der Folge erhoben die übrigen Erben Klage auf sofortige
Teilung. Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und erhob Widerklage mit
dem Rechtsbegehren, die Teilung sei bezüglich des Heimwesens gemäss Art. 622
ZGB hinauszuschieben.

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B. - Mit Urteil vom 13. März 1940 hat der Appellationshof des Kantons Bern die
Klage gutgeheissen und die Erbteilung angeordnet. Er führt aus, gemäss dem
Wortlaut des Art. 622 ZGB müsse die 3/4 des Anrechnungswertes übersteigende
Verschuldung des Gewerbes, damit sie den Übernehmer zum Verlangen nach
Verschiebung der Teilung berechtige, durch die Anteile der Miterben verursacht
sein. Hier aber betrage die bereits vorhandene Belastung der Liegenschaft Fr.
24280.-, also mehr als 3/4 des Anrechnungswertes von Fr. 32285. - (3/4 = Fr.
24,213.75). Art. 622 wolle den Übernehmer davor schützen, dass er durch den
Zwang zur Auszahlung seiner Miterben das Gewerbe mit Schulden überlasten
müsse. Wenn das zu vermeidende Übel der Überbelastung bereits aus andern
Gründen als infolge der Erbteilung eingetreten sei, gebe es nichts mehr zu
vermeiden und daher keinen Grund mehr, eine Bestimmung anzuwenden, welche die
Miterben in ihren Ansprüchen schmälere. Bei bereits vorhandener hoher
Verschuldung könne den Miterben nicht zugemutet werden, sich mit einer
Ertragsgemeinderschaft oder mit Erbengülten zu begnügen; denn einerseits sei
der Ertrag durch die Grundpfandzinsen vorweg sogut wie ganz absorbiert,
anderseits auch die Pfandsicherheit der Erbengülten keine sehr gute mehr. Bei
derart fortgeschrittener Verschuldung wäre es daher ein zu weitgehender
Eingriff in die Interessen der Miterben, wenn ihnen die Verschiebung der
Teilung zugemutet würde.
C. - Mit der vorliegenden Berufung hält der Beklagte an seinem Begehren auf
Verschiebung der Teilung fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Der vorinstanzlichen Auslegung des Art. 622 Abs. 1 ZGB, wonach diese
Bestimmung nur anwendbar sei, wenn die Belastungsgrenze von 3/4 des
Anrechnungs (= Ertrags-) wertes der Liegenschaft erst durch die
Abfindungshypotheken der Miterben überschritten werde, kann nicht

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beigepflichtet werden. Weder zwingt der Wortlaut des Art. 622 zu dieser
Auslegung, noch entspricht sie der ratio legis. Nach allen drei Gesetzestexten
ist die Voraussetzung des Teilungsaufschubs lediglich die, dass die Belastung,
bestehend aus den bisherigen Pfandrechten zuzüglich der zu errichtenden
Abfindungshypotheken, die Dreiviertelgrenze übersteigen würde. Der vom Gesetz
verlangte Kausalzusammenhang zwischen Miterbenabfindung und Überschuldung ist
auch in einem Falle wie dem vorliegenden gegeben; in dem allein massgebenden
Totalbetrage ist die Grundpfandlast die Folge der Summierung der bisherigen
und der zu errichtenden neuen Pfandforderungen, also auch dieser letzteren
direkt. Die gegenteilige Interpretation hätte das widersinnige Resultat, dass
der Übernehmer eines bisher wenig belasteten Heimwesens der Erleichterung nach
Art. 622 teilhaftig würde, der Übernehmer eines bereits hochbelasteten
landwirtschaftlichen Gewerbes, der ihrer umso mehr bedürfte, dagegen nicht.
Dies wäre eventuell gerechtfertigt, wenn in allen Fällen, wo die
Abfindungshypotheken in ihrem ganzen Betrage über die Dreiviertelgrenze zu
liegen kämen, eo ipso feststände, dass der Zweck des Art. 622 - einem Erben
die Erhaltung des Heimwesens in der Familie zu ermöglichen - illusorisch
würde. Das trifft jedoch nicht allgemein zu; es ist durchaus möglich, dass ein
besonders tüchtiger Übernehmer trotz der hohen Belastung das Gewerbe, dank der
Erleichterung nach Art. 622, rentabel gestalten und jene mit der Zeit
reduzieren kann.
Ob hiefür im vorliegenden Falle beim Beklagten Aussicht besteht, erscheint
allerdings fraglich, ist jedoch in diesem Verfahren unerheblich, wo sein
Anspruch auf Zuweisung des Gewerbes nicht mehr im Streite liegt. Die Frage,
wie hoch der Übernehmer das Heimwesen im Falle der Zuweisung zwecks Abfindung
der Miterben würde belasten müssen, konnte bei der Prüfung seiner Eignung im
Verfahren nach Art. 620 aufgeworfen und

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berücksichtigt werden. Von einem Übernehmer, bei dem zum vornherein feststeht,
dass seine Miterben auf das Verbleiben in einer Ertragsgemeinderschaft mit ihm
bezw. auf Abfindung mit Erbengülten angewiesen sein werden, darf und muss ein
höherer Grad von Eignung verlangt werden als von einem, der von der
Vergünstigung des Art. 622 nicht Gebrauch machen muss. Nachdem jedoch über die
Zuweisung an den Beklagten in dem früheren Verfahren rechtskräftig entschieden
ist, hat er, da die Voraussetzung der Überbelastung im Sinne des Art. 622
gegeben ist, Anspruch auf Anwendung dieser Bestimmung.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil dahin abgeändert,
dass die Klage auf Erbteilung abgewiesen und die Widerklage auf Verschiebung
der Erbteilung geschützt wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 66 II 96
Datum : 01. Januar 1940
Publiziert : 26. Juni 1940
Quelle : Bundesgericht
Status : 66 II 96
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Bäuerliches Erbrecht. Anspruch des Übernehmers auf Verschiebung der Teilung (Art. 622 ZGB) auch...


Gesetzesregister
ZGB: 622
BGE Register
66-II-96
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