BGE 61 II 377
86. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. November 1935 i. S.
Gottlieb und Westheimer gegen Guggenheim.
Seite: 377
Regeste:
Passivlegitimation für die Patentverletzungsklage, Pat.G. Art. 38.
Aktivlegitimation für die Patentnichtigkeitsklage, Pat.G. Art. 16.
Aus dem Tatbestand:
A. - Der Kläger G. Gottlieb ist Inhaber des schweizerischen Patentes Nr.
159.628 betr. ein Verfahren zur Herstellung von Rosshaar- und
Pflanzenfasermatten; der Kläger J. Westheimer ist Generalvertreter und
Lizenzträger Gottliebs für das Gebiet der Schweiz.
Die Firma Manufacture Strasbourgeoise de Crins et de Fibres, anc. Simon
Hammel, in Strassburg, stellt eine Polstereinlage her, die nach der Behauptung
der Kläger genau nach ihrem patentierten Verfahren hergestellt ist. Der
Beklagte vertrieb als Agent der genannten Strassburger Firma diese
Polstereinlage in der Schweiz. Im Februar 1934 löste er dieses
Vertretungsverhältnis.
B. - Am 16. Dezember 1933/11. Januar 1934 haben Gottlieb und Westheimer gegen
Guggenheim Klage auf Feststellung begangener und Verbot weiterer
Patentverletzungen durch den Beklagten erhoben.
Der Beklagte hat zunächst die Einlassung auf die Klage verweigert, da er als
blosser unselbständiger Vermittlungsagent der Strassburger Firma nicht passiv
legitimiert sei; zudem habe er die Vertretung seit dem 10. Februar 1934
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niedergelegt. Ferner hat er Widerklage auf Nichtigerklärung des Patentes Nr.
159.628 erhoben.
Der Beklagte hat der Strassburger Firma den Streit verkündet; diese hat sich
jedoch am Verfahren nicht beteiligt.
C. - Mit Urteil vom 2. Mai 1935 hat das Handelsgericht des Kantons Zürich
Klage und Widerklage abgewiesen.
D. - Das Bundesgericht hat die Berufungen beider Parteien gegen dieses Urteil
abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
1.- Wie schon vor der Vorinstanz, so hat der Beklagte auch heute wieder seine
Passivlegitimation bestritten mit dem Hinweis darauf, dass er als blosser
Vermittlungsagent für die Strassburger Firma tätig gewesen sei und daher gar
nicht Urheber der behaupteten Patentverletzung sein könne. Mit der Vorinstanz
ist jedoch dieser Einwand des Beklagten zurückzuweisen, da nach Art. 38 Ziffer
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SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 38 - 1 Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
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1 | Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
2 | Ist nach der Gesetzgebung des Landes, dem der Patentinhaber angehört, oder in dem er niedergelassen ist, die Klage auf Löschung des Patentes mangels Ausführung der Erfindung im Inland schon nach Ablauf von drei Jahren seit der Patenterteilung gestattet, so kann unter den in Artikel 37 für die Lizenzerteilung genannten Voraussetzungen statt auf Erteilung einer Lizenz auf Löschung des Patentes geklagt werden.89 |
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 38 - 1 Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
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1 | Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
2 | Ist nach der Gesetzgebung des Landes, dem der Patentinhaber angehört, oder in dem er niedergelassen ist, die Klage auf Löschung des Patentes mangels Ausführung der Erfindung im Inland schon nach Ablauf von drei Jahren seit der Patenterteilung gestattet, so kann unter den in Artikel 37 für die Lizenzerteilung genannten Voraussetzungen statt auf Erteilung einer Lizenz auf Löschung des Patentes geklagt werden.89 |
nachgemachte oder nachgeahmte Erzeugnisse verkauft, feilhält, in Verkehr
bringt oder gewerbsmässig gebraucht», sowie «wer bei diesen Handlungen
mitwirkt, deren Begehung begünstigt oder erleichtert». Eine Mitwirkung im
Sinne dieser Bestimmungen liegt auch ohne Zweifel in der Tätigkeit des
Agenten, der den Abschluss von Geschäften über patentverletzende Erzeugnisse
vermittelt, ohne selbst Vertragspartei zu sein.
Wenn der Beklagte das Fehlen seiner Passivlegitimation daraus ableiten will,
dass er in die Fabrikation des streitigen Artikels gar keinen Einblick gehabt
habe, weshalb seiner Mitwirkung das Requisit der Widerrechtlichkeit fehle, so
vermengt er die Frage der Widerrechtlichkeit, welche allerdings Voraussetzung
für jede Klage aus Art. 38
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 38 - 1 Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
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1 | Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen. |
2 | Ist nach der Gesetzgebung des Landes, dem der Patentinhaber angehört, oder in dem er niedergelassen ist, die Klage auf Löschung des Patentes mangels Ausführung der Erfindung im Inland schon nach Ablauf von drei Jahren seit der Patenterteilung gestattet, so kann unter den in Artikel 37 für die Lizenzerteilung genannten Voraussetzungen statt auf Erteilung einer Lizenz auf Löschung des Patentes geklagt werden.89 |
Verschuldens, welch letztere für die Entscheidung über die Passivlegitimation
gar nicht in Betracht fällt. Denn auch die unverschuldete Patentverletzung
kann widerrechtlich
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sein und gewisse Ansprüche des Patentberechtigten gegen den Verletzer zur
Entstehung bringen, wie den Anspruch auf Unterlassung weiterer Verletzungen,
der gerade in casu von den Klägern geltendgemacht wird. Nur für einen
Schadenersatzanspruch des Patentberechtigten ist weitergehend auch ein
Verschulden des Verletzers erforderlich. Selbst beim Fehlen eines Verschuldens
könnte daher der Beklagte als Verletzer des Patentes der Kläger in Frage
kommen, was nach den eingangs gemachten Ausführungen zur Begründung der
Passivlegitimation genügt...
4.- Die Berufung des Beklagten wendet sich dagegen, dass die Vorinstanz seine
Widerklage auf Nichtigerklärung des in Frage stehenden Patentes abgewiesen hat
mit der Begründung, es fehle ihm die Aktivlegitimation zu einem solchen
Begehren.
Nach dem Schlussatz von Art. 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes. |
die von der Vorinstanz zutreffend als negative Feststellungsklage
charakterisiert worden ist, jedermann berechtigt, «der ein Interesse
nachweist». Die ursprüngliche Fassung des früheren Patentgesetzes vom 29. Juni
1888 hatte von einem rechtlichen Interesse gesprochen; durch die Ausmerzung
des Wortes «rechtlich», die schon unter der Herrschaft des alten
Patentgesetzes durch die Novelle vom 23. März 1893 erfolgt war, sollte zum
Ausdruck gebracht werden, wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung
betont hat (vgl. BGE 38 II S. 660, 41 II S. 516, 50 II S. 70; ebenso die
Legitimation zur Anfechtung eines Markeneintrages nach Markenrecht, BGE 58 II
S. 178) - dass neben rechtlichen auch bloss tatsächliche Interessen der
verschiedensten Art die Klageberechtigung verleihen können, und zwar können
sowohl unmittelbare, gegenwärtige, wie auch erst in Zukunft aktuell werdende
Interessen hinreichen. (So auch für das französische Recht, das in Art. 37 des
Patentgesetzes vom 5. Juli 1844 als klageberechtigt erklärt «toute personne y
ayant intérêt»: POUILLET, traité des brevets d'invention, 4e édition, Paris
1899, N OS 553 ss.).
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Dagegen ist mit der Vorinstanz die Auffassung von WEIDLICH und BLUM, Anm. 12
zu Art. 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes. |
reinen Schikane» zur Abweisung mangels Interesses führe. Wäre dies die Absicht
des Gesetzgebers gewesen, so hätte es der besonderen Erwähnung eines
Interesses als Voraussetzung für die Klageberechtigung nicht bedurft, da nach
den allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine missbräuchliche Ausübung des
Klagerechtes ohnehin ausgeschlossen gewesen wäre. Mag daher auch der Begriff
des Interesses weit gefasst werden, so ist doch daran festzuhalten, dass für
dessen Vorliegen eine rechtliche oder tatsächliche Behinderung des Klägers in
seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nachgewiesen sein muss.
Von einem derart umgrenzten Interesse kann jedoch hier nicht gesprochen
werden. Es steht fest, dass der Beklagte den streitigen Artikel seit Mitte
Februar 1934 nicht mehr vertreibt und nach seinen Erklärungen im Prozess auch
nicht die Absicht hat, ihn in Zukunft wieder zu vertreiben. Diese Umstände
muss er sich auch bei der Widerklage entgegenhalten lassen, wenn er nicht mit
seinem gegenüber der Hauptklage eingenommenen Standpunkt in Widerspruch
geraten will. Damit hat er in aller Form sein Interesse an der Erfindung der
Kläger aufgegeben. Die blosse Möglichkeit, dass ihm bei Fortsetzung seiner
Tätigkeit auf dem Gebiete der Tapeziererbranche wieder einmal die Vertretung
eines gegen das Patent der Kläger verstossenden Artikels angeboten werden
könnte und es dann für ihn wertvoll wäre, einen gerichtlichen Entscheid über
die Gültigkeit dieses Patentes zu besitzen, kann nicht als ausreichendes
Interesse gelten. Wohl genügt nach dem oben Gesagten schon ein erst in Zukunft
aktuell werdendes Interesse, allein es ist notwendig, dass es nicht nur
möglicherweise, wie es beim Beklagten der Fall ist, sondern zum mindesten mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit aktuell werden wird. Von einer zukünftigen
Aktualität könnte aber erst gesprochen werden, wenn sich
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der Beklagte tatsächlich durch ein Angebot eines solchen Artikels vor die
Frage gestellt sähe, ob er dessen Vertrieb übernehmen könne oder dies mit
Rücksicht auf das Patent der Kläger ablehnen müsse.
Dass die Herstellerin der beanstandeten Einlage, also die Strassburger Firma,
zweifellos ein Interesse an einem Entscheid über die Gültigkeit des
klägerischen Patentes hätte, und dass der Beklagte lediglich der vorgeschobene
Strohmann seiner früheren Auftraggeberin ist, wie aus seiner Erklärung
hervorgeht, dass diese für die ihn treffenden Prozesskosten aufkomme, vermag
selbstverständlich ein im übrigen nicht vorhandenes eigenes Interesse des
Beklagten nicht zu ersetzen.