S. 72 / Nr. 21 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 72

21. Entscheid vom 19. Juni 1939 i. S. Kläsi.

Regeste:
Legitimation zur Beschwerdeführung, Art. 17 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG:
Besteht bei einer Handelsgesellschaft oder juristischen Person kollektive
Zeichnungsberechtigung, so kann einer der nur gemeinsam Zeichnungsberechtigten
zwar allein für die Gesellschaft Recht vorschlagen, aber nicht beim
Widerspruch des Andern namens der Gesellschaft Beschwerde führen oder einen
Beschwerdeentscheid weiterziehen;
- ausgenommen, wenn gegen den Widersprechenden ein gerichtliches Verfahren auf
Entzug der Vertretungsbefugnis eingeleitet ist.
Qualité pour porter plainte, Art. 17 et suiv. LP:
En matière de sociétés commerciales ou de personnes morales celui dont la
signature n'engage la société que collectivement avec un autre peut cependant
faire opposition valable au nom de la société. Mais il n'a pas qualité pour
porter plainte ou recourir au nom de la société contre la décision rendue sur
la plainte, si celui qui doit normalement signer avec lui s'y refuse;

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- à moins toutefois qu'une procédure judiciaire no soit engagée contre
l'opposant, tendante à lui faire retirer le pouvoir de représentation.
Qualità per interporre reclamo, art. 17 e seg. LEF:
Se una società commerciale o una persona morale è vincolata dalla firma
collettiva di due persone, una di queste da sola può validamente fare
opposizione in nome della società, ma non ha qualità per interporre reclamo o
ricorrere contro la decisione di un reclamo, se l'altra persona si rifiuta di
firmare, a meno che contro quest'ultima sia intentata una procedura
giudiziaria per far revocare la sua facoltà di rappresentanza.

A. - Als der Firma Sanar G.m.b.H., Zürich, die aus den kollektiv
zeichnungsberechtigten Gesellschaftern Sessler und Frischknecht besteht, in
der Betreibung des J. Kläsi der Zahlungsbefehl zugestellt wurde, erklärte
Sessler ohne Einverständnis des Mitgesellschafters den Rechtsvorschlag. Das
Betreibungsamt vermerkte diesen auf der Gläubigerausfertigung des
Zahlungsbefehles. Hierüber beschwerte sich der Gläubiger. Er verlangte, dass
der Rechtsvorschlag als unwirksam erklärt und seinem Fortsetzungsbegehren
Folge gegeben werde. Das Bezirksgericht Zürich schützte die Beschwerde. Gegen
seinen Entscheid rekurrierte Sessler an die obere kantonale Aufsichtsbehörde.
Er erklärte, im Namen der betriebenen Gesellschaft zu handeln, obwohl der
Mitgesellschafter Frischknecht dem Rekurs entgegentrat und auf Abweisung
desselben beantragte. Eventuell beanspruchte Sessler für sich das selbständige
Rekursrecht in der Eigenschaft als Nebenintervenient. Das Obergericht trat auf
den Rekurs ein, hiess ihn gut und wies die Beschwerde ab.
B. - Mit seinem Rekurs an das Bundesgericht wiederholt der Gläubiger den
Beschwerdeantrag.
Die Schuldbetreibungs- u Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Obwohl dem Gesellschafter Sessler nur kollektiv mit dem Mitgesellschafter
Frischknecht die Zeichnungsberechtigung für die betriebene Gesellschaft
zukommt, war er gemäss Art. 65
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 65 - 1 Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1    Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1  für eine Gemeinde, einen Kanton oder die Eidgenossenschaft der Präsident der vollziehenden Behörde oder die von der vollziehenden Behörde bezeichnete Dienststelle;
2  für eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditaktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Genossenschaft oder einen im Handelsregister eingetragenen Verein jedes Mitglied der Verwaltung oder des Vorstandes sowie jeder Direktor oder Prokurist;
3  für eine anderweitige juristische Person der Präsident der Verwaltung oder der Verwalter;
4  für eine Kollektivgesellschaft oder Kommanditgesellschaft jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter und jeder Prokurist.
2    Werden die genannten Personen in ihrem Geschäftslokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung auch an einen andern Beamten oder Angestellten erfolgen.
3    Ist die Betreibung gegen eine unverteilte Erbschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den für die Erbschaft bestellten Vertreter oder, wenn ein solcher nicht bekannt ist, an einen der Erben.121
SchKG befugt, den Zahlungsbefehl allein

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entgegenzunehmen. Wenn die Vorinstanz daraus folgert, dass er auch den
Rechtsvorschlag namens der Betriebenen allein erklären durfte, so befindet sie
sich im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung. Hieraus ergibt sich aber
nichts für die Frage, ob Sessler allein auch zum Rekurs gegen den seine
Rechtsvorschlagserklärung aufhebenden Beschwerdeentscheid der ersten Instanz
legitimiert gewesen sei. Nur der Schuldner selber kann gegen eine seine Rechte
verletzende Betreibungshandlung Beschwerde führen, und nur er allein auch
gegen einen ihn berührenden Beschwerdeentscheid den Rekurs an die obere
Aufsichtsbehörde ergreifen. Ist der Schuldner eine juristische Person, so
haben diese Rechtshandlungen folglich von ihren Vertretungsberechtigten
auszugehen. Dies sind im vorliegenden Fall die beiden kollektiv
zeichnungsberechtigten Gesellschafter zusammen (Art. 814 u
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 65 - 1 Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1    Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1  für eine Gemeinde, einen Kanton oder die Eidgenossenschaft der Präsident der vollziehenden Behörde oder die von der vollziehenden Behörde bezeichnete Dienststelle;
2  für eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditaktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Genossenschaft oder einen im Handelsregister eingetragenen Verein jedes Mitglied der Verwaltung oder des Vorstandes sowie jeder Direktor oder Prokurist;
3  für eine anderweitige juristische Person der Präsident der Verwaltung oder der Verwalter;
4  für eine Kollektivgesellschaft oder Kommanditgesellschaft jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter und jeder Prokurist.
2    Werden die genannten Personen in ihrem Geschäftslokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung auch an einen andern Beamten oder Angestellten erfolgen.
3    Ist die Betreibung gegen eine unverteilte Erbschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den für die Erbschaft bestellten Vertreter oder, wenn ein solcher nicht bekannt ist, an einen der Erben.121
. 718 OR). Einem von
ihnen allein könnte die Legitimation zum Rekurs nur zuerkannt werden, wenn dem
andern die Vertretungsbefugnis durch den Richter im Sinne von Art. 814 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 814 - 1 Jeder Geschäftsführer ist zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
1    Jeder Geschäftsführer ist zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
2    Die Statuten können die Vertretung abweichend regeln, jedoch muss mindestens ein Geschäftsführer zur Vertretung befugt sein. Für Einzelheiten können die Statuten auf ein Reglement verweisen.
3    Die Gesellschaft muss durch eine Person vertreten werden können, die Wohnsitz in der Schweiz hat. Diese Person muss Geschäftsführer oder Direktor sein. Sie muss Zugang zum Anteilbuch sowie zum Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen nach Artikel 697l haben.698
4    Für den Umfang und die Beschränkung der Vertretungsbefugnis sowie für Verträge zwischen der Gesellschaft und der Person, die sie vertritt, sind die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar.
5    Die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen haben in der Weise zu zeichnen, dass sie der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift beifügen.
6    ...699

und 565
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 565 - 1 Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter aus wichtigen Gründen entzogen werden.
1    Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter aus wichtigen Gründen entzogen werden.
2    Macht ein Gesellschafter solche Gründe glaubhaft, so kann auf seinen Antrag das Gericht, wenn Gefahr im Verzug liegt, die Vertretungsbefugnis vorläufig entziehen. Diese gerichtliche Verfügung ist im Handelsregister einzutragen.
OR entzogen oder wenigstens das Verfahren für diese Entziehung
eingeleitet wäre. Davon ist vorliegend nicht die Rede. Die Vorinstanz durfte
deshalb auf den Rekurs des einen Gesellschafters, dem der andere ausdrücklich
widersprach, nicht eintreten, da er nicht von der Schuldnerin ausging.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 19. Mai 1939 aufgehoben und das Betreibungsamt Zürich 1 angewiesen,
dem Fortsetzungsbegehren des Rekurrenten Folge zu geben.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 65 III 72
Datum : 01. Januar 1938
Publiziert : 19. Juni 1939
Quelle : Bundesgericht
Status : 65 III 72
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Legitimation zur Beschwerdeführung, Art. 17 ff SchKG:Besteht bei einer Handelsgesellschaft oder...


Gesetzesregister
OR: 565 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 565 - 1 Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter aus wichtigen Gründen entzogen werden.
1    Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter aus wichtigen Gründen entzogen werden.
2    Macht ein Gesellschafter solche Gründe glaubhaft, so kann auf seinen Antrag das Gericht, wenn Gefahr im Verzug liegt, die Vertretungsbefugnis vorläufig entziehen. Diese gerichtliche Verfügung ist im Handelsregister einzutragen.
814 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 814 - 1 Jeder Geschäftsführer ist zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
1    Jeder Geschäftsführer ist zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.
2    Die Statuten können die Vertretung abweichend regeln, jedoch muss mindestens ein Geschäftsführer zur Vertretung befugt sein. Für Einzelheiten können die Statuten auf ein Reglement verweisen.
3    Die Gesellschaft muss durch eine Person vertreten werden können, die Wohnsitz in der Schweiz hat. Diese Person muss Geschäftsführer oder Direktor sein. Sie muss Zugang zum Anteilbuch sowie zum Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen nach Artikel 697l haben.698
4    Für den Umfang und die Beschränkung der Vertretungsbefugnis sowie für Verträge zwischen der Gesellschaft und der Person, die sie vertritt, sind die Vorschriften des Aktienrechts entsprechend anwendbar.
5    Die zur Vertretung der Gesellschaft befugten Personen haben in der Weise zu zeichnen, dass sie der Firma der Gesellschaft ihre Unterschrift beifügen.
6    ...699
814u
SchKG: 17 
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
65
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 65 - 1 Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1    Ist die Betreibung gegen eine juristische Person oder eine Gesellschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den Vertreter derselben. Als solcher gilt:
1  für eine Gemeinde, einen Kanton oder die Eidgenossenschaft der Präsident der vollziehenden Behörde oder die von der vollziehenden Behörde bezeichnete Dienststelle;
2  für eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditaktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eine Genossenschaft oder einen im Handelsregister eingetragenen Verein jedes Mitglied der Verwaltung oder des Vorstandes sowie jeder Direktor oder Prokurist;
3  für eine anderweitige juristische Person der Präsident der Verwaltung oder der Verwalter;
4  für eine Kollektivgesellschaft oder Kommanditgesellschaft jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter und jeder Prokurist.
2    Werden die genannten Personen in ihrem Geschäftslokale nicht angetroffen, so kann die Zustellung auch an einen andern Beamten oder Angestellten erfolgen.
3    Ist die Betreibung gegen eine unverteilte Erbschaft gerichtet, so erfolgt die Zustellung an den für die Erbschaft bestellten Vertreter oder, wenn ein solcher nicht bekannt ist, an einen der Erben.121
BGE Register
65-III-72
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rechtsvorschlag • zahlungsbefehl • legitimation • fortsetzungsbegehren • schuldner • vorinstanz • juristische person • betreibungsamt • unterschriftsberechtigter • rechtsmittel • aufhebung • richterliche behörde • unternehmung • entscheid • erste instanz • wiese • mais • handelsgesellschaft • frage • eigenschaft
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