S. 116 / Nr. 20 Spielbanken und Lotterien (d)

BGE 64 I 116

20. Urteil vom 19. Mai 1938 i. S. Benderly gegen eidgenössisches Justiz- und
Polizeidepartement.

Regeste:
Verbot der Aufstellung von Glückspielautomaten. Begriff des «Geldgewinns».

A. - Der «Warenautomat Reservprim O. K.» ist eine Kombination von Warenautomat
und Spielautomat. Der äussern Form nach gleicht er einer Registrierkasse. Der
Spieler erhält gegen Einwurf eines Zwanzigrappenstücks ein Päckchen Bonbons.
Gleichzeitig beginnen sich im Innern des Apparates drei Walzen zu drehen, die
man

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durch Öffnungen an dessen Vorderseite sieht. Die Walzen tragen verschiedene
Bilder. Der Spieler kann sie je einzeln vorzeitig zum Stillstand bringen,
indem er auf dafür bestimmte Knöpfe drückt, aber er kann auch warten, bis sie
von selber stillstehen. Beim Anhalten der Walzen erscheinen in den Öffnungen
drei Bilder, von deren Zusammentreffen es abhängt, ob der Spieler gewinnt oder
nicht. Der Gewinn besteht je nach der Bilderkombination in 2-20 Spielmarken,
die die Aufschrift «jeton-prime» tragen. Mit diesen Marken hat der Spieler
Anspruch auf bestimmte Waren, die in einer Vitrine am Apparat ausgestellt sind
(Taschenmesser, Zigarettenetui usw.). Auf jedem der Gegenstände ist die Zahl
der für seinen Erwerb nötigen Marken angegeben. Statt Waren zu beziehen, kann
der Spieler mit den gewonnenen Marken auch die Walzen neu in Bewegung setzen,
so dass das Spiel weitergeht. Bei einer besondern Bilderzusammenstellung gibt
der Apparat direkt einen Gegenstand ab, der in einer kleinen Öffnung sichtbar
ist.
B. - Am 7. Februar 1938 hat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
entschieden, dass der eben beschriebene Apparat, den Henri Benderly
vorgewiesen hatte, unter das Verbot des Art. 35
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 35 Verwirklichung der Grundrechte - 1 Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen.
1    Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen.
2    Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen.
3    Die Behörden sorgen dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden.
BV und der Art. 1 und 3 des
eidgenössischen Spielbankengesetzes vom 5. Oktober 1929 falle. Der
Spielausgang hange vom Zufall ab. Die Marken, die der Spieler gegebenenfalls
erhalte, hätten geldvertretenden Charakter. Die Aufstellung des Apparates
könnte auch nicht bewilligt werden, wenn die Marken durch Bons ersetzt würden.
C. - Gegen diesen Entscheid hat Benderly die verwaltungsrechtliche Beschwerde
ergriffen mit dem Antrag auf dessen Aufhebung.
Es wird ausgeführt: Der Zufallscharakter des Spiels am Apparat Reservprim O.K.
werde anerkannt. Nach der Praxis falle aber ein Spielapparat nur dann unter
das im Spielbankengesetz enthaltene Verbot, wenn er gegen Leistung eines
Einsatzes einen Geldgewinn in Aussicht

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stelle. In diesem Sinn spreche sich auch die Botschaft zum genannten Gesetz
aus. Eine ausdehnende Auslegung eines Verbotsgesetzes, wie es das
Spielbankengesetz sei. müsse abgelehnt werden. Beim Apparat Reservprim O.K.
fehle ein Geldgewinn. Es würden nur Gegenstände als Gewinne abgegeben. Es sei
nicht richtig, dass die Marken geldvertretende Gegenstände seien. Sie gäben
nur ein Recht auf Bezug zum voraus bestimmter Objekte. Sie könnten nicht gegen
Geld umgewechselt oder zum Erwerb beliebiger Waren verwendet werden.
Der Rekurrent beruft sich namentlich auch auf das Urteil des Bundesgerichtes
vom 11. Februar 1932 i. S. Amor A.-G. betreffend den Spielapparat «Pollard».
In jenem Fall war die Unterstellung eines dem vorliegenden ähnlichen Apparates
unter das Spielbankenverbot mit der Begründung abgelehnt worden, dass das
Spiel zwar auf den Zufall abstelle, dass aber die weitere Voraussetzung des
Verbotes fehle, wornach der Gewinn in Geld oder Geldeswert bestehen müsse; die
abgegebenen Spielmarken hätten bestimmungsgemäss keinen geldvertretenden
Charakter: die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch missbräuchliche Verwendung
Geldeswert erhielten, sei äusserst gering.
D. - Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt die Abweisung
der Beschwerde. Es hält an den Erwägungen seines Entscheides fest und macht
gegenüber der Berufung des Rekurrenten auf das bundesgerichtliche Urteil i. S.
Amor A.-G. darauf aufmerksam, dass sozusagen überall, wo der Warenautomat
«Pollard» aufgestellt wurde, die Spielmarken regelmässig als Zahlungsmittel
benützt oder gegen Geld umgewechselt worden seien; vereinzelt sei es sogar
vorgekommen, dass der Apparat statt der vorgesehenen Spielmarken Geldstücke,
u. z. ein Mehrfaches des Einsatzes herausgegeben habe. In bestimmten Fällen
seien mehrere junge Leute durch das Spielen am genannten Automaten um Hab und
Gut gekommen.

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E. - In der Replik verweist der Rekurrent neuerdings auf das Urteil des
Bundesgerichtes betreffend den Apparat «Pollard». Hier habe es das
Bundesgericht abgelehnt, dass ein Apparat wegen der blossen Möglichkeit von
Missbräuchen verboten werde; allfälligen Missbräuchen sei mit andern Mitteln
entgegenzutreten. Es möge zutreffen, dass beim Apparat «Pollard» Missbräuche
vorgekommen seien, wennschon die Angaben der Antwort als stark übertrieben
erschienen. Solche Missbräuche erklärten sich wohl daraus, dass jener Apparat
bei bestimmungsgemässer Verwendung kein grosses Interesse biete, indem
vorgesehen sei, dass die gewonnenen Spielmarken für weiteres Spielen gebraucht
werden müssten. Das sei anders beim Apparat Reservprim O. K., der Gewinne in
Form der Abgabe von bestimmten Gegenständen in Aussicht stelle.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Es ist nicht bestritten, dass beim Spielapparat Reservprim O.K. der
Spielausgang vorwiegend, wenn nicht ausschliesslich, auf dem Zufall beruht.
Der Apparat fällt daher unter das Verbot des Art. 3 des Spielbankengesetzes,
wenn die weitere Voraussetzung gegeben ist, dass bei ihm gegen Einsatz ein
Geldgewinn in Aussicht gestellt wird (vgl. BGE 56 I S. 388 ff. und 394 ff.).
2.- Gegen Einwurf eines Zwanzigrappenstückes erhält der Spielende (ausser
einer Schachtel mit Bonbons, was bei der Frage der Unterstellung unter Art. 3
l. c. keine Rolle spielt) je nach der Kombination, auf welche die Walzen sich
schliesslich einstellen, nichts oder 2-20 Spielmarken. Ein Geldeinsatz liegt
also vor, desgleichen ein Gewinn bei günstigem Spielausgang. Die Frage ist
lediglich, ob dieser Gewinn als ein Geldgewinn im Sinne des Gesetzes anzusehen
ist. Es würde dann zutreffen, wenn die Marken den Charakter und die Funktion
von geldvertretenden Gegenständen haben sollten, das heisst, wenn sie in
irgendwie erheblichem Masse an Geldes Statt als Zahlung genommen oder in Geld
umgewechselt werden.

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Müsste trotz dieser Sachlage ein Apparat zugelassen werden, so würde die
Möglichkeit, das Verbot der Aufstellung von Glückspielautomaten gemäss Art. 3
zu umgehen, in weitem Umfang bestehen.; es würde genügen, dass der Apparat
statt eines Gewinnes in Geldstücken einen solchen in Gegenständen verabfolgt,
die für den Gewinner wesentlich dieselbe Bedeutung haben wie Geld. Und doch
ist klar, dass im einen wie im andern Falle die Nachteile für die
Volkswohlfahrt vorhanden sind, die das Spielbankengesetz bekämpfen will. Der
Ausdruck «Geldgewinn» in Art. 2 des Gesetzes ist daher in dem gedachten etwas
weitern Sinn zu verstehen. (Diese Annahme liegt schon dem Urteil betreffend
den Apparat «Pollard» zugrunde.)
3.- Der bestimmungsgemässe Gebrauch der Spielmarken, die der Apparat
Reservprim O.K. als Gewinn abgibt, ist der, dass damit gewisse
Gebrauchsgegenstände eingelöst werden können, wobei je nach dem Werte des
Gegenstandes eine kleinere oder grössere Zahl von Marken erforderlich ist (bei
einer besondern Kombination der Walzen liefert der Apparat derartige Objekte
auch direkt), oder auch, dass die Marken als Einsatz für das Spielen dienen,
womit dann die Aussicht verbunden ist, im weitern Verlauf des Spieles das
Anrecht auf den Erwerb des einen oder andern jener Gegenstände zu erhalten.
Gegen diese Verwendungsmöglichkeiten wäre vom Standpunkt des Gesetzes aus an
sich nichts einzuwenden; denn die Gebrauchsgegenstände, die der Spielende
letztlich bekommen kann, hätten zwar einen gewissen Geldwert, könnten aber
kaum als Zahl- und Tauschmittel in Betracht fallen. Bei der Würdigung des
Apparates kommt es aber nicht nur auf die Bestimmung an, die er nach seiner
Konstruktion an sich hat, sondern auch auf die voraussichtlichen Wirkungen,
die sich tatsächlich bei seiner Aufstellung einstellen werden. Blosse
entfernte Möglichkeiten können hiebei freilich ausser Berücksichtigung bleiben
(BGE 56 I S. 393).

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In dem vom Rekurrenten angerufenen Urteil betreffend den Apparat «Pollard»,
bei dem der Gewinner ebenfalls 2-20 Spielmarken erhält, hat das Bundesgericht
angenommen, die Wahrscheinlichkeit sei äusserst gering, dass die Marken
entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung als geldvertretende Objekte dienen
würden. Eine solche entfernte Möglichkeit, der in anderer Weise vorzubeugen
sei, vermöchte das Verbot nicht zu rechtfertigen, auch nicht im Hinblick auf
die Schwierigkeiten der polizeilichen Kontrolle. Aus der Vernehmlassung des
Departements ergibt sich nun aber, dass die Erfahrungen, die mit dem
«Warenautomat Pollard» gemacht wurden, jene Annahme des Bundesgerichts nicht
bestätigt haben. Fast überall, wo der Apparat aufgestellt wurde, sind die
Marken, entgegen ihrer ursprünglichen Bestimmung, regelmässig als
Zahlungsmittel benützt oder gegen Geld umgewechselt worden, und es sind sogar
Fälle bekannt geworden, wo junge Leute durch Spielen an diesem Apparat sich
ruiniert haben (das Bundesgericht hat keinerlei Veranlassung, an der
Richtigkeit der Angaben des Departements zu zweifeln). Beim genannten Apparat
hat somit der Gewinn zufolge der geldvertretenden Funktion, welche die Marken
tatsächlich und zwar nicht bloss ganz ausnahmsweise, sondern ziemlich
regelmässig erhielten, den Charakter eines Geldgewinnes im Sinne des Gesetzes
angenommen.
Wenn aber derartige Erfahrungen mit dem Apparat «Pollard» gemacht worden sind,
so wäre umso mehr zu befürchten, dass die Aufstellung des Apparates
«Reservprim O.K.» zu ähnlichen Vorkommnissen und Missbräuchen führen würde.
Beim «Pollard» sollen die Marken eigentlich nur dazu dienen, die im Apparat
vorhandenen Bilder und Sprüche zum Erscheinen zu bringen, während sie beim
«Reservprim O.K.» Gutscheine sind, mit denen Gebrauchsgegenstände erworben
werden können. Die Marken haben somit hier eine Funktion, bei der die
Verwendung als Zahlungs- und Tauschmittel näher liegt als beim «Pollard». Wenn
daher das Departement die

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Aufstellung des Apparates «Reservprim O.K.» gestützt auf Art. 3 des
Spielbankengesetzes nicht zugelassen hat, so kann hierin nach dem Gesagten und
speziell den mit dem Apparat «Pollard» gemachten Erfahrungen eine
Gesetzesverletzung nicht erblickt werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 64 I 116
Datum : 01. Januar 1937
Publiziert : 19. Mai 1938
Quelle : Bundesgericht
Status : 64 I 116
Sachgebiet : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Gegenstand : Verbot der Aufstellung von Glückspielautomaten. Begriff des «Geldgewinns».


Gesetzesregister
BV: 35
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 35 Verwirklichung der Grundrechte - 1 Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen.
1    Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen.
2    Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen.
3    Die Behörden sorgen dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden.
BGE Register
56-I-388 • 64-I-116
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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