S. 129 / Nr. 33 Erbrecht (d)

BGE 62 II 129

33. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juli 1936 i. S. Wwe Lanz und Miterben
gegen Waisenbehörde Wilchingen.


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Regeste:
Amtliche Mitwirkung bei der Erbteilung kann durch kantonales Recht
vorgeschrieben werden (Art. 609 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB):
- als Befugnis der Behörde zur Einleitung von Teilungsverhandlungen wie auch
zur Aufstellung eines Teilungsvertragsentwurfes;
- auch für den Fall, dass keiner der Erben diese Mitwirkung anbegehrt;
- jedoch nicht im Sinn einer Gültigkeitsbedingung für den Teilungsvertrag oder
die Losbildung und -verteilung.
Art. 609
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
, 611
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 611 - 1 Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind.
1    Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind.
2    Können sie sich nicht einigen, so hat auf Verlangen eines der Erben die zuständige Behörde unter Berücksichtigung des Ortsgebrauches, der persönlichen Verhältnisse und der Wünsche der Mehrheit der Miterben die Lose zu bilden.
3    Die Verteilung der Lose erfolgt nach Vereinbarung oder durch Losziehung unter den Erben.
und 634
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
ZGB.
Erbschaftsinventar im Sinne des Art. 553
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 553 - 1 Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1    Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1  ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist;
2  ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist;
3  einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt;
4  ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.527
2    Sie erfolgt nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes und ist in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen.
3    Die Aufnahme eines Inventars kann durch die kantonale Gesetzgebung für weitere Fälle vorgeschrieben werden.
ZGB ist die Aufzeichnung des vom
Erblasser hinterlassenen Vermögens. Eine weitere Inventaraufnahme, z. B. zur
Feststellung des später vorhandenen Vermögens im Hinblick auf die Erbteilung,
darf den Erben nicht aufgedrängt werden. Vorbehalten bleiben steuerrechtliche
Massnahmen.

Die Erben des am 16. Februar 1929 verstorbenen Bäckers und Wirtes Gottfried
Lanz in Wilchingen, die zunächst dessen Geschäft gemeinsam weiterbetrieben
hatten, kamen im Herbst 1935 überein, die Erbschaft auf Grund des schon im
Jahre 1929 aufgenommenen amtlichen Erbschaftsinventars unter Berücksichtigung
der seither eingetretenen Veränderungen zu teilen. Als sie die Waisenbehörde
von Wilchingen um Zustellung der Erbschaftssteuerrechnung ersuchten, erklärte
diese Behörde, die Teilung habe unter ihrer Mitwirkung stattzufinden und es
müsse ein neues Inventar aufgenommen werden.
Die Erben Lanz haben diese Schlussnahme bei den kantonalen Oberbehörden ohne
Erfolg angefochten. Mit der vorliegenden zivilrechtlichen Beschwerde wegen
unzulässiger Anwendung kantonalen anstatt eidgenössischen Rechtes

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(Art. 87 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 553 - 1 Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1    Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1  ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist;
2  ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist;
3  einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt;
4  ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.527
2    Sie erfolgt nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes und ist in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen.
3    Die Aufnahme eines Inventars kann durch die kantonale Gesetzgebung für weitere Fälle vorgeschrieben werden.
OG) beantragen sie beim Bundesgericht die Aufhebung des
kantonalen Entscheides und die Anweisung an die Waisenbehörde, ihnen die
private Durchführung der Teilung freizugeben und von einer nochmaligen
Inventur abzusehen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Art. 609 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 609 - 1 Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
1    Auf Verlangen eines Gläubigers, der den Anspruch eines Erben auf eine angefallene Erbschaft erworben oder gepfändet hat, oder der gegen ihn Verlustscheine besitzt, hat die Behörde an Stelle dieses Erben bei der Teilung mitzuwirken.
2    Dem kantonalen Recht bleibt es vorbehalten, noch für weitere Fälle eine amtliche Mitwirkung bei der Teilung vorzusehen.
ZGB gibt den Kantonen die Befugnis, eine amtliche
Mitwirkung bei der Teilung einer Erbschaft ausser dem in Abs. 1 ebenda
vorgesehenen Fall noch für weitere Fälle vorzuschreiben. Diese Mitwirkung
braucht sich nicht auf die Vertretung eines oder mehrerer Erben zu
beschränken, sondern es kann der Behörde die Befugnis zur Einleitung von
Teilungsverhandlungen und auch zur Aufstellung eines Teilungsvertragsentwurfes
übertragen werden (BGE 51 II 494). Dagegen dürfen solche Vorschriften das im
eidgenössischen ZGB verankerte Recht der Erben nicht beeinträchtigen, die
Teilung selbständig durchzuführen durch Abschluss des Teilungsvertrages oder
durch Aufstellung und Entgegennahme der Lose (Art. 634
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 634 - 1 Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
1    Die Teilung wird für die Erben verbindlich mit der Aufstellung und Entgegennahme der Lose oder mit dem Abschluss des Teilungsvertrages.
2    Der Teilungsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form.
in Verbindung mit Art.
611
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 611 - 1 Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind.
1    Die Erben bilden aus den Erbschaftssachen so viele Teile oder Lose, als Erben oder Erbstämme sind.
2    Können sie sich nicht einigen, so hat auf Verlangen eines der Erben die zuständige Behörde unter Berücksichtigung des Ortsgebrauches, der persönlichen Verhältnisse und der Wünsche der Mehrheit der Miterben die Lose zu bilden.
3    Die Verteilung der Lose erfolgt nach Vereinbarung oder durch Losziehung unter den Erben.
ZGB). Es ist daher unzulässig, die Verbindlichkeit eines von allen Erben
angenommenen und unterzeichneten Teilungsvertrages von der Mitwirkung und
Genehmigung durch die Teilungsbehörde abhängig zu machen (BGE 60 II 18 ff.).
Daraus ergibt sich, dass den Erben nicht verwehrt werden kann, ohne
Anwesenheit eines Beamten zu verhandeln und den Vertrag abzuschliessen. Mit
Unrecht folgern aber die Beschwerdeführer weiter, die amtliche Mitwirkung
könne überhaupt nur für den (naturgemäss in erster Linie in Betracht
kommenden) Fall vorgeschrieben werden, dass sie mindestens von einem Erben
anbegehrt wird. Der mit dem Gebot einer amtlichen Einmischung zu verfolgende
Zweck besteht darin, die ordnungsmässige Durchführung der Teilung zu
erleichtern. Diesem Zweck vermag in besonderer Weise ein Einschreiten der
Behörde von Amtes wegen zu dienen, weshalb auch dahingehende Vorschriften dem
Bundesrecht nicht widersprechen, sofern eben die amtliche Mitwirkung

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nicht zur Voraussetzung der Verbindlichkeit des Teilungsvertrages oder der
Losbildung und -verteilung gemacht wird. Auch wo, wie hier, die Erben zunächst
der Mitwirkung der Behörde entraten zu können glauben, ist es sehr wohl
möglich, dass der eine oder andere von ihnen daraus Nutzen ziehen kann und
wird. Solange die Teilung nicht tatsächlich durchgeführt ist, lässt sich daher
das nach Massgabe der kantonalen Bestimmungen angeordnete Einschreiten der
Behörde nicht als zwecklos bezeichnen. Insofern ist die Beschwerde
unbegründet.
2. ­ Für die Anordnung einer neuen Inventur des Erbschaftsvermögens durch die
Behörde fehlt es dagegen an einer bundesrechtlichen Grundlage. Die Bestimmung
von Art. 553 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 553 - 1 Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1    Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1  ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist;
2  ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist;
3  einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt;
4  ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.527
2    Sie erfolgt nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes und ist in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen.
3    Die Aufnahme eines Inventars kann durch die kantonale Gesetzgebung für weitere Fälle vorgeschrieben werden.
ZGB, wonach das kantonale Recht die Aufnahme eines
Inventars noch für weitere als die bundesrechtlich in Abs. 1 ebenda
vorgesehenen Fälle vorschreiben kann, betrifft nur die Aufzeichnung des vom
Erblasser hinterlassenen Vermögens, wie denn die Art. 551
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 551 - 1 Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
1    Die zuständige Behörde hat von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln zu treffen.525
2    Solche Massregeln sind insbesondere in den vom Gesetze vorgesehenen Fällen die Siegelung der Erbschaft, die Aufnahme des Inventars, die Anordnung der Erbschaftsverwaltung und die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen.
3    ...526
-559
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 559 - 1 Nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung an die Beteiligten wird den eingesetzten Erben, wenn die gesetzlichen Erben oder die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben, auf ihr Verlangen von der Behörde eine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass sie unter Vorbehalt der Ungültigkeitsklage und der Erbschaftsklage als Erben anerkannt seien.
1    Nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung an die Beteiligten wird den eingesetzten Erben, wenn die gesetzlichen Erben oder die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben, auf ihr Verlangen von der Behörde eine Bescheinigung darüber ausgestellt, dass sie unter Vorbehalt der Ungültigkeitsklage und der Erbschaftsklage als Erben anerkannt seien.
2    Zugleich wird gegebenen Falles der Erbschaftsverwalter angewiesen, ihnen die Erbschaft auszuliefern.
ZGB die zur
Sicherung des Erbganges zu treffenden Massnahmen ordnen. Jener Bestimmung ist
hier durch das in seiner Richtigkeit nicht angefochtene Inventar des Jahres
1929 genügt worden. Die Aufnahme eines neuen Inventars aber, das der
Feststellung des heutigen Vermögensbestandes zu dienen hätte, lässt sich nicht
auf Art. 553
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 553 - 1 Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1    Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1  ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist;
2  ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist;
3  einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt;
4  ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.527
2    Sie erfolgt nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes und ist in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen.
3    Die Aufnahme eines Inventars kann durch die kantonale Gesetzgebung für weitere Fälle vorgeschrieben werden.
ZGB stützen. Ob die Erben im Hinblick auf die Teilung eine neue
Bestandesaufnahme für notwendig erachten und wie sie sie allenfalls vornehmen
wollen, steht in ihrem Belieben. Das eidgenössische Recht schreibt in dieser
Hinsicht nichts vor, und es lässt auch kantonale Bestimmungen nicht zu, die ­
abgesehen von steuerrechtlichen Inventarmassnahmen, die hier nicht in Frage
stehen ­ den Erben die Aufnahme eines Teilungsinventars aufdrängen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 62 II 129
Date : 01. Januar 1936
Published : 03. Juli 1936
Source : Bundesgericht
Status : 62 II 129
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Amtliche Mitwirkung bei der Erbteilung kann durch kantonales Recht vorgeschrieben werden (Art. 609...


Legislation register
OG: 87
ZGB: 551  553  559  609  611  634
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51-II-488 • 60-II-18 • 62-II-129
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heir • inventory • partitioning contract • federal court • cantonal law • testator • survivor • directive • decision • autonomy • partition among coheirs • guideline • ex officio • question • devolution of a deceased person • correctness • law of succession