S. 291 / Nr. 57 Derogatorische Kraft des Bundesrechts (d)

BGE 63 I 291

57. Urteil vom 19. November 1937 i. S. Gebrüder Meyer gegen Einwohnergemeinde
und Kanton Bern.

Regeste:
1. Die Rechtsöffnung darf nur für Steuerforderungen bewilligt werden, die auf
einer rechtskräftigen Veranlagung beruhen. Voraussetzung ist vor allem die
gehörige, für den Betriebenen

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verbindliche Eröffnung des Entscheides, dessen Vollstreckung beantragt wird.
Der Rechtsöffnungsrichter hat von Amtes wegen zu prüfen, ob die
Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit erfüllt; sind.
2. Steuerforderungen an eine Kollektivgesellschaft sind im Konkurse der
Gesellschaft als Konkursforderungen einzugeben, nicht durch Betreibung in die
Konkursmasse einzufordern.

A. - Am 16. Juni 1936 wurde über die Kollektivgesellschaft Gebr. Meyer,
Gipser- und Malergeschäft, Weissensteinstrasse 26, in Bern, der Konkurs
eröffnet. Die Firma wurde im Handelsregister von Amtes wegen gelöscht (SHAB
Nr. 154 vom 4. Juli 1936, S. 1633, und Nr. 173 vom 27. Juli 1936, S. 1821). In
der Folge schlossen die frühern Gesellschafter einen Nachlassvertrag ab unter
Abtretung sämtlicher Aktiven an die Gläubiger der erloschenen Gesellschaft zur
Selbstliquidation, worauf die Firma wieder im Handelsregister eingetragen
wurde (SHAB Nr. 49, vom 1. März 1937, S. 478).
B. - Die Kollektivgesellschaft Gebr. Meyer hatte vor Konkurseröffnung eine
Steuererklärung für die bernische Einkommenssteuer 1936 eingereicht und darin
das steuerbare Einkommen in beiden Klassen mit O angegeben. Sie wurde für ein
Einkommen I. Klasse von Fr. 20000.- veranlagt. Der Taxationsentscheid wurde am
6. August 1936 mit eingeschriebenem Brief zugestellt an die Adresse Gebrüder
Meyer. Er blieb unangefochten. Im Konkurse der Kollektivgesellschaft wurde die
Steuerforderung nicht eingegeben. Die Steuerverwaltung hatte sich darauf
beschränkt, eine Rechtsverwahrung bezüglich allfälliger Steuerforderungen für
Einkommen 1936 einzulegen.
C. - Sie fordert auf Grund der erwähnten Einschätzung Fr. 2539.75 Staats- und
Gemeindesteuern pro 1936 und hat dafür gegen die Liquidationsmasse Gebrüder
Meyer Betreibung eingeleitet. Der Gerichtspräsident II von Bern hat ihr durch
Entscheid vom 1. September 1937 die definitive Rechtsöffnung für die
Steuerforderung samt Zins und Betreibungskosten bewilligt. Der Appellationshof
des Kantons Bern hat den Entscheid am 22. September

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1937 bestätigt. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Steuerschatzung vom 6.
August 1936 stelle einen Rechtsöffnungstitel im Sinne des Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160
SchKG dar.
Die Einrede der Tilgung zufolge Nachlassvertrages sei unbegründet, da die
Forderung nicht vor dem 6. August 1936, also nach Konkursausbruch, entstanden
sei und deshalb nicht unter den im Konkursverfahren abgeschlossenen
Nachlassvertrag falle.
D. - Der Liquidator hat namens der Firma Gebrüder Meyer, Kollektivgesellschaft
in Liquidation, die staatsrechtliche Beschwerde ergriffen mit dem Antrag auf
Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV und Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.

Üb. Best. zur BV.
E. - Der Appellationshof des Kantons Bern verweist auf die Akten. Die
Steuerverwaltung der Stadt Bern beantragt Abweisung des Rekurses unter
Kostenfolge. Sie führt aus, die Forderung, die sich auf die Einschätzung vom
6. August 1936 stützt, habe zur Zeit der Konkurseröffnung noch nicht
bestanden, sie habe deshalb auch erst später verfallen können. Der
Nachlassvertrag sei im Anschluss an den Konkurs abgeschlossen worden. «Es wird
wohl kein Zweifel darüber zulässig sein, dass durch diesen Nachlassvertrag die
Konkursmasse denjenigen Gläubigern zur Verfügung gestellt wurde, deren
Forderung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung rechtlich existent und zugleich im
Kollokationsplan aufgenommen worden waren, dass aber Gläubiger neuer
Forderungen, die erst nach der Konkurseröffnung existent wurden, daran nicht
teilhaben sollen, und dass die Konkursgläubiger sich die Beteiligung solcher
neuer Gläubiger am Konkurssubstrat nicht gefallen lassen müssen. - In diesem
Falle muss aber die Exekution der Forderung auf dem Wege der Schuldbetreibung
zulässig sein, sobald das Konkursverfahren geschlossen und der Nachlassvertrag
bestätigt ist. Die Firma konnte trotz des Konkursverfahrens Einkommen
realisieren und zwar auf neue Rechnung, d. h. der Ertrag ihrer Arbeit nach der
Konkurseröffnung fällt nicht in die

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Konkursmasse. Die Firma hat sich übrigens neu in das Handelsregister eintragen
lassen, was als Beweis dafür angesehen werden kann, dass sie ihre
geschäftliche Tätigkeit fortgesetzt hat und mithin aus deren Ertrag
steuerpflichtig ist.»
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Der angefochtene Entscheid beruht auf der Voraussetzung, dass die
Steuereinschätzung vom 6. August 1936 einen Rechtsöffnungstitel gemäss Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160

SchKG gewähre. Der Appellationshof nimmt an, dass dem so sei, weil gegen die
Steuerschatzung kein Rekurs erhoben wurde. Er verkennt dabei, dass es an der
Voraussetzung für den Eintritt der Rechtskraft, einer rechtsgültigen
Zustellung der Steuerschatzung fehlt.
Nachdem zufolge Konkurses die Kollektivgesellschaft Gebrüder Meyer aufgelöst
war, konnte eine die frühere Gesellschaft betreffende Verfügung rechtswirksam
nur noch der Konkursverwaltung, als der Vertreterin der Konkursmasse,
zugestellt werden. Eine Zustellung an die Adresse der (erloschenen)
Gesellschaft war rechtlich bedeutungslos, jedenfalls im Verhältnis zur
früheren Gesellschaft und deren Rechtsnachfolger.
Dass die Steuerschatzung nicht an die Konkursverwaltung zugestellt worden war,
ergab sich schon aus der Begründung des Rechtsöffnungsgesuches und durfte bei
dessen Beurteilung ohne Willkür nicht übergangen werden. Unerheblich war die
Erklärung des Nachlassverwalters im Rechtsöffnungsverfahren (und in der
staatsrechtlichen Beschwerde), die Steuerschatzung sei rechtskräftig. Der
Rechtsöffnungsrichter hat von Amteswegen und ohne Rücksicht auf die
Parteierklärungen zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit
gemäss Art. 80 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 80 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.149
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.149
2    Gerichtlichen Entscheiden gleichgestellt sind:150
1  gerichtliche Vergleiche und gerichtliche Schuldanerkennungen;
2bis  Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden;
3  ...
4  die endgültigen Entscheide der Kontrollorgane, die in Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005156 gegen die Schwarzarbeit getroffen werden und die Kontrollkosten zum Inhalt haben;
5  im Bereich der Mehrwertsteuer: Steuerabrechnungen und Einschätzungsmitteilungen, die durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig wurden, sowie Einschätzungsmitteilungen, die durch schriftliche Anerkennung der steuerpflichtigen Person rechtskräftig wurden.
. SchKG erfüllt sind (JAEGER, Komm. Bd. I S. 190, Note 2 zu
Art. 81 und Zitate).
2. - Das Bundesgericht hat sich übrigens von jeher auf den Standpunkt
gestellt, dass Verwaltungsentscheidungen

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und -beschlüsse über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen kantonalen Rechts
nur dann als Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 80 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.149
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid, so kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen.149
2    Gerichtlichen Entscheiden gleichgestellt sind:150
1  gerichtliche Vergleiche und gerichtliche Schuldanerkennungen;
2bis  Verfügungen schweizerischer Verwaltungsbehörden;
3  ...
4  die endgültigen Entscheide der Kontrollorgane, die in Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005156 gegen die Schwarzarbeit getroffen werden und die Kontrollkosten zum Inhalt haben;
5  im Bereich der Mehrwertsteuer: Steuerabrechnungen und Einschätzungsmitteilungen, die durch Eintritt der Festsetzungsverjährung rechtskräftig wurden, sowie Einschätzungsmitteilungen, die durch schriftliche Anerkennung der steuerpflichtigen Person rechtskräftig wurden.
, Abs. 2 und Art. 81
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 81 - 1 Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
1    Beruht die Forderung auf einem vollstreckbaren Entscheid eines schweizerischen Gerichts oder einer schweizerischen Verwaltungsbehörde, so wird die definitive Rechtsöffnung erteilt, wenn nicht der Betriebene durch Urkunden beweist, dass die Schuld seit Erlass des Entscheids getilgt oder gestundet worden ist, oder die Verjährung anruft.
2    Beruht die Forderung auf einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde, so kann der Betriebene weitere Einwendungen gegen die Leistungspflicht geltend machen, sofern sie sofort beweisbar sind.
3    Ist ein Entscheid in einem anderen Staat ergangen, so kann der Betriebene überdies die Einwendungen geltend machen, die im betreffenden Staatsvertrag oder, wenn ein solcher fehlt, im Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987159 über das Internationale Privatrecht vorgesehen sind, sofern nicht ein schweizerisches Gericht bereits über diese Einwendungen entschieden hat.160

SchKG anerkannt werden dürfen, wenn sie, wie gerichtliche Urteile, das zur
Vollstreckbarkeit gehörende Erfordernis der formellen Rechtskraft nach den
dafür geltenden allgemeinen Grundsätzen aufweisen. Vor allem wird gefordert,
dass die zu vollstreckende Verfügung dem Betroffenen eröffnet und ihm
Gelegenheit geboten worden war, die gesetzlichen Rechtsmittel zu ergreifen
(BGE 60 I S. 358 f., Erw. 4 und Zitate). Die Rechtsöffnung wurde beantragt
gegenüber der Verwaltung der Liquidationsmasse Gebrüder Meyer. Weder dieser,
noch deren Rechtsvorgängerin, der Konkursverwaltung Gebrüder Meyer, war die
Steuerschatzung eröffnet worden. Es kann daher ihr gegenüber auch nicht der
Anspruch auf Vollstreckbarkeit erhoben werden. Die trotzdem gemäss Art. 35
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 35 Auskunft des Abgabepflichtigen - 1 Der Abgabepflichtige hat der ESTV über alle Tatsachen, die für die Abgabepflicht oder für die Abgabebemessung von Bedeutung sein können, nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu erteilen; er hat insbesondere:
1    Der Abgabepflichtige hat der ESTV über alle Tatsachen, die für die Abgabepflicht oder für die Abgabebemessung von Bedeutung sein können, nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu erteilen; er hat insbesondere:
a  Steuerabrechnungen, Steuererklärungen und Fragebogen vollständig und genau auszufüllen;
b  seine Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und sie, die Belege und andere Urkunden auf Verlangen beizubringen.
2    Die Bestreitung der Abgabepflicht entbindet nicht von der Auskunftspflicht.
3    Wird die Auskunftspflicht bestritten, so trifft die ESTV eine Verfügung.130

bern. StG erteilte Rechtsöffnung widerspricht daher auch dem Grundsatz der
derogatorischen Kraft des Bundesrechts gegenüber dem kantonalen Recht.
3. - Nicht anders wäre zu entscheiden, wenn man davon ausgehen wollte, dass
die Zustellung der Steuerschatzung vom 6. August 1936 nicht jeder
Rechtswirksamkeit entbehre. Eine solche könnte sich allenfalls höchstens
ergeben für den oder die früheren Gesellschafter, die - wie zu vermuten ist -
die Sendung entgegengenommen haben. Ein Vollstreckungstitel gegenüber der
Liquidationsmasse liesse sich daraus nicht ableiten.
4. - Bei dieser Rechtslage musste die Rechtsöffnung verweigert werden. Darauf,
ob die Forderung, wenn sie rechtskräftig festgestellt gewesen wäre, unter den
Nachlassvertrag fiele oder nicht, kommt nichts mehr an.
Übrigens hätte der Entscheid des Appellationshofes zur Voraussetzung, dass die
Forderung der Steuerverwaltung eine Massaschuld wäre. Hievon kann aber
offensichtlich nicht die Rede sein, da es sich weder um eine Schuld handelt,
die aus einer Handlung der Konkurs- oder der

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Nachlassverwaltung hervorgegangen ist, noch um eine Steuer, die das Vermögen
der Konkurs- oder Nachlassmasse oder den Ertrag aus deren Liquidation betrifft
und die im Hinblick auf solche Faktoren nach Konkurseröffnung neu entstanden
wäre (vgl. hiezu aber BGE 52 I S. 2 l l ff.; über die Frage selbst sodann
BLUMENSTEIN, Steuerrecht, S. 669). Die Annahme des Appellationshofes, dass die
Steuerforderung zur Zeit der Konkurseröffnung nicht bestanden habe und aus
diesem Grunde nicht unter Art. 197
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 197 - 1 Sämtliches pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehört, bildet, gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse (Konkursmasse), die zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger dient.366
1    Sämtliches pfändbare Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehört, bildet, gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse (Konkursmasse), die zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger dient.366
2    Vermögen, das dem Schuldner367 vor Schluss des Konkursverfahrens anfällt, gehört gleichfalls zur Konkursmasse.
SchKG fallen könne. müsste dazu führen, die
Steuerpflicht überhaupt zu verneinen, weil zur Zeit der Veranlagung das
Steuersubjekt, als solches käme für die Einkommenssteuer nur die
Kollektivgesellschaft in Betracht, infolge Konkurses aufgelöst, weggefallen
war. Eine Steuerpflicht der Kollektivgesellschaft wäre nur denkbar bis zum
Konkursausbruch. Sie hätte zur Voraussetzung, dass die Steuerpflicht kraft
Gesetzes entsteht unabhängig von der Veranlagung, wobei diese lediglich der
Feststellung der bereits bestehenden Steuerpflicht nach Mass und Umfang dienen
würde. Soweit die kantonale Steuergesetzgebung auf diesem Boden steht, können
Steuerforderungen an eine Kollektivgesellschaft im Konkurse noch geltend
gemacht werden, auch wenn die Veranlagung erst nach dessen Eröffnung
vorgenommen wird. Solche Forderungen sind im Konkurse einzugeben, wie alle
übrigen Forderungen. Eine Privilegierung öffentlich-rechtlicher Forderungen,
besonders solcher aus der Steuerpflicht des Koukursiten, kennt das
Konkursrecht nicht (JAEGER, Komm. Bd. II S. 18 f.).
5. - Aus der Äusserung zum vorliegenden Rekurs scheint nun aber hervorzugehen,
dass die bernische Steuerverwaltung mit ihrem nach dem Gesagten völlig
haltlosen Rechtsöffnungsbegehren nicht eine Massaforderung an den Nachlass
verfolgen, sondern sich den Zugriff auf einen Liquidationsüberschuss sichern
möchte. Es ist nicht ersichtlich, welchen praktischen Wert ein solches
Vorgehen bei von vorneherein überschuldeten Konkurs- und Liquidationsmassen
haben könnte.

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Auf unklaren Vorstellungen über die Rechtslage beruht die Bemerkung, dass die
Firma trotz des Konkursverfahrens Einkommen erzielen könne. Es mag in dieser
Beziehung auf BGE 52 I S. 211 ff. verwiesen werden. Die Wiedereintragung der
Firma Gebrüder Meyer wurde angeordnet zur Liquidation der im Nachlassvertrage
abgetretenen Aktiven, nicht zur Weiterführung des frühern Geschäftsbetriebes
der Kollektivgesellschaft. Sollten dabei Erträgnisse erzielt werden, so könnte
sich unter Umständen die Frage einer Steuerpflicht der Liquidationsmasse
stellen. Mit der Steuerforderung, für die das Rechtsöffnungsbegehren gestellt
wurde, hat sie indessen nichts zu tun
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird gutgeheissen und der Entscheid des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 22. September 1937 aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 63 I 291
Date : 01. Januar 1936
Published : 19. November 1937
Source : Bundesgericht
Status : 63 I 291
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : 1. Die Rechtsöffnung darf nur für Steuerforderungen bewilligt werden, die auf einer rechtskräftigen...


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BV: 2  4
SchKG: 80  81  197
StG: 35
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52-I-1 • 52-I-205 • 60-I-354 • 63-I-291
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partnership • assets • bankruptcy proceeding • receivership • federal court • position • quotation • cantonal law • address • question • ex officio • hamlet • appeal relating to public law • decision • notification of judgment • company • remedies • statement of reasons for the adjudication • assessment decree • condition
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