S. 231 / Nr. 50 Erbrecht (d)

BGE 63 II 231

50. Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Okt. 1937 i. S. Crédit Industriel
d'Alsace et de Lorraine gegen Wantz und Kons.

Regeste:
Art. 635
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 635 - 1 Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
1    Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
2    Werden sie von einem Erben mit einem Dritten abgeschlossen, so geben sie diesem kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf den Anteil, der dem Erben aus der Teilung zugewiesen wird.
und 609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB.
Der Erwerber eines Erbanteils ist nicht berechtigt, sich in die
Auseinandersetzung über die Erbschaft einzumischen, insbesondere die Erben auf
Feststellung zu belangen, dass der Abtreter nicht auf Vorempfänge verwiesen
werden könne. Er kann nur die Mitwirkung der zuständigen Behörde anstelle des
betreffenden Erben verlangen; Sache der Behörde ist es, gegebenenfalls
rechtliche Schritte gegen die Miterben einzuleiten.

Aus dem Tatbestand:
Frau Mariette Müller-Wantz hat ihren Anteil an der ihr und ihren Brüdern am
13. April 1935 angefallenen Hinterlassenschaft des Vaters am 25. gl. M. mit
nachfolgender Zustimmung der Vormundschaftsbehörde dem Crédit

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Industriel d'Alsace et de Lorraine abgetreten (wie es scheint, zur Deckung
eines von ihrem Manne aufgenommenen Kredites). Auf Begehren des Crédit
Industriel wirkt die zuständige Behörde nach Art. 609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB bei der Teilung mit.
Es erhob sich die Frage, ob die Zuwendungen des Erblassers an den Ehemann der
Frau Müller dieser als Vorempfänge anzurechnen seien. Die Erben sind darüber
einig, dass dies zu geschehen habe, und die mitwirkende Behörde ist nach
Einholung eines Rechtsgutachtens gleichfalls bereit, den Erbteilungsvertrag in
diesem Sinne abzuschliessen, wobei Frau Müller lediglich mit den Vorempfängen
abgefunden würde.
Der mit dieser Art der Erledigung nicht einverstandene Crédit Industriel hat
gegen die drei Erben beim Appellationshof des Kantons Bern Klage auf
Feststellung angehoben, dass die Zuwendungen des Erblassers an den Ehemann
Müller nicht Vorempfänge der Frau Müller seien. Wegen fehlender Legitimation
zur Sache abgewiesen, hält er mit seiner Berufung an das Bundesgericht an der
Klage fest.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- ...
2.- Art. 635 lässt die Abtretung eines Anteils an ungeteilter Erbschaft auch
an Dritte (Nichterben) zu, jedoch mit der Massgabe, dass der Dritte kein Recht
auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf das Treffnis
erhält, das dem Erben bei der Teilung zugewiesen wird.
Die Klägerschaft hält dafür, durch diese Bestimmung werde die gerichtliche
Austragung von Streitigkeiten über die Ausgleichungspflicht des betreffenden
Erben nicht ausgeschlossen. Auch könne nicht anerkannt werden, dass die (vom
kantonalen Recht zu bestimmende) Behörde, die nach Art. 609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB auf Verlangen
des Dritterwerbers eines Erbanteils an Stelle dieses Erben «bei der Teilung
mitzuwirken» hat, zur Beurteilung solcher Streitigkeiten anstelle der Gerichte
zuständig sei. Das ist an und für

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sich richtig. Ob und wieweit lebzeitige Zuwendungen des Erblassers zum
nachgelassenen Vermögen hinzuzurechnen und dem Empfänger (hier wäre es dessen
Ehegatte) auf seinen Erbanteil anzurechnen seien, ist eine Rechtsfrage,
worüber im Streitfall die Gerichte zu entscheiden haben. Die Behörde nach Art.
609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB ist dazu nicht zuständig. Wäre sie es, so müssten sich ausser dem von
ihr vertretenen Erben auch die Miterben ihrem Spruche fügen. In der
vorliegenden Erbschaftssache könnte der Gemeinderat bei solcher Auffassung die
Ausgleichungspflicht der Frau Mariette Müller verbindlich für alle Erben
ablehnen. Davon ist keine Rede. Das wäre eine vor den Gerichten auszutragende
Streitigkeit zwischen der vom Gemeinderat zu vertretenden Erbin und den
Miterben.
Hier aber besteht unter den Erben Einigkeit und die Behörde ist gleichfalls
bereit, namens der von ihr zu vertretenden Erbin dem Teilungsvertrage
zuzustimmen. Die Frage stellt sich also dahin, ob der Dritterwerber des
Anteils dieser Erbin trotz dieser Stellungnahme der Behörde einen
Teilungsstreit zu entfachen und vor den Gerichten auszutragen befugt sei. Eine
solche Klageberechtigung des Dritterwerbers lässt sich mit Art. 635
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 635 - 1 Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
1    Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
2    Werden sie von einem Erben mit einem Dritten abgeschlossen, so geben sie diesem kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf den Anteil, der dem Erben aus der Teilung zugewiesen wird.
ZGB nicht
vereinbaren. Diese Bestimmung verweist ihn auf das ohne seine Mitwirkung zu
ermittelnde Teilungsergebnis und schliesst ihn damit auch von der Mitwirkung
an Vorkehren aus, die die Feststellung der Teilungsmasse samt allfälligen
Vorempfängen betreffen (wie denn das Gesetz die Auseinandersetzung über
Vorempfänge im Titel über die Teilung der Erbschaft ordnet und damit als
Teilungsmassnahme kennzeichnet). Darnach hat sich der Anteilserwerber in die
ganze Bereinigung des Nachlasses bis zur Ausscheidung der Treffnisse jedes
Erben nicht einzumischen. Er kann nur die Mitwirkung der Behörde nach Art. 609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.

ZGB verlangen, der es obliegt, zum Rechten zu sehen und zu verhüten, dass dem
vertretenen Erben (zu Handen des Dritten) weniger zugewiesen werde als ihm
gebührt. Mit dem so bestimmten Treffnis hat sich der Dritte abzufinden. Die
Erben können nicht verhalten

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werden, sich mit ihm entgegen der Stellungnahme der Behörde in einen Streit
darüber einzulassen, ob die Anrechnung von Vorempfängen gerechtfertigt sei.
Das Gesetz will die Auseinandersetzung über die Erbschaft als eine
Angelegenheit der Erben behandelt wissen, an der kein Aussenseiter, sondern
nur allenfalls die Behörde teilnehmen darf. Dementsprechend hat auch, wer
einen Erbanteil im Zwangsvollstreckungsverfahren erwirbt, nur das Recht, die
Teilung der Erbschaft unter Mitwirkung der Behörde und die Zuweisung des
Liquidationsergebnisses zu verlangen (Art. 11 Abs. 2 der Verordnung über die
Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen; vgl. auch BGE
61 III 99).
Dem in seinen Rechten derart eingeschränkten Anteilserwerber bleibt
anheimgestellt, bei der zur Wahrung seiner Interessen (neben denen des
vertretenen Erben) berufenen Behörde vorstellig zu werden, Aufschlüsse zu
verlangen usw. und, falls dies möglich ist, bei einer Oberbehörde
gegebenenfalls Beschwerde zu führen, um zu erreichen, dass das behördliche
Ermessen pflichtgemäss ausgeübt werde. Die Behörde wird in der Regel in erster
Linie darauf auszugehen haben, die Streitpunkte in einer der Billigkeit
entsprechenden Weise beizulegen. Wo dies nicht möglich ist, wird sie dem
Verlangen des Anteilserwerbers um Anrufung der Gerichte (natürlich auf seine
Kosten und Gefahr) zu entsprechen haben, wenn nach vorläufiger Abklärung der
Rechtslage so starke Zweifel an der Richtigkeit des Gegenstandpunktes
übrigbleiben, dass es vor dem Rechte nicht verantwortet werden könnte, die für
den vertretenen Erben zu verfolgenden Ansprüche kampflos preiszugeben.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Bern vom 22. Februar 1937 bestätigt.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 63 II 231
Datum : 01. Januar 1936
Publiziert : 08. Oktober 1937
Quelle : Bundesgericht
Status : 63 II 231
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Art. 635 und 609 ZGB.Der Erwerber eines Erbanteils ist nicht berechtigt, sich in die...


Gesetzesregister
ZGB: 609 
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
635
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 635 - 1 Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
1    Verträge unter den Miterben über Abtretung der Erbanteile bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form.545
2    Werden sie von einem Erben mit einem Dritten abgeschlossen, so geben sie diesem kein Recht auf Mitwirkung bei der Teilung, sondern nur einen Anspruch auf den Anteil, der dem Erben aus der Teilung zugewiesen wird.
BGE Register
61-III-95 • 63-II-231
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
erbe • erblasser • bundesgericht • erbschaft • stellungnahme der behörde • richtigkeit • frage • gemeinderat • ehegatte • teilungsvertrag • teilung • entscheid • erbschaftsteilung • bewilligung oder genehmigung • wissen • rechtsgutachten • erbrecht • vater • anteil an gemeinschaftsvermögen • legitimation • kantonales recht • verhalten • deckung • ermessen • wille • stelle • konsens • rechtslage • mann • zweifel
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