S. 4 / Nr. 2 Familienrecht (d)

BGE 61 II 4

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Januar 1935 i. S.
Stadler gegen Erben Rüsch-Burckhardt.


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Regeste:
Rückforderung einer auf eine rechtskräftig gewordene Betreibung hin bezahlten
Nichtschuld (Art. 86 SchKG): Es wird vermutet, dass die Zahlung durch die
Betreibung veranlasst worden ist; die Beweislast für das Gegenteil trifft den
Rückerstattungsbeklagten.
Interzession der Ehefrau (Art. 177 Abs. 3 ZGB): Die Erfüllung einer nicht
durch die Vormundschaftsbehörde genehmigten Verpflichtung gilt nicht als
Verfügung, die der Genehmigung nicht bedürfte, sondern ist Erfüllung einer
Nichtschuld. Die Rückforderung ist unter den Voraussetzungen von Art. 63 OR
oder Art. 86 SchKG zulässig.

Aus dem Tatbestand:
Georg Stadler hob gegen Frau Emilie Rüsch-Burckhardt als Solidarbürgin für
eine Schuld ihres Ehemannes Betreibung an, die unbestritten blieb. Nach
wiederholter Androhung der Fortsetzung der Betreibung einigte man sich im
April 1932 in der Weise, dass ein Kapitalbetrag von 10000 Fr. bar bezahlt
wurde und Frau Rüsch-Burckhardt für den Rest persönlich eine Schuldanerkennung
unterzeichnete.
Mit Berufung darauf, dass die Solidarbürgschaftsverpflichtung nicht von der
Vormundschaftsbehörde genehmigt worden war, fordern die Erben der Frau
Rüsch-Burckhardt von Stadler mit rechtzeitig eingereichter Klage nach Art. 80
SchKG die Rückerstattung jenes Barbetrages.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat die Rückforderungsklage
gutgeheissen. Der Beklagte hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit
dem erneuerten Antrag auf Abweisung der Klage.
Aus den Erwägungen:
5.- Nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz steht fest, dass der
geleistete Betrag aus dem Vermögen

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der Frau Rüsch-Burckhardt entnommen wurde und auch vom Beklagten als ihre,
nicht ihres Mannes Leistung angesehen werden musste. Sodann ist kein Zweifel,
dass die Zahlung infolge der gegen Frau Rüsch hängigen Betreibung erfolgt ist.
Wird auf eine rechtskräftig gewordene Betreibung hin bezahlt, so ist zu
vermuten, dass die Betreibung die Veranlassung zur Leistung gebildet hat,
zumal wenn der Gläubiger, wie hier, wiederholt mit der Fortsetzung der
Betreibung gedroht hatte. Das Gegenteil, die freiwillige Leistung, hätte der
auf Rückerstattung belangte Betreibungsgläubiger nachzuweisen (JAEGER, zu Art.
86 SchKG N. 13). Das ist hier versucht worden mit dem Hinweis darauf, dass die
Erblasserin in Verbindung mit jener Zahlung eine neue Schuldanerkennung für
den Rest unterzeichnet hat. Diese Auffassung geht jedoch fehl, bildete doch
die neue Schuldanerkennung gleich wie die Teilzahlung mit eine Bedingung
dafür, dass die Betreibung nicht fortgesetzt werde. Beide Rechtshandlungen der
Erblasserin sind durch die gegen sie angehobene Betreibung erwirkt worden, vom
Nachweis des Gegenteils kann keine Rede sein.
6.- Es fragt sich somit nur noch, ob sich die Leistung als Zahlung einer
Nichtschuld darstelle. Nun ist der Vorinstanz darin beizustimmen, dass die
Erblasserin an der Eingehung der Solidarbürgschaft kein eigenes rechtliches
Interesse hatte, wie es zum Ausschluss der Genehmigungsbedürftigkeit im Sinne
des Art. 177 Abs. 3 ZGB gefordert wird (BGE 58 II 10). Die Erfüllung der von
der Vormundschaftsbehörde nicht genehmigten Bürgschaftsverpflichtung war daher
in der Tat Zahlung einer Nichtschuld. Allerdings hat das Bundesgericht
wiederholt entschieden, dass Verfügungen im Gegensatz zu Verpflichtungen jener
Genehmigung nicht bedürfen (BGE 49 II 38 ff. und seither ergangene
Entscheidungen). Der Beklagte möchte diese Unterscheidung in der Weise
angewendet wissen, dass jede Erfüllung einer Verpflichtung als Verfügung
angesehen würde, auch wenn die Verpflichtung als solche wegen

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Fehlens der behördlichen Genehmigung an und für sich ungültig wäre, so dass
also die Ungültigkeit der Verpflichtung durch die Erfüllung geheilt würde. (So
grundsätzlich WOLFER, Die Verpflichtungen der Ehefrau usw., 51 ff., der aber
gerade im Falle von Art. 86 SchKG die Rückforderung dann doch zulassen will.)
Das ist indessen mit der in Art. 177 Abs. 3 ZGB getroffenen Regelung kaum
vereinbar, wonach eine nicht genehmigte Verpflichtung schlechthin nichtig und
nicht etwa wie eine verjährte Forderung nur mit einer Einrede belastet ist
(BGE 59 II 32). Das Bundesgericht hat denn auch Verfügungen der Ehefrau zu
Gunsten des Ehemannes niemals von der Genehmigungsbedürftigkeit ausgenommen,
wenn sie sich auf eine genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigte
Verpflichtung stützten; vielmehr geht die Rechtsprechung dahin, dass dann,
wenn die Verfügung der Verpflichtung auf dem Fusse folgt, auch das
Verpflichtungsgeschäft selber der Genehmigung nicht bedarf (BGE 57 II 12; 59
II 218
). Diese Entscheidung rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass
solchenfalls der Verfügungscharakter überwiegt, m. a. W. dass keine blosse
Verpflichtung der Ehefrau mit ihren besonderen Gefahren vorliegt, wenn eben
die Verpflichtung als sofort durch Verfügung vollziehbar eingegangen wird. Für
die in Frage stehende Bürgschaftsverpflichtung der Erblasserin trifft dies
aber nicht zu, sie war deshalb offensichtlich der Genehmigung durch die
Vormundschaftsbehörde bedürftig. Dann ist sie aber auch mit allen sich daraus
ergebenden Folgen als Nichtschuld zu behandeln: Da kein Rechtsanspruch auf
Erfüllung bestand, ist die Rückforderung des Geleisteten unter den
Voraussetzungen von Art. 63 OR oder 86 SchKG zulässig.
Die Rückerstattungspflicht wäre nur dann abzulehnen, wenn die erhaltene
Leistung gar nicht mehr auf jener Bürgschaftsverpflichtung beruht hätte,
sondern ihr Grund in einer selbständigen neuen Verpflichtung zu finden wäre,
die ihrerseits, weil sie sofort vollziehbar war, oder aus anderen Gründen
nicht der behördlichen Genehmigung

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bedurfte. Dies trifft aber gleichfalls nicht zu, vielmehr fand sich die
Erblasserin gerade infolge des Druckes der für die Bürgschaftsverpflichtung
angehobenen Betreibung zur Leistung bereit und handelte es sich um nichts
anderes als um die Erledigung jener in Betreibung stehenden Verpflichtung, wie
bereits dargetan worden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichtes des
Kantons Basel-Stadt vom 12. Oktober 1934 wird bestätigt.
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 61 II 4
Data : 01. gennaio 1935
Pubblicato : 25. gennaio 1935
Sorgente : Tribunale federale
Stato : 61 II 4
Ramo giuridico : DTF - Diritto civile
Oggetto : Rückforderung einer auf eine rechtskräftig gewordene Betreibung hin bezahlten Nichtschuld (Art. 86...


Registro di legislazione
CC: 177
CO: 63
LEF: 80  86
Registro DTF
49-II-38 • 57-II-10 • 58-II-8 • 59-II-217 • 59-II-28 • 61-II-4
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
indebito • tribunale federale • riconoscimento di debito • convenuto • autorità inferiore • erede • basilea città • decisione • nullità • restituzione • fattispecie • coniuge • presunzione • onere della prova • volontà • quesito • casale • condizione • uomo • pressione
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