S. 1 / Nr. 1 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 61 I 1

1. Urteil vom 1. Februar 1935 i. S. Reif gegen Baselland.


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Regeste:
Rechtsöffnung für Steuerforderungen: Beweispflicht des Staates für die
erfolgte Zustellung der Taxationsanzeige.

A. - Carl Reif hatte am 31. Januar 1933 der Gemeindekanzlei Arlesheim seine
Steuererklärung für 1933/35 mit der Angabe von Null Vermögen und 7950 Fr.
Einkommen eingereicht. Auf eine Aufforderung der Gemeindeverwaltung zur
Vorlage gewisser Ausweise antwortete er mit Schreiben vom 29. Juni 1933.
Einige Monate später, nach Behauptung der Steuerbehörde Ende Oktober, nach
seiner eigenen Darstellung im Dezember 1933, erhielt er von der
Gemeindeverwaltung Arlesheim die Staatssteuerrechnung für 1933 im Betrage von
275 Fr. 80 Cts. Er schrieb darauf am 28. Dezember 1933 der kantonalen
Steuerverwaltung, die Rechnung müsse auf einem Irrtum beruhen; er habe auf
seine Zuschrift vom 29. Juni noch keinen Bescheid erhalten; die Behörde möge
die Sache untersuchen. Die kantonale Steuerverwaltung antwortete dem
Pflichtigen, er sei für die Staatssteuer 1933 «laut Einschätzungsanzeige vom
20. September 1933» mit 29290 Fr. Vermögen und 9200 Fr. Einkommen taxiert und
schulde dafür eine Steuer von 275 Fr. 80 Cts.; da innert nützlicher Frist
gegen die

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Einschätzung keine Einsprache erfolgte, sei sie in Rechtskraft erwachsen und
könne nachträglich nicht mehr abgeändert werden. Auf diese Mitteilung hin
bestritt Reif, die erwähnte Taxationsanzeige erhalten zu haben, und bat um
deren nachträgliche Zusendung, damit er dazu Stellung nehmen könne. Die
kantonale Steuerverwaltung wies das Begehren ab, indem sie sich auf § 19 Abs.
3 der Vollziehungsverordnung (VV) vom 2. Dezember 1929 zum
basellandschaftlichen Steuergesetz berief, wo gesagt ist: «Die
Einschätzungsanzeigen sind den Steuerpflichtigen durch gewöhnliche Briefpost
zuzusenden. Über die von der Postverwaltung als unbestellbar an die
Steuerverwaltung zurückgesandten Einschätzungsanzeigen sind genaue
Verzeichnisse zu führen. Von den nicht an die Steuerverwaltung retournierten
Einschätzungsanzeigen wird vermutet, dass sie in den Besitz des
Steuerpflichtigen gelangt sind». Laut der hier vorgeschriebenen Kontrolle sei
die am 20. September 1933 zur Post gegebene Einschätzungsanzeige des Carl Reif
nicht als unbestellbar zurückgekommen, weshalb angenommen werden müsse, er
habe sie erhalten.
Da der Pflichtige an seiner Bestreitung festhielt, leitete die
Staatskassaverwaltung von Baselland für den in der Rechnung genannten
Steuerbetrag Betreibung gegen ihn ein und erhielt nach erhobenem
Rechtsvorschlag am 29. September 1934 vom Bezirksgerichtspräsidenten von
Arlesheim definitive Rechtsöffnung. Die Erwägungen des Entscheides lauten in
der Hauptsache: «Es ist zu prüfen, ob die in § 19 VV aufgestellte Vermutung,
mit welcher die Klägerin ihren Zustellungsbeweis erbringen will, taugliche
Rechtskraft in sich birgt. Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass es sich der
Staat ausserordentlich leicht macht, wenn er auf gewisse unsichere Tatsachen
abstellend die Zustellung der Einschätzungsanzeige einfach vermutet. Ein
bequemeres Beweismittel hätte er sich kaum schaffen können. Ebenso ist es aber
auch zu verstehen, wenn der Staat zur Handhabung seines Steuerapparates

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Formen wählt, die möglichst wenig kompliziert sind. Zutreffen mag auch, dass
diese Form in einem einzelnen Fall zu Unbilligkeiten führen kann. Für den
Staat würden aber ungeheure Konsequenzen entstehen, wenn der
Rechtsöffnungsrichter den in § 19 präsumierten Zustellungsbeweis als
ungenügend erachten würde. Die in Frage stehende Vollziehungsverordnung zum
Steuergesetz ist vom Landrat, der gesetzgebenden Behörde des Kantons
geschaffen worden, und es kann und darf nicht Aufgabe des untern kantonalen
Richters sein, diese Gesetzgebung einfach zu ignorieren».
B. - Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde beantragt Reif die
Aufhebung des ergangenen Rechtsöffnungsentscheides wegen Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.

BV (Rechtsverweigerung).
Die Vollstreckbarkeit eines Urteils, bezw. eines Verwaltungsentscheides sei
vom Rechtsöffnungskläger darzutun. Dazu gehöre hier der Nachweis über die
erfolgte Zustellung der Taxationsanzeige an den Pflichtigen. Dieser Beweis
könne durch eine blosse Vermutung, wie sie § 19 Abs. 3 Satz 3 der kantonalen
VV aufstelle, nicht ersetzt werden. «Wie leicht kann ein Brief verloren gehen,
wie leicht kann beim Personal, das mit der Spedition solcher Anzeigen
beschäftigt ist, ein Fehler unterlaufen und ebensogut bei der Führung der
Kontrolle; hundert Möglichkeiten bestehen da, dass der uneingeschriebene Brief
nicht in die Hände des Pflichtigen gelangt». Dass § 19 diesen Möglichkeiten
keine Rechnung trage, bedeute eine Rechtsverweigerung. Zudem sei es überhaupt
nicht Sache der Kantone, dem Richter vorzuschreiben, was ein Beweismittel sei.
Die Steuerbehörde möge, wenn sie sich den Beweis für die Zustellung sichern
wolle, die Einschätzungsanzeigen mit eingeschriebenem Brief versenden.
C. - Der Gerichtspräsident von Arlesheim verweist in seiner Vernehmlassung auf
die Erwägungen des angefochtenen Entscheides. Der Regierungsrat von

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Baselland beantragt die Abweisung der Beschwerde. Seinen Ausführungen ist zu
entnehmen:
Der kantonale Gesetzgeber habe unzweifelhaft das Recht zu bestimmen, in
welcher Form den Pflichtigen die erfolgte Steuerveranlagung mitzuteilen sei.
In Baselland hätten die Pflichtigen bis 1922 überhaupt keine individuellen
Einschätzungsanzeigen erhalten, sondern seien nur durch öffentliche
Bekanntmachung darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Staatssteuerrotel
während einer bestimmten Frist in den Gemeinden zur Einsichtnahme aufliege und
dass vom Beginn der Auflage an die Rekursfrist laufe. Durch das
Zuschlagssteuergesetz von 1922 sei dann ab 1. Januar 1923 die persönliche
schriftliche Mitteilung aller von der Selbsttaxation abweichenden
Steuereinschätzungen für die Staatssteuer eingeführt worden. Von Anfang an
habe man diese individuellen Taxationsanzeigen durch gewöhnliche Briefpost
zugestellt, ohne dass sich daraus nennenswerte Schwierigkeiten ergeben hätten.
Beim Erlass des neuen ab 1. Januar 1930 gültigen Staatssteuergesetzes und der
dazugehörigen Vollziehungsverordnung habe deshalb kein Grund bestanden, vom
bisherigen Verfahren abzuweichen (§ 40 Abs. 3 StG, § 19 Abs. 3 VV). Im
besondern habe dem Staat nicht zugemutet werden können, die Zustellung der
Taxationsanzeigen mit eingeschriebenem Brief einzuführen, da diese
Zustellungsart den Versand der Anzeigen verzögert und ausser vermehrten
Personalunkosten noch rund 14000 Fr. Porto-Auslagen in der dreijährigen
Steuerperiode verursacht haben würde.
Die Regelung des § 19 VV sei einfach und zweckmässig. Voraussetzung sei
allerdings, dass beim Versand der Anzeigen und bei der Kontrolle der
unbestellbaren Briefe alle Sorgfalt angewendet werde. Das geschehe jedoch in
Baselland. Die Anzeigen würden auf Grund der amtlichen Steuerformulare
ausgefertigt, in welchen die genaue Adresse des Steuerpflichtigen enthalten
sei. Unmittelbar vor der Postaufgabe würden die Anzeigen nochmals mit

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dem Steuerformular verglichen und dabei das Datum der Anzeige sowie die
angesetzte Rekursfrist im Steuerformular selber eingetragen. Ferner werde für
jede Gemeinde eine Kontrolle geführt über die Zahl der Einschätzungen mit
Angabe der Beamten, welche jeweilen die Anzeigen geschrieben und versandt
hätten. Alle von der Post als unbestellbar zurückgesandten Anzeigen würden in
ein besonderes Verzeichnis eingetragen und die Anzeigen zu den betreffenden
Steuerakten gelegt. Bei der unbestreitbaren Zuverlässigkeit der
eidgenössischen Postverwaltung bestehe volle Gewähr dafür, dass die nicht als
unbestellbar an die Steuerverwaltung zurückgekommen Anzeigen in das Domizil
des Pflichtigen gelangt seien. Die in § 19 Abs. 3 Satz 3 VV aufgestellte
Vermutung entspreche daher einer vernünftigen Überlegung. Selbstverständlich
könne sie im einzelnen Fall entkräftet werden, und es habe beispielsweise der
Steuerpflichtige Gelegenheit zur Korrektur (d. h. offenbar zum Rekurs), wenn
er dartun könne, dass «Krankheit oder Abwesenheit trotz richtiger Absendung
die tatsächliche Entgegennahme als nicht wahrscheinlich erscheinen lassen». Im
vorliegenden Falle mache der Pflichtige keinerlei derartige Umstände geltend.
Der Rekurrent habe übrigens, wenn ihm die Taxationsanzeige tatsächlich nicht
zugekommen sein sollte, doch spätestens Ende Oktober 1933 durch die
Steuerrechnung Kenntnis von der erhöhten Taxation erhalten und hätte nun auf
jeden Fall innert der für den Rekurs geltenden Frist von 15 Tagen «Vorkehren
zur erneuten Behandlung des Falles treffen sollen».
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Rekurrent stellt mit Recht nicht in Abrede, dass die Kantone
selbständig bestimmen können, in welcher Form den Pflichtigen von einer
Steuerveranlagung Kenntnis gegeben werden soll, und dass die Übermittlung der
schriftlichen Taxationsanzeige mit einfachem Brief

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(§ 40 Abs. 3 basellandschaftl. StG und § 19 Abs. 3 Satz 1 der VV hiezu) eine
an sich zulässige Form der Mitteilung darstellt. Streitig ist nur, unter
welchen Voraussetzungen alsdann der Richter bei der Behandlung von
Rechtsöffnungsgesuchen für Steuerforderungen die Zustellung als tatsächlich
erfolgt betrachten darf.
2.- Da von der Eröffnung der Veranlagungsverfügung der Beginn der Frist für
das Rechtsmittel des Rekurses an die kantonale Rekurskommission (§ 40 Abs. 3
StG) und damit der Eintritt der formellen Rechtskraft der Verfügung wegen
Versäumung dieses Rechtsmittels abhängt, trifft der Beweis für die Zustellung,
wie auch der Kanton Baselland anerkennt, grundsätzlich den Staat als
Steuergläubiger (vgl. BLUMENSTEIN, Steuerrecht S. 607 Anm. 17;
schaffhausisches Dekret betreffend das Rekursverfahren in Steuersachen von
1920 § 2; BGE vom 24. Februar 1934 i. S. Ansermier). Uneinigkeit besteht nur
über die Anforderungen, die an diesen Beweis zu stellen sind.
3.- Nach § 19 Abs. 3 Satz 3 VV, worin der Regierungsrat und der
Gerichtspräsident eine auch an den Rechtsöffnungsrichter sich wendende
Vorschrift erblicken, hätte die Zustellung der Taxationsanzeige schon als
erwiesen zu gelten, sobald sich aus dem Steuerformular und den Registern der
Steuerbehörde ergibt, dass der (einfache) Brief an die Adresse des Pflichtigen
abgesandt und von der Post nicht zurückgekommen ist. Demgegenüber glaubt der
Rekurrent, als Beweismittel für die Zustellung könne nur eine Quittung über
Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes in Betracht kommen.
4.- Eine selbständige staatsrechtliche Beschwerde gegen § 19 Abs. 3 Satz 3 VV
wäre heute wegen Verspätung nicht mehr möglich. Dagegen kann der Rekurrent den
Rechtsöffnungsentscheid des Gerichtspräsidenten vom 29. September 1934, der
sich ausdrücklich auf jene Vorschrift stützt, wegen deren angeblicher
Verfassungswidrigkeit

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staatsrechtlich anfechten (vgl. BGE 58 I S. 375 und die ständige
bundesgerichtliche Praxis).
5.- Aus der Beschwerdeschrift geht nicht deutlich hervor, ob mit der
Behauptung, die Kantone hätten dem Richter keine Vorschriften über die
zulässigen Beweismittel zu machen, eine Verletzung der derogatorischen Kraft
des Bundesrechts gegenüber dem kantonalen Recht (Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Übergangsbestimmungen
zur BV) gerügt werden soll. Doch braucht sich das Bundesgericht hiemit nicht
zu befassen, da die Beschwerde ohnehin aus dem geltend gemachten Gesichtspunkt
der Rechtsverweigerung (Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV) gutzuheissen ist.
6.- Auch der Regierungsrat geht davon aus, dass der Pflichtige die Möglichkeit
haben müsse, die Vermutung des § 19 Abs. 3 Satz 3 VV durch Leistung des
Gegenbeweises zu entkräften; die Steuerbehörde betrachte in ihrer Praxis den
Gegenbeweis als erbracht, wenn der Pflichtige dartue, dass «Krankheit oder
Abwesenheit den Empfang der Anzeige als unwahrscheinlich erscheinen liessen».
Dabei wird aber übersehen, dass die vorhandenen Möglichkeiten nicht
durchgeführter Zustellung mit jenen beiden Fällen keineswegs erschöpfend
berücksichtigt sind und dass der Pflichtige unter Umständen überhaupt
ausserstande sein wird, den Nichtempfang der Anzeige zu beweisen («negativer
Beweis»). Der Eintrag auf dem Steuerformular, dass der Brief der Post
übergeben worden sei, beweist noch nicht einmal zwingend, dass diese Übergabe
wirklich erfolgt ist: der Eintrag kann auf einem Versehen beruhen oder der
Brief kann auf dem Wege zur Post verloren gegangen sein. Ebenso ist bei der
Beförderung der Postsachen trotz der grossen Zuverlässigkeit, mit der die
schweizerische Postverwaltung arbeitet, ein gelegentliches Versehen, etwa bei
der Übergabe im Domizil des Pflichtigen, keineswegs ausgeschlossen, wie denn
erfahrungsgemäss Verwechslungen durch Einwerfen in einen unrichtigen
Briefkasten gar nicht

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allzuselten vorkommen. Ob dann der Pflichtige, dem gegenüber eine dieser
Möglichkeiten sich verwirklichte, zufällig gerade durch den Hinweis auf
Krankheit oder Abwesenheit den Nichtempfang wahrscheinlich zu machen vermag,
ist höchst ungewiss. Sehr oft wird ihm schlechterdings jedes Mittel fehlen, um
die in § 19 Abs. 3 Satz 3 enthaltene Vermutung zu beseitigen. In diesem Fall
geht er im Ergebnis seines gesetzlich gewährleisteten Rechts auf Weiterzug der
Steuerveranlagung an die kantonale Rekursinstanz verlustig.
Eine Regelung, die den Pflichtigen in solcher Weise der Gefahr einer
Verkürzung in seinem Rechtsmittelanspruch aussetzt, läuft auf eine
Rechtsverweigerung hinaus und kann vor Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nicht standhalten (vgl. BGE
vom 24. Februar 1934 i. S. Ansermier, und über den «negativen Beweis» im
allgemeinen: EGGER, Kommentar zum ZGB Art. 8 Anm. 14). Eine andere
Entscheidung käme höchstens dann in Frage, wenn dem Staat die Beschaffung
besserer Beweismittel als der in § 19 Abs. 3 vorgesehenen unmöglich zugemutet
werden könnte. Der Regierungsrat scheint der Auffassung zu sein, dass diese
Voraussetzung hier zutreffe, indem er sich auf die Kosten beruft, die dem
Kanton bei Versendung sämtlicher Taxationsanzeigen mit eingeschriebenem Brief
entstehen würden. Der Einwand ist aber nicht stichhaltig. Der Kanton kann sehr
wohl an der bisherigen Versendungsart festhalten (vgl. § 5 des
baselstädtischen StG); er braucht sich nur den Beweis der Zustellung dadurch
zu sichern, dass er diese in streitigen Fällen wiederholt und dabei sich eines
eingeschriebenen Briefes bedient oder etwa auch vom Pflichtigen direkt die
Ausstellung einer Empfangsbescheinigung verlangt; um solche Fälle nach
Möglichkeit zu verringern, liesse sich vielleicht schon mit der Zusendung des
einfachen Briefes von vornherein die Aufforderung an den Pflichtigen zu
schriftlicher Empfangsbestätigung verbinden. In Frage käme ferner die
Zustellung durch einen Gemeindeangestellten

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(§ 50 VV zum soloth. StG, § 95 VV zum zürch. StG). Aber selbst wenn der Kanton
Baselland diese mittleren Lösungen nicht für durchführbar halten sollte,
könnte ihm immer noch eher zugemutet werden, nach dem Vorbild anderer Kantone
(Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
waadtl. StG, Art. 28
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 28 - 1 Lautet der für die Abgabeberechnung massgebende Betrag auf eine ausländische Währung, so ist er auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabeforderung (Art. 7, 15, 23) in Schweizerfranken umzurechnen.
1    Lautet der für die Abgabeberechnung massgebende Betrag auf eine ausländische Währung, so ist er auf den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabeforderung (Art. 7, 15, 23) in Schweizerfranken umzurechnen.
2    Ist unter den Parteien kein bestimmter Umrechnungskurs vereinbart worden, so ist der Umrechnung das Mittel der Geld- und Briefkurse am letzten Werktage vor der Entstehung der Abgabeforderung zugrunde zu legen.
bern. StG; vgl. auch § 95 VV zum zürch. StG) zur
Versendung aller Taxationsanzeigen mit eingeschriebenem Brief überzugehen, als
dass dem Pflichtigen der Gegenbeweis gegen die Vermutung von § 19 Abs. 3 Satz
3 aufgebürdet werden dürfte.
7.- Da der angefochtene Rechtsöffnungsentscheid ausschliesslich gestützt auf §
19 Abs. 3 Satz 3 VV ergangen ist, muss die gegen ihn erhobene
Rechtsverweigerungsbeschwerde gutgeheissen werden. Dass der Pflichtige nach
Empfang der Steuerrechnung mehr als 15 Tage (Rekursfrist) zugewartet habe, bis
er am 28. Dezember 1933 um Untersuchung der Angelegenheit bat, erscheint
angesichts der Ungewissheit über das Datum der Rechnungsstellung nicht als
abgeklärt. Zudem dürfte dem Rekurrenten, wenn die fragliche Behauptung der
Steuerbehörde zutreffen sollte, das längere Stillschweigen schon deshalb nicht
als Anerkennung der vorgenommenen Taxation ausgelegt werden, weil aus der
Steuerrechnung wohl der Steuerbetrag, nicht aber die Höhe der Vermögens- und
Einkommenstaxation ersichtlich war. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die
Steuerrechnung die Taxation angegeben hätte, kann offen bleiben.
Demnach erkennt das Bundesgericht
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Bezirksgerichtspräsidenten von Arlesheim vom 29. September 1934 aufgehoben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 61 I 1
Date : 01. Januar 1935
Published : 01. Februar 1935
Source : Bundesgericht
Status : 61 I 1
Subject area : BGE - Verfassungsrecht
Subject : Rechtsöffnung für Steuerforderungen: Beweispflicht des Staates für die erfolgte Zustellung der...


Legislation register
BV: 2  4
StG: 28  59
BGE-register
58-I-371 • 61-I-1
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