S. 354 / Nr. 86 Prozessrecht (d)
BGE 62 II 354
86. Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Dezember 1936 i. S. Keller gegen
Bezirksgerichtsvorstand und Obergericht Zürich.
Seite: 354
Regeste:
Zivilrechtliche Beschwerde, Art. 87 OG, in prozessrechtlichen
Inzidentstreitigkeiten kann nur von den Parteien des Hauptprozesses ergriffen
werden.
A. Der Beschwerdeführer Keller sollte auf Ersuchen des Kreisgerichts Brünn
(Tschechoslowakei) in einem dort anhängigen Zivilprozess zwischen den
Eheleuten Hecht als Zeuge einvernommen werden. In der Verhandlung vor der
Rechtshilfeabteilung des Bezirksgerichts Zürich vom 12. Februar 1936
verweigerte Keller jedoch das Zeugnis unter Berufung darauf, dass ihm Art. 47
lit. b des BG über die Banken und Sparkassen über seine berufliche Tätigkeit
eine Schweigepflicht auferlege.
B. Die Rechtshilfeabteilung des Bezirksgerichtes Zürich entschied jedoch,
dass die vom Beschwerdeführer angerufene Bestimmung kein
Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber einem kantonalen Gerichte begründe, und
lud den Zeugen unter Androhung von Ordnungsbusse neuerdings vor.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies einen hiegegen gerichteten Rekurs
Kellers mit Entscheid vom 9. Juni 1936 ab.
C. Gegen den Entscheid des Obergerichtes hat Keller neben einer
kantonalrechtlichen Kassationsbeschwerde welche das Kassationsgericht des
Kantons Zürich am 2. Oktober 1936 abwies, soweit es darauf eintrat sowohl
einen staatsrechtlichen Rekurs, wie eine zivilrechtliche Beschwerde ans
Bundesgericht eingereicht.
Die zivilrechtliche Beschwerde stützt sich darauf, dass im angefochtenen
Entscheid kantonales Recht, nämlich die prozessrechtlichen Bestimmungen über
das Zeugnisverweigerungsrecht, an Stelle der massgebenden bundesrechtlichen
Bestimmungen des Bankengesetzes angewendet worden sei. (Art. 87 Ziffer 1 OG).
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D. - Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach dem Ingress von Art. 87 OG ist die zivilrechtliche Beschwerde nur
zulässig gegen letztinstanzliche, der Berufung nicht unterliegende kantonale
Entscheide in Zivilsachen. In ständiger Rechtsprechung hat das Bundesgericht
indes die Beschwerde auch als zulässig erklärt gegen nicht weiterziehbare
Entscheide in Inzidentstreitigkeiten prozessrechtlicher, also
öffentlichrechtlicher Natur, sofern das ihnen zu Grunde liegende
Streitverhältnis dem Zivilrecht angehört (BGE 54 II 131 und dort erwähnte
frühere Entscheide). Allein selbstverständliche Voraussetzung ist dabei, dass
sich dieser Inzidentstreit ebenfalls zwischen den Parteien des Hauptprozesses
abspiele; denn nur dann ist es denkbar, dass auf das Grundverhältnis zwischen
ihnen zurückgegriffen werden kann. Der vorliegende Streit über die Frage des
Zeugnisverweigerungsrechtes dagegen spielt sich zwischen dem Zeugen und dem
Gerichte ab, und der Zeuge, nicht etwa die eine Partei des zivilrechtlichen
Hauptprozesses, tritt als Beschwerdeführer auf. Das schliesst aber eine
Berufung auf das dem Inzidentstreit zu Grunde liegende materielle
Rechtsverhältnis aus. Damit fällt eine wesentliche Voraussetzung für die
Zulässigkeit der zivilrechtlichen Beschwerde, nämlich das Vorliegen einer
Zivilstreitigkeit, dahin, so dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden
kann.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.