S. 62 / Nr. 9 Strafrecht (d)

BGE 64 I 62

9. Urteil der Anklagekammer vom 12. März 1938 i. S. Polizeigericht Basel-Stadt
gegen Polizeikommando Zürich.

Regeste:
Umwandlung uneinbringlicher Geldbusse in Gefängnis nach Art. 8 BStrR:
Wird die Geldbusse geleistet, so fällt die Umwandlungsstrafe dahin, auch wenn
sie bereits vollziehbar geworden war.

Der Präsident des Polizeigerichtes von Basel-Stadt hat den in Zürich wohnenden
Chauffeur Emil Ringele am 27./30. August 1937 wegen Motorfahrens mit Überlast
gemäss Art. 68 Abs. 1 MFG zu einer Geldbusse von

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Fr. 30.-, «im Nichtbeibringungsfalle umgewandelt in 3 Tage Gefängnis»,
verurteilt, mit der Eröffnung, dass der Bussenbetrag binnen dreier Monate seit
Rechtskraft des Urteils bezahlt werden müsse und nach unbenutztem Ablauf
dieser Frist unwiderruflich die eventuell ausgesprochene Gefängnisstrafe zu
vollziehen wäre. Nachdem die drei Monate trotz zwei Mahnungen ohne Eingang der
Zahlung verstrichen sind, verlangt der erwähnte Richter den Vollzug der
Gefängnisstrafe durch das Polizeikommando Zürich und hält an diesem Begehren
fest, obwohl Ringele den Bussenbetrag nun bei der Zürcher Polizeibehörde
erlegt hat, welche unter Berufung auf § 352 der zürcherischen StrPO die
nachträglich geleistete Zahlung noch als wirksame Erfüllung des Bussenurteils
berücksichtigt wissen will und den Vollzug der Gefängnisstrafe ablehnt.
Gemäss Art. 252 BStrP wendet sich der Polizeigerichtspräsident von Basel an
die Anklagekammer des Bundesgerichtes mit dem Antrag, das Polizeikommando
Zürich sei zum Vollzug der Gefängnisstrafe anzuhalten. Die Zürcher
Polizeibehörde, vertreten durch die kantonale Justizdirektion, beantragt,
dieses Begehren abzuweisen, die Umwandlungsstrafe als dahingefallen zu
erklären und die Überweisung des Bussenbetrages an das Polizeigericht Basel zu
verfügen.
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.- Ob die Umwandlungsstrafe ungeachtet der nachträglichen Zahlung des
Bussenbetrages unter Rückweisung der Zahlung vollzogen werden müsse oder ob
diese Zahlung noch als gültige Erfüllung des Strafurteils anzunehmen und
anzuerkennen sei, ist entgegen der Ansicht der Zürcher Behörden keine blosse
Frage des kantonalen Strafvollzugrechtes. Es handelt sich nicht einfach um den
Vollzug einer Strafe von bestimmter Art und bestimmtem Masse, sondern darum,
ob die Strafe, deren Vollzug auf dem Wege der Rechtshilfe anbegehrt wird,
überhaupt

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endgültig verwirkt sei, dergestalt dass eine Bussenleistung nicht mehr
zugelassen werden könne. Damit steht der Inhalt und die Tragweite des
Strafurteils selbst zur Erörterung, das einmal die Busse als solche, sodann
aber auch die eventuelle Umwandlung in Gefängnis auf Grund des Bundesrechtes
ausspricht; denn nach Art. 65 Abs. 3 MFG war der erste Abschnitt des Gesetzes
über das Bundesstrafrecht vom 4. Februar 1853 und damit auch dessen Art. 8
anwendbar. Diese Bestimmung umschreibt die Bedingungen der Umwandlung, ohne
freilich deren Bedeutung in der hier streitigen Beziehung klarzustellen;
allein es kann nicht der Wille des Gesetzes sein, diese die Erfüllbarkeit des
Urteils beschlagende Frage durch das kantonale Recht des Strafvollzuges
entscheiden zu lassen, was zur Folge hätte, dass von Kanton zu Kanton
verschiedene Grundsätze Anwendung finden könnten. Ob die Busse auch bei
Vollziehbarkeit der Eventualstrafe, solange diese nicht tatsächlich vollzogen
ist, erfüllbar bleibe, muss sich vielmehr auf dem Boden des Bundesrechtes
bestimmen, auf dem die Busse und die Umwandlungsstrafe beruhen.
2.- Mit dem Wortlaut von Art. 8 BStrR ist sowohl die von den Zürcher Behörden
vertretene mildere Auslegung, wozu sich die meisten Kantone bekennen, wie auch
die von den Basler Behörden geforderte strengere Handhabung vereinbar, die, im
Gegensatz zur Bundesanwaltschaft, vom eidgenössischen Justizdepartement
verfochten worden ist (BURCKHARDT, Bundesrecht, IV, Nr. 2044 V). Dem Wesen der
Umwandlungsstrafe wird die mildere Auslegung besser gerecht. Sie braucht daher
nicht als Gewohnheitsrecht gegenüber dem Gesetze zur Geltung gebracht zu
werden, was Bedenken erwecken müsste, sondern darf als Wille des Gesetzes
selbst gelten. Die eventuell auszusprechende Freiheitsstrafe ist nur Ersatz
für die eigentlich zu leistende Geldbusse. Die Umwandlung geschieht nur, um
ein Bussenurteil, das als solches unerfüllt geblieben ist, in anderer Form,
nach bestimmtem Umwandlungsmasstab, vollziehbar zu machen, damit es nicht

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überhaupt unvollzogen bleibe. Das Gesetz sieht eine Frist von drei Monaten
vor, nach deren Ablauf zum Vollzug der Ersatzstrafe geschritten werden soll
(vorausgesetzt dass das Nötige vorgekehrt wurde, um die Busse einzubringen; ob
die vorliegenden Mahnungen hiezu genügten, mag dahingestellt bleiben). Ober
diese Frist hinaus darf die Behörde nicht zur Geduld verwiesen werden; allein
nichts hindert die Annahme einer nachträglichen Bussenleistung, sofern sie
eben noch eingeht, bevor die Ersatzstrafe vollzogen ist. Mit solcher Leistung
ist das Urteil erfüllt und bedarf es keines Ersatzes mehr. Anders wäre zu
entscheiden, wenn Gefängnis als Strafe für die nicht binnen bestimmter Frist
bewirkte Leistung der Busse angedroht wäre. Das ist aber nicht der Fall, wie
ohne weiteres daraus erhellt, dass die Umwandlung gleicherweise bei
unverschuldeter wie bei allfällig verschuldeter Nichtbezahlung der Busse
einzutreten hat, und dass sich die Dauer der Ersatzstrafe einfach nach der
Höhe der Busse bestimmt, ohne jede Rücksicht auf Vorliegen und Grad eines
Verschuldens hinsichtlich der Erfüllung des Urteils. Es handelt sich also in
der Tat lediglich um Bussenersatz, dessen Anwendung auch nach Eintritt der
Vollziehbarkeit entfallen muss, wenn dem Vollzug die nachträgliche Zahlung
zuvorkommt. Die Gültigkeit solcher nachträglicher Bussenleistung drängt sich
auch aus dem Gesichtspunkte der Menschlichkeit auf, besonders in dem vom
Gesetze keiner Sonderbestimmung unterstellten Falle unverschuldeter
Verzögerung; abgesehen von der allgemeinen Erwägung, dass die Anwendung der
schwereren Ersatzstrafe auch nach Eintritt der Vollziehbarkeit ein Notbehelf
ist, der vor der Leistung der Busse zurückzutreten hat.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Das Begehren des Polizeigerichtes von Basel-Stadt wird abgewiesen, die im
Strafbefehl vom 27./30. August 1937 angedrohte eventuelle Gefängnisstrafe
zufolge

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nachträglicher Bezahlung der Busse als hinfällig erklärt und die Überweisung
des Bussenbetrages an das Polizeigericht von Basel-Stadt angeordnet.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 I 62
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 12. März 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 I 62
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Umwandlung uneinbringlicher Geldbusse in Gefängnis nach Art. 8 BStrR:Wird die Geldbusse geleistet...


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64-I-62
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