S. 40 / Nr. 12 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 40

12. Entscheid von 20. März 1935 i. S. Wajnryb.

Regeste:
Wechselbetreibung. Gegen einen im Handelsregister nicht eingetragenen Verein
ist die Wechselbetreibung auch dann unzulässig, wenn der Gläubiger behauptet,
der Verein sei gemäss Art. 61 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
ZGB zur Eintragung verpflichtet. Die
Herbeiführung eines Entscheides der Handelsregister. Behörden über die
Eintragungspflicht hat nicht durch das BA von Amtes wegen zu erfolgen, sondern
bleibt dem betreibenden Gläubiger überlassen. Vor der Eintragung kann nur auf
Pfändung betrieben werden.
SchKG Art. 39, 177 ff; ZGB Art. 61; Handelsreg. Vo Art. 26.
Poursuite pour effets de change. Une association non inscrite au registre du
commerce ne peut pas être poursuivie par la voie de la poursuite pour effets
de change, même si le créancier affirme qu'elle devrait être inscrite en vertu
de l'art. 61 al. 2 Ce. Ce n'est pas à l'office, mais au créancier à provoquer
une décision de l'autorité compétente sur la nécessité de l'inscription. Avant
l'inscription, l'association ne peut être poursuivie que par voie de saisie.
Esecuzione cambiaria. Una associazione non iscritta nel registro di commercio
non può essere escussa in via cambiaria anche se il creditore adduce che
dovrebbe essere iscritta in virtù dell'art. 61 cp. 2 Cc. Non tocca
all'ufficio, ma al creditore, di provocare una decisione dell'autorità
competente circa, l'obbligo dell'iscrizione. Prima dell'iscrizione,
l'associazione può essere escussa solo in via di pignoramento.
Art 39, 177 LEF; 61 Cc; 26 reg. registro di com.

A. - Der Rekurrent leitete am 3. Dezember 1934 gegen das «Fürsorge- und
Erziehungsheim vom Guten Hirten» in Altstätten die Wechselbetreibung ein
gestützt auf ein im Namen dieser Anstalt von deren Oberin ausgestelltes Akzept
Gegen den Zahlungsbefehl beschwerte sich die Anstalt mit dem Antrage auf
Aufhebung der Wechselbetreibung

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und der Begründung, das «Fürsorge- und Erziehungsheim vom Guten Hirten» sei im
Handelsregister nicht eingetragen, es besitze überhaupt nicht
Rechtspersönlichkeit und unterliege daher der Wechselbetreibung nicht. In
ihrem die Beschwerde schützenden Entscheide führte die untere Aufsichtsbehörde
aus, das rechtliche Verhältnis zwischen dem «Heim» und dem dieses
beaufsichtigenden «Verein vom Guten Hirten» brauche hier nicht erörtert zu
werden, gerichtsnotorisch sei jedenfalls, dass für die Verbindlichkeiten des
Heims der Verein nicht hafte. Das Heim sei, wenn auch die Buchhaltung nach
kaufmännischer Art geführt werde, nicht ein Gewerbe mit Gewinnzweck, daher zur
Eintragung im Handelsregister nicht verpflichtet und unterliege somit der
Wechselbetreibung nicht. - Hiegegen rekurrierte der Gläubiger an die obere
kantonale Aufsichtsbehörde mit dem Antrage auf Zulässigerklärung dieser
Betreibungsart. Er führte aus, das «Heim» besitze nicht eigene
Rechtspersönlichkeit, sondern bilde lediglich den Gewerbebetrieb des «Vereins
vom Guten Hirten»; dieser habe als Betriebsinhaber für die Schulden des
«Heims» aufzukommen, sei pflichtgemäss im Handelsregister eingetragen und
unterliege daher für vom Heim eingegangene Wechselverbindlichkeiten der
Wechselbetreibung. Käme jedoch dem «Fürsorge- und Erziehungsheim» eigene
Rechtspersönlichkeit zu, so wäre auch ohne Eintragung im Handelsregister die
Wechselbetreibung gegen das Heim zulässig auf Grund seiner blossen
Eintragungspflicht, wofür sich der Rekurrent auf BGE 66 III Nr. 35 beruft.
B. - Mit Urteil vom 22. Februar 1935 hat die Vorinstanz in Abweisung der
Beschwerde den Entscheid der untern Aufsichtsbehörde geschützt. Hinsichtlich
des Verhältnisses zwischen dem «Fürsorge- und Erziehungsheim» und dem «Verein
zum Guten Hirten» kommt sie anhand der Statuten des letztern und eines
Vertrages zwischen dem Verein und den «Frauen vom Guten Hirten» in Altstätten,
die das Heim leiten, zu dem Schlusse,

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dass das betriebene Heim nicht identisch ist mit dem Verein, sondern eine von
dem päpstlich bestätigten Schwesternorden vom «Guten Hirten» geführte
selbständige wohltätige Anstalt sei. Die Betreibung sei übrigens gegen das
Heim und nicht gegen den Verein gerichtet worden. Eine Zulässigkeit der
Betreibung auf Konkurs trotz Fehlens der Handelsregistereintragung, wie sie
der Rekurrent gestützt auf den zitierten Entscheid behaupte, sei hier nicht
anzunehmen, da es sich nicht wie dort um eine der Gesellschaftsformen des OR
handle, über deren Eintragungspflicht nötigenfalls rasch ein Entscheid der
Registerbehörde herbeigeführt werden könne.
C. - Diesen Entscheid zieht der Rekurrent an das Bundesgericht weiter unter
Verweisung auf seine früheren Ausführungen. Diesen fügt er bei, in dem im
angefochtenen Entscheide zitierten Vertrage werde die Benennung des Heims als
«Firma» bezeichnet, was in Verbindung mit seinem Wesen als kaufmännisch
geführter Betrieb seine Eintragungspflicht begründe. Die «Frauen vom Guten
Hirten» seien rechtlich ein Verein; auch auf einen solchen sei der in dem
zitierten Bundesgerichtsentscheide ausgesprochene Grundsatz anwendbar und
daher die Wechselbetreibung auch vor der Eintragung im Handelsregister
zulässig.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Nach der vom Rekurrenten nicht mehr angefochtenen vorinstanzlichen
Feststellung ist das «Fürsorge- und Erziehungsheim vom Guten Hirten» nicht
identisch mit dem «Verein vom Guten Hirten», auch nicht ein blosses Organ
desselben. Der Rekurrent gibt selbst zu, dass er nicht den Verein, sondern das
Heim betreiben wollte. In rechtlicher Beziehung stellt er sich auf den
Standpunkt, dieses Fürsorgeheim, bezw. die unter dieser Firma auftretenden
Ordensschwestern «Frauen vom Guten Hirten» seien ein selbständiger Verein, der
für seinen Zweck ein nach kaufmännischer

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Art geführtes Gewerbe betreibe, daher gemäss Art. 61 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
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ZGB im
Handelsregister eingetragen sein müsse und zufolge dieser Eintragungspflicht
eo ipso auch der Wechselbetreibung unterliege.
Wenn der Rekurrent aus dem von ihm angerufenen Entscheide (BGE 56 III Nr. 35)
entnehmen zu können glaubt, eine eintragungspflichtige, aber nicht
eingetragene Kollektivgesellschaft könne schon vor der Vornahme der Eintragung
auf Konkurs betrieben werden, so missversteht er die dortigen Ausführungen. Es
wird lediglich gesagt, dass das gesetzwidrige Fehlen der Eintragung nicht dazu
führen könne, die Betreibung auf Pfändung anstelle der ausschliesslich
anwendbaren Konkursbetreibung stattfinden zu lassen; keineswegs aber ist
gesagt, die Konkursbetreibung könne trotz dem Fehlen des Eintrages bezw. vor
der Nachholung desselben erfolgen. Vielmehr hat das Betreibungsamt die
Einleitung der Betreibung abzulehnen oder die Frage nach der
Eintragungspflicht den Handelsregisterbehörden vorzulegen (56 III S. 136; 55
III S. 151). Solange der Eintrag nicht stattgefunden hat, ist die Fortsetzung
der Betreibung auf Konkurs nicht zulässig.
Demgemäss kann im vorliegenden Falle gegen das nichteingetragene «Fürsorge-
und Erziehungsheim» eine Wechselbetreibung zur Zeit jedenfalls nicht
durchgeführt werden. Es steht nicht einmal fest, ob man es bei dieser Anstalt
überhaupt mit einem Verein zu tun hat, denn man kennt weder die Statuten, noch
weiss man, ob ein Vorstand vorhanden ist. Unter diesen Umständen kann, wenn
der Gläubiger an dem Begehren auf Wechselbetreibung festhält und sich nicht
mit der Betreibung auf Pfändung begnügen will, lediglich die Frage sich
stellen, ob das Betreibungsamt von Amtes wegen die Frage der
Eintragungspflicht bei den zuständigen Handelsregisterbehörden zur
Entscheidung bringen soll, oder ob dies im Sinne von Art. 26 der
Handelsregisterverordnung dem Rekurrenten überlassen bleiben soll. In dem
zitierten Entscheide

Seite: 44
(56 III Nr. 35) sind beide Wege als möglich erklärt worden. Da es sich hier
jedoch nicht um die Fortsetzung, sondern um die Anhebung der Betreibung
handelt, liegt eine zwingende Veranlassung für das Betreibungsamt, von sich
aus den Entscheid der Handelsregisterbehörden zu provozieren, nicht vor. Es
ist berechtigt, solange eine Eintragung nicht erfolgt ist, die
Wechselbetreibung überhaupt abzulehnen (vgl. JAEGER, zu Art. 39, N. 14).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 61 III 40
Datum : 01. Januar 1935
Publiziert : 20. März 1935
Quelle : Bundesgericht
Status : 61 III 40
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Wechselbetreibung. Gegen einen im Handelsregister nicht eingetragenen Verein ist die...


Gesetzesregister
ZGB: 61
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 61 - 1 Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
1    Sind die Vereinsstatuten angenommen und ist der Vorstand bestellt, so ist der Verein befugt, sich in das Handelsregister eintragen zu lassen.
2    Der Verein ist zur Eintragung verpflichtet, wenn er:
1  für seinen Zweck ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt;
2  revisionspflichtig ist;
3  hauptsächlich Vermögenswerte im Ausland direkt oder indirekt sammelt oder verteilt, die für karitative, religiöse, kulturelle, erzieherische oder soziale Zwecke bestimmt sind.85
2bis    Der Bundesrat erlässt die Ausführungsvorschriften über die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister.86
2ter    Er kann Vereine nach Absatz 2 Ziffer 3 insbesondere dann von der Eintragungspflicht ausnehmen, wenn sie aufgrund von Höhe, Herkunft, Ziel oder Verwendungszweck der gesammelten oder verteilten Vermögenswerte einem geringen Risiko des Missbrauchs für Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind.87
3    ...88
BGE Register
61-III-40
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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