BGE 60 III 31
9. Entscheid vom 17. März 1934 i. S. Einwohnergemeinde Köniz.
Regeste:
Grundstückssteigerung, Anfechtung der Steigerungsbedingungen durch den
Ersteigerer.
Ebensowenig wie blosse Gantliebhaber die Steigerungsbedingungen anfechten
können, steht dieses Recht dem Ersteigerer zu; insbesondere kann er sich auch
nicht, wenn ihm durch die Steigerungsbedingungen noch andere als die in Art.
49 lit. a
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) VZG Art. 49 - 1 Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
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1 | Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
a | die Kosten der Eigentumsübertragung und der in bezug auf die Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten usw. erforderlichen Löschungen und Änderungen im Grundbuch und in den Pfandtiteln, mit Einschluss der Kosten des in Artikel 69 hiernach vorgeschriebenen Verfahrens betreffend fehlende Pfandtitel über Grundpfandrechte, die durch die Versteigerung ganz oder teilweise untergegangen sind, sowie die Handänderungsabgaben; |
b | die im Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und daher im Lastenverzeichnis nicht aufgeführten Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht (Art. 836 ZGB74, Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftensteuern usw.), ferner die laufenden Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität u.dgl. |
2 | Zu weiteren Zahlungen über den Zuschlagspreis hinaus kann der Ersteigerer nicht verpflichtet werden, ausser es sei in den Steigerungsbedingungen vorgesehen.75 |
auferlegt worden sind, auf Abs. 2 von Art. 49 berufen, um sich diese Zahlungen
trotzdem am Zuschlagspreis abrechnen zu lassen.
Vente aux enchères d'immeubles. Plainte contre les conditions de vente.
De même que le simple amateur de l'immeuble mis en vente n'est pas recevable à
attaquer les conditions de la vente, de même cette faculté n'appartient-elle
point à l'adjudicataire; celui-ci ne saurait notamment invoquer l'art. 49 al.
2 de l'ordonnance sur la réalisation forcée des immeubles pour faire imputer
sur le prix de vente des paiements mis à sa charge en sus de ceux que l'art.
49 prévoit sous lettres a et b.
Vendita di stabili all'incanto. Contestatazione delle condizioni di vendita.
Come il semplice interveniente ad un'asta di stabili non ha veste per
impugnare le condizioni di vendita, così non la possiede l'aggiudicatario: il
quale non potrà invocare l'art. 49 cap. 2
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dell'ordinanza sulla realizzazione di fondi per far imputare sul prezzo di
vendita dei versamenti messi a suo carico oltre quelli previsti dall'art. 49
litt. a-b ibidem.
A. - In der konkursamtlichen Liquidation des Nachlasses von Hans
Hofstetter-Regez brachte das Konkursamt Bern-Land im Auftrage des Konkursamtes
Frutigen verschiedene Liegenschaften, worunter diejenige Bellevuestr. No. 116
A in Wabern, zur Verwertung. Die Steigerungsbedingungen, die vom 3. bis 14.
Januar 1934 auflagen, bestimmten u.a.:
«Ohne Abrechnung an der Kaufssumme hat der Ersteigerer zu übernehmen bezw. bar
zu bezahlen:
a) die Verwertungskosten...
b) die im Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und deshalb im
Lastenverzeichnis nicht aufgeführten Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht
(Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftssteuern), ferner die laufenden
öffentlich-rechtlichen Abgaben für Wasser, Elektrizität, Abfuhrwesen usf.,
speziell auch die in den betr. Lastenverzeichnissen aufgeführten
Kanalisationseinkaufssummen».
Im Lastenverzeichnis für die Liegenschaft Bellevuestr. No. 116 A war die
Kanalisationseinkaufssumme mit 680 Fr. aufgeführt und dafür ein allen andern
nachgehendes, gesetzliches Pfandrecht angemerkt.
Die Steigerung fand am 15. Januar statt. Die Liegenschaft wurde von
Fürsprecher Hans Berner in Bern um den Betrag von 26S300 Fr. ersteigert. Am
19. Januar stellte ihm das Konkursamt eine provisorische Abrechnung zu, in der
ihm ausser dem Zuschlagspreis auch die Kanalisationseinkaufssumme im Betrage
von 680 Fr. belastet war.
B. - Hierüber beschwerte sich der Ersteigerer durch Eingabe vom 25. Januar. Er
machte geltend, dass die Kanalisationseinkaufssumme durch den Zuschlagspreis
nicht gedeckt und das dafür bestehende gesetzliche Pfandrecht infolgedessen
erloschen sei. Somit habe die Gemeinde
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Köniz nur noch eine unversicherte Forderung V. Klasse gegen den Besteller des
Kanalisationsanschlusses. Diese Schuld dem Ersteigerer zu überbinden, wie die
Steigerungsbedingungen es vorgesehen haben, gehe nicht an; denn nach der
ausdrücklichen Vorschrift des Art. 49
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) VZG Art. 49 - 1 Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
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1 | Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
a | die Kosten der Eigentumsübertragung und der in bezug auf die Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten usw. erforderlichen Löschungen und Änderungen im Grundbuch und in den Pfandtiteln, mit Einschluss der Kosten des in Artikel 69 hiernach vorgeschriebenen Verfahrens betreffend fehlende Pfandtitel über Grundpfandrechte, die durch die Versteigerung ganz oder teilweise untergegangen sind, sowie die Handänderungsabgaben; |
b | die im Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und daher im Lastenverzeichnis nicht aufgeführten Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht (Art. 836 ZGB74, Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftensteuern usw.), ferner die laufenden Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität u.dgl. |
2 | Zu weiteren Zahlungen über den Zuschlagspreis hinaus kann der Ersteigerer nicht verpflichtet werden, ausser es sei in den Steigerungsbedingungen vorgesehen.75 |
den dort vorgesehenen Zahlungen über den Zuschlagspreis hinaus nicht
verpflichtet werden. In diesem Sinne seien die Steigerungsbedingungen und die
Abrechnung des Konkursamtes zu berichtigen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde beschloss durch Entscheid vom 19. Februar, auf
die Beschwerde nicht einzutreten, soweit sie gegen die Steigerungsbedingungen
gerichtet sei; bezüglich der Abrechnung wurde sie gutgeheissen und die
Verfügung des Konkursamtes, dass der Ersteigerer die
Kanalisationseinkaufssumme zu bezahlen habe, aufgehoben.
C. - Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Gemeinde Köniz als Gläubigerin der
Kanalisationseinkaufssumme durch den Gemeindekassier rechtzeitig an das
Bundesgericht mit dem Antrag, es sei entweder die konkursamtliche Abrechnung
zu bestätigen oder eine neue Steigerung anzuordnen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Die Entscheidung der Vorinstanz kann auf keinen Fall aufrechterhalten
werden. Wenn die Kanalisationseinkaufssumme dem Ersteigerer wirklich zu
Unrecht belastet worden ist, so genügt es nicht, ihn einfach von der Bezahlung
dieser Summe zu befreien. Hätten nämlich andere Steigerungsteilnehmer davon
Kenntnis gehabt, dass diese Steigerungsbedingung tatsächlich nicht gelte, so
wäre vielleicht oder sogar wahrscheinlich über den Betrag hinaus geboten
worden, zu dem der Zuschlag an Berner erfolgte. Infolgedessen müsste die ganze
Steigerung kassiert und mit neuen, anders gefassten Bedingungen
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wiederholt werden; denn es ginge nicht an, dass ein Interessent zunächst auf
Grund der Steigerungsbedingungen böte und hernach gegen die Abrechnung
Beschwerde führte, um sich so das Objekt zu einem niedrigeren Preise zu
sichern, als in den Steigerungsbedingungen vorgesehen ist.
2.- Die Abrechnung des Konkursamtes ist jedoch richtig. Nach ständiger
Rechtsprechung sind blosse Steigerungsinteressenten, sogenannte Gantliebhaber,
nicht legitimiert, die Steigerungsbedingungen anzufechten (vgl. JAEGER, Art.
134 N 7 und dort zitierte Entscheide). Müssen die Gantliebhaber die
Bedingungen aber hinnehmen, wie sie aufgestellt sind, so kann auch nicht
nachträglich der Ersteigerer dagegen Beschwerde erheben. Die
Steigerungsbedingungen bilden für ihn die Offerte, und wenn er mit ihr nicht
einverstanden ist, so hat er das einfache Mittel, eben nicht zu bieten. Bietet
er, so tut er es auf Grund der aufgelegten Bedingungen. Einen andern Sinn hat
entgegen der Ansicht der Vorinstanz auch Art. 49
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG) VZG Art. 49 - 1 Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
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1 | Ohne Abrechnung am Zuschlagspreis sind dem Ersteigerer durch die Steigerungsbedingungen zur Zahlung zu überbinden:72 |
a | die Kosten der Eigentumsübertragung und der in bezug auf die Grundpfandrechte, Dienstbarkeiten usw. erforderlichen Löschungen und Änderungen im Grundbuch und in den Pfandtiteln, mit Einschluss der Kosten des in Artikel 69 hiernach vorgeschriebenen Verfahrens betreffend fehlende Pfandtitel über Grundpfandrechte, die durch die Versteigerung ganz oder teilweise untergegangen sind, sowie die Handänderungsabgaben; |
b | die im Zeitpunkt der Versteigerung noch nicht fälligen und daher im Lastenverzeichnis nicht aufgeführten Forderungen mit gesetzlichem Pfandrecht (Art. 836 ZGB74, Brandassekuranzsteuern, Liegenschaftensteuern usw.), ferner die laufenden Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität u.dgl. |
2 | Zu weiteren Zahlungen über den Zuschlagspreis hinaus kann der Ersteigerer nicht verpflichtet werden, ausser es sei in den Steigerungsbedingungen vorgesehen.75 |
zweiten Absatz heisst, dass der Ersteigerer zu keinen weitern Zahlungen über
den Zuschlagspreis hinaus verpflichtet werden könne als zu denjenigen, die im
ersten Absatz genannt sind (Verwertungskosten, nicht fällige Forderungen mit
gesetzlichem Pfandrecht, laufende Abgaben für Gas, Wasser, Elektrizität u.
dergl.), so wollte damit nur der regelmässige Inhalt der
Steigerungsbedingungen festgelegt werden, um Streitigkeiten über die
Abrechnung nach Möglichkeit zu verhindern' Dagegen sollte der Ersteigerer
nicht ein gesetzliches Recht erhalten, jede weitere Zahlung über den
Zuschlagspreis hinaus zu verweigern, auch wenn eine solche in den
Steigerungsbedingungen klar und unzweideutig vorgesehen gewesen ist. Zu einer
derartigen kategorischen Regelung bestand gar kein Anlass. Insbesondere ist
nicht einzusehen, warum es dem Ersteigerer gegenüber unzulässig sein sollte,
auch für fällige Forderungen mit ähnlichem Charakter wie Abgaben für Gas,
Wasser, Elektrizität, Zahlung über den Zuschlagspreis hinaus zu verlangen,
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sofern das nur deutlich gesagt wird und der Ersteigerer sein Angebot darnach
einrichten kann. Diese Voraussetzung trifft hier zu: die Forderung war im
Lastenverzeichnis aufgeführt und in den Steigerungsbedingungen
unmissverständlich als über den Zuschlagspreis hinaus zahlbar erklärt. Ob das
den Vorschriften über den normalen Inhalt der Steigerungsbedingungen entsprach
und ob die Forderung als pfandversicherte schon durch den Zuschlagspreis
gedeckt wäre oder nicht, spielt unter diesen Umständen keine Rolle, für den
Ersteigerer ist die Bedingung auf jeden Fall bindend.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Abrechnung des Konkursamtes vom 19. Januar 1934 als rechtmässig bestätigt.