BGE-63-II-395
S. 395 / Nr. 74 Obligationenrecht (d)
BGE 63 II 395
74. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1937 i. S.
Meyer und Settele gegen Lussy und Konsorten.
Regeste:
OR Art. 242, Abs. 1: Die Schenkung von Hand zu Hand kann wirksam durch
Besitzeskonstitut erfolgen Änderung der Rechtsprechung).
Die Vorinstanz hat die nicht versteuerten Wertschriften nicht zur Erbschaft
des Goar Anton Meyer gerechnet und diese daher nur auf Fr. 53878.75 gewertet,
indem sie davon ausgegangen ist, er habe jene Wertschriften noch zu Lebzeiten
seiner Ehefrau rechtswirksam geschenkt, ungeachtet der Eigentums- bezw.
Besitzübertragung durch blosses constitutum possessorium, im Gegensatz zu BGE
47 II 115, im Anschluss an die Kritiken dieser Entscheidung von E. REICHEL,
Juristenzeitung I S, 87: J. ROSSEL, Zeitschrift des bernischen Juristenvereins
1922, 345; BECKER, Note 2 zu OR 242; OSER-SCHÖNENBERGER, Note 38 zu OR 239.
Demgegenüber hatte seinerzeit das Bundesgericht das Besitzkonstitut nicht für
eine Schenkung von Hand zu Hand als genügend gelten lassen. weil Art. 242

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten. |
die «Übergabe der Sache» vom Schenker an den Beschenkten fordert. Indessen
drückt sich Art. 184

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 184 - 1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. |
Kaufgegenstandes, die nichtsdestoweniger anerkanntermassen auch durch jeden
möglichen Ersatz der «Übergabe», insbesondere durch Besitzkonstitut,
stattfinden kann, und hat sich eine derart enge Auslegung des Art. 242 Abs. 1

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten. |
OR auch gar nicht durchführen lassen bei der Besitzanweisung (BGE 52 II 368),
die doch im gleichen Artikel wie das Besitzkonstitut, Art. 924

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 924 - 1 Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt. |
Besitzübertragung «ohne Übergabe»
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geordnet ist, während bei der Verpfändung, um das Besitzkonstitut
auszuschliessen, ausdrücklich bestimmt worden ist (in Art. 884 Abs. 3

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 884 - 1 Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird. |
«Das Pfandrecht ist nicht begründet, solange der Verpfänder die
ausschliessliche Gewalt über die Sache behält». Insofern das Besitzkonstitut
als untauglich für die (im übrigen formlose) Handschenkung bezeichnet wurde,
weil es nicht geeignet sei, dem Schenker die Entäusserung genügend zum
Bewusstsein zu bringen, um ihn vor unbedachten Schenkungen zu schützen, ist
kein zureichender Unterschied gegenüber der Besitzanweisung zu erkennen,
ebenso nicht gegenüber einer rein formalen «Übergabe» im engeren Sinne und
unmittelbar darauf folgenden Rückgabe auf Grand des besonderen
Rechtsverhältnisses, kraft dessen der Schenker im Besitz der verschenkten
Sache verbleiben soll. Es ist nicht einzusehen, wieso der Schenker eines
weitergehenden als des in Art. 249

SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 249 - Bei der Schenkung von Hand zu Hand und bei vollzogenen Schenkungsversprechen kann der Schenker die Schenkung widerrufen und das Geschenkte, soweit der Beschenkte noch bereichert ist, zurückfordern: |
ausser dass sein animus donandi klar und eindeutig zum Ausdruck zu kommen hat,
womit gleichzeitig auch dessen Erben genügend geschützt werden, und ebenso, in
Verbindung mit der paulianischen Anfechtungsklage, dessen Gläubiger, denen das
Gesetz offenbar keinen weitergehenden Schutz gewähren wollte (auch nicht
denjenigen aus Art. 188

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein. |
Erfordernis würde insbesondere die Schenkungen unter den ja weitestgehend
Mitbesitz ausübenden Ehegatten in einer allzusehr an das römisch-rechtliche
Verbot erinnernden und mit dessen Unterdrückung kaum zu vereinbarenden Weise
erschweren. Aus allen diesen Gründen kann an der bisherigen Rechtsprechung
nicht festgehalten werden.
Gesetzesregister
OR 184
OR 242
OR 249
ZGB 188
ZGB 884
ZGB 924
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 184 - 1 Durch den Kaufvertrag verpflichten sich der Verkäufer, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen, und der Käufer, dem Verkäufer den Kaufpreis zu bezahlen. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 242 - 1 Eine Schenkung von Hand zu Hand erfolgt durch Übergabe der Sache vom Schenker an den Beschenkten. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 249 - Bei der Schenkung von Hand zu Hand und bei vollzogenen Schenkungsversprechen kann der Schenker die Schenkung widerrufen und das Geschenkte, soweit der Beschenkte noch bereichert ist, zurückfordern: |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 188 - Wird über einen Ehegatten, der in Gütergemeinschaft lebt, der Konkurs eröffnet, so tritt von Gesetzes wegen Gütertrennung ein. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 884 - 1 Fahrnis kann, wo das Gesetz keine Ausnahme macht, nur dadurch verpfändet werden, dass dem Pfandgläubiger der Besitz an der Pfandsache übertragen wird. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 924 - 1 Ohne Übergabe kann der Besitz einer Sache erworben werden, wenn ein Dritter oder der Veräusserer selbst auf Grund eines besonderen Rechtsverhältnisses im Besitz der Sache verbleibt. |