BGE 60 II 199
32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Mai 1934 i. S. Rota
gegen Gassmann.
Seite: 199
Regeste:
Schadensverteilung bei Mitverschulden (Art. 44
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
|
1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
Verhältnis des Verschuldens auf beide Parteien verlegt werden (Erw. 3).
Unterbrechung der Verjährung (Art. 135
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 135 - Die Verjährung wird unterbrochen: |
|
1 | durch Anerkennung der Forderung von seiten des Schuldners, namentlich auch durch Zins- und Abschlagszahlungen, Pfand- und Bürgschaftsbestellung; |
2 | durch Schuldbetreibung, durch Schlichtungsgesuch, durch Klage oder Einrede vor einem staatlichen Gericht oder einem Schiedsgericht sowie durch Eingabe im Konkurs. |
Verjährung nicht schlechthin, sondern nur für den in Betreibung gesetzten
Betrag unterbrochen (Erw. 4).
Verrechnung (Art. 120
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 120 - 1 Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen. |
|
1 | Wenn zwei Personen einander Geldsummen oder andere Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, schulden, so kann jede ihre Schuld, insofern beide Forderungen fällig sind, mit ihrer Forderung verrechnen. |
2 | Der Schuldner kann die Verrechnung geltend machen, auch wenn seine Gegenforderung bestritten wird. |
3 | Eine verjährte Forderung kann zur Verrechnung gebracht werden, wenn sie zurzeit, wo sie mit der andern Forderung verrechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. |
Geltendmachung der betreffenden Ansprüche vor der oberen Instanz auf dem Wege
der blossen Verrechnung nicht im Wege, wenn bei Abweisung von Haupt- und
Widerklage sich der Beklagte damit zufrieden geben wollte, der Kläger aber das
Urteil weiterzieht (Erw. 5).
Aus dem Tatbestand:
A. - Am 8. Mai 1930 ereignete sich zwischen den Parteien ein Autounfall, bei
dem beide Fahrer verletzt und beide Fahrzeuge erheblich beschädigt wurden.
Gegen beide Parteien wurde ein Strafuntersuch durchgeführt, auf Grand dessen
das Kantonsgericht St. Gallen am 30. Juni 1931 beide Angeklagte zu je 100 Fr.
Geldstrafe verurteilte.
Am 30. April 1931 betrieb der Kläger den Beklagten für den Betrag von 7000 Fr.
Als Forderungsgrund wurde im Zahlungsbefehl angegeben: Schadenersatz
(Unterbrechung der Verjährung). Einen gleichlautenden Zahlungsbefehl liess der
Kläger dem Beklagten am 18. April 1932 zustellen. Der Beklagte schlug gegen
beide Zahlungsbefehle Recht vor.
B. - Mit Klage vom 5. Dezember 1932 hat der Kläger vom Beklagten die Bezahlung
von 19560 Fr., eventuell eines Betrages nach richterlichem Ermessen, nebst 5%
Seite: 200
Zins seit 26. September 1932, sowie die Bezahlung sämtlicher aus dem Unfall
erwachsenen Arztkosten verlangt und um die Einräumung eines Nachklagerechtes
ersucht. Der Betrag von 19560 Fr. setzt sich zusammen aus einer Forderung von
14560 Fr. als Entschädigung für vorübergehende Arbeitsunfähigkeit und einer
Forderung von 5000 Fr. für Schaden am Auto.
Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und widerklageweise vom Kläger
die Bezahlung von 4696 Fr. 60 Cts. verlangt, nämlich 702 Fr. als Ersatz der
Heilungskosten und des vorübergehenden Erwerbsausfalles, und 3994 Fr. 60 Cts.
für Reparatur und Minderwert des Autos. Im Laufe des Verfahrens hat er seine
Widerklageforderung auf 2802 Fr. reduziert, da seine Kaskoversicherung bis auf
den Selbstbehalt von 100 Fr. für die Reparaturkosten des Autos aufgekommen
sei.
C. - Mit Urteil vom 5. Juli 1933 hat das Bezirksgericht Höfe Klage und
Widerklage wegen grobfahrlässigen Verschuldens beider Parteien abgewiesen,
dagegen dem Kläger den Rektifikationsvorbehalt während 2 Jahren vom Tage des
Urteils an zugebilligt.
D. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger an das Kantonsgericht des Kantons
Schwyz appelliert unter Erneuerung der vor erster Instanz gestellten
Rechtsbegehren. Der Beklagte hat Anschlussappellation ergriffen und die
Streichung des von der ersten Instanz dem Kläger gewährten
Rektifikationsvorbehaltes, sowie die Gutheissung der Widerklage beantragt.
E. - Mit Entscheid vom 11. Dezember 1933, zugestellt am 29. Januar 1934, hat
das Kantonsgericht des Kantons Schwyz zunächst mit Vorbescheid das Eintreten
auf die Anschlussappellation des Beklagten abgelehnt und sodann in der
Hauptsache die Berufung des Klägers abgewiesen und das Urteil der Vorinstanz
bestätigt.
E. - Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen mit dem
Antrag, es sei in
Seite: 201
Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils gerichtlich zu erkennen:
a) Der Beklagte habe dem Kläger 19500 Fr. nebst Zins zu 5% seit 26. September
1932, bezw. eine Summe nach richterlichem Ermessen zu bezahlen.
b) Der Beklagte habe dem Kläger sämtliche aus diesem Unfall erwachsenen
Arztkosten zu vergüten.
G. - An der heurigen Verhandlung hat der Kläger seine Berufungsanträge
wiederholt. Der Beklagte hat die Abweisung der Berufung und die Bestätigung
des angefochtenen Entscheides beantragt; eventuell hat er um Herabsetzung der
Ansprüche des Klägers und Kompensation derselben mit seinen Gegenansprüchen im
Betrage von 2802 Fr. ersucht.
Ans den Erwägungen:
3.- Trifft aber die beiden Parteien ein gleiches Mass von Verschulden, so kann
nicht, wie die Vorinstanzen dies getan haben, unter dem Gesichtspunkt des Art.
44 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
|
1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
ihres eigenen Schadens verpflichtet werden. Ein überwiegendes
Selbstverschulden beider Parteien ist überhaupt eine logische Unmöglichkeit,
da sich ja ein Verschulden von über 100% ergäbe, wenn man den auf jede Partei
entfallenden Verschuldensanteil in Prozenten ausdrücken wollte. Abgesehen
hievon muss selbstverständlich bei gleichwertigem Verschulden beider Parteien
der Gesamtschaden, den sie beide zusammen erlitten haben, im Verhältnis des
Verschuldens auf sie verlegt werden. Wenn also beispielsweise der Schaden der
einen Partei 10000 Fr. beträgt, der der andern aber nur 6000 Fr., so hat bei
gleichgrossem Verschulden der erste gegen den zweiten einen Ersatzanspruch von
5000 Fr., während er die andern 5000 Fr. an sich tragen muss. Anderseits hat
er aber dem zweiten ebenfalls die Hälfte von dessen Schaden, nämlich 3000 Fr.,
zu ersetzen, so dass er im Endresultat nur 2000 Fr. erhält.
Seite: 202
Um im vorliegenden Fall die Höhe der gegenseitigen Ansprüche, die sich auf
Grund des gleichen Verschuldens ergeben, feststellen zu können, ist daher
vorerst die Höhe des Gesamtschadens beider Teile abzuklären. Da die beiden
Vorinstanzen auf Grund ihrer irrtümlichen Auffassung von der Wirkung der
Gleichheit des Verschuldens überhaupt keine Erhebungen in dieser Richtung
gemacht haben, ist die Sache zur Vornahme der erforderlichen Feststellungen
zurückzuweisen.
4.- Auf zwei Punkte, die für das von der Vorinstanz zu fällende neue Urteil
von wesentlichem Einfluss sind, ist indessen heute schon einzutreten. Es
betrifft dies die vom Beklagten erhobenen Einreden der Verjährung und der
Kompensation.
Der Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, ein allfälliger Ersatzanspruch
des Klägers sei, soweit er den Betrag von 7000 Fr. übersteige, verjährt.
Gemäss Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
|
1 | Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
1bis | Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36 |
2 | Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37 |
3 | Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist. |
der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen
erhalten hat. Wird die Klage aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für
die das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so gilt diese auch
für den Zivilanspruch. Da nach dem massgebenden st. gallischen Strafrecht
grobfahrlässige Körperverletzung nach Art. 122 und grobfahrlässige
Sachbeschädigung nach Art. 93
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 93 - 1 Ist nach der Beschaffenheit der Sache oder nach der Art des Geschäftsbetriebes eine Hinterlegung nicht tunlich, oder ist die Sache dem Verderben ausgesetzt, oder erheischt sie Unterhaltungs- oder erhebliche Aufbewahrungskosten, so kann der Schuldner nach vorgängiger Androhung mit Bewilligung des Richters die Sache öffentlich verkaufen lassen und den Erlös hinterlegen. |
|
1 | Ist nach der Beschaffenheit der Sache oder nach der Art des Geschäftsbetriebes eine Hinterlegung nicht tunlich, oder ist die Sache dem Verderben ausgesetzt, oder erheischt sie Unterhaltungs- oder erhebliche Aufbewahrungskosten, so kann der Schuldner nach vorgängiger Androhung mit Bewilligung des Richters die Sache öffentlich verkaufen lassen und den Erlös hinterlegen. |
2 | Hat die Sache einen Börsen- oder Marktpreis oder ist sie im Verhältnis zu den Kosten von geringem Werte, so braucht der Verkauf kein öffentlicher zu sein und kann vom Richter auch ohne vorgängige Androhung gestattet werden. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
|
1 | Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden. |
2 | Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen. |
Monaten verjähren, so greift die einjährige Frist des Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
|
1 | Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
1bis | Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36 |
2 | Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37 |
3 | Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist. |
sich nun, ob der Kläger innert derselben die Verjährung unterbrochen hat, so
ist zunächst festzustellen, dass weder seine bei Erhebung der Strafklage am
14. Juli 1930 abgegebene Erklärung, er werde bei der gerichtlichen Verhandlung
seine Zivilansprüche geltend machen, noch der an der Verhandlung gestellte
Antrag, die Zivilansprüche seien auf den Zivilweg zu verweisen, die Verjährung
zu unterbrechen vermochten. Wenn auch die adhäsionsweise Geltendmachung der
Zivilansprüche im Strafverfahren an sich zur Unterbrechung der Verjährung
ausreicht, so gilt
Seite: 203
doch auch für sie das allgemeine Erfordernis, dass der Schutz des Richters in
bestimmter Form angerufen werden muss, damit eine Massnahme die Verjährung
unterbricht. Diese erforderliche Bestimmtheit fehlte aber dem oben
geschilderten Verhalten des Klägers.
Durch die beiden Zahlungsbefehle vom 30. April 1931 und vom 18. April 1932
über 7000 Fr. wurde die Verjährung nur für diesen Betrag, nicht aber für den
ganzen heute eingeklagten Betrag unterbrochen. Wohl muss bei der Unterbrechung
der Verjährung durch Klageanhebung oder durch Ladung zu einem amtlichen
Sühneversuch der Anspruch nicht notwendigerweise ziffernmässig angegeben
werden. Wo nach dem kantonalen Prozessrecht, wie dies z. B. in Bern der Fall
ist, ein Rechtsbegehren auf Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von
Schadenersatz ohne Angabe einer bestimmten Forderungssumme zulässig ist, wird
durch ein derartiges Rechtsbegehren die Unterbrechung des Fristenlaufes
schlechthin bewirkt. Ein Analogieschluss aus diesen Grundsätzen auf die
Unterbrechung der Verjährung durch Betreibung ist nun aber nicht zulässig.
Wenn zwar schon die Stellung des Betreibungsbegehrens die Unterbrechung der
Verjährung bewirkt, so ist doch Voraussetzung, dass ein gültiges
Betreibungsbegehren vorliege. Dies ist aber nach Art. 67
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 67 - 1 Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
|
1 | Das Betreibungsbegehren ist schriftlich oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten. Dabei sind anzugeben: |
1 | der Name und Wohnort des Gläubigers und seines allfälligen Bevollmächtigten sowie, wenn der Gläubiger im Auslande wohnt, das von demselben in der Schweiz gewählte Domizil. Im Falle mangelnder Bezeichnung wird angenommen, dieses Domizil befinde sich im Lokal des Betreibungsamtes; |
2 | der Name und Wohnort des Schuldners und gegebenenfalls seines gesetzlichen Vertreters; bei Betreibungsbegehren gegen eine Erbschaft ist anzugeben, an welche Erben die Zustellung zu erfolgen hat; |
3 | die Forderungssumme oder die Summe, für welche Sicherheit verlangt wird, in gesetzlicher Schweizerwährung; bei verzinslichen Forderungen der Zinsfuss und der Tag, seit welchem der Zins gefordert wird; |
4 | die Forderungsurkunde und deren Datum; in Ermangelung einer solchen der Grund der Forderung. |
2 | Für eine pfandgesicherte Forderung sind ausserdem die in Artikel 151 vorgesehenen Angaben zu machen. |
3 | Der Eingang des Betreibungsbegehrens ist dem Gläubiger auf Verlangen gebührenfrei zu bescheinigen. |
wenn es eine bestimmt bezifferte Forderungssumme enthält; diese kann im Laufe
des Verfahrens wohl reduziert, nicht aber erhöht werden. Eine Betreibung ohne
Angabe eines bestimmten Forderungsbetrages ist daher überhaupt nicht denkbar,
und damit entfällt für die Betreibung auch die Möglichkeit einer Unterbrechung
der Verjährung schlechthin, d. h. ohne Rücksicht auf den Forderungsbetrag, wie
dies nach den vorstehenden Ausführungen bei der Unterbrechung durch
Klageerhebung unter Umständen denkbar ist. Allerdings wird auch dort, sobald
ein bestimmter Betrag eingeklagt wird, die Verjährung nur soweit unterbrochen,
als der Klageantrag reicht (v. TUHR OR S. 616). Für den 7000 Fr.
übersteigenden Betrag war daher die
Seite: 204
Verjährung am 7. Oktober 1932, anlässlich der Sühneverhandlung für den
vorliegenden Prozess, nur dann noch nicht eingetreten, wenn der Kläger
nachzuweisen vermag, dass er erst innert Jahresfrist vor der Ladung zur
Sühneverhandlung diesen in der Klage behaupteten Umfang des Schadens
abzuschätzen in der Lage war. Ob er diesen Nachweis erbringen kann oder nicht,
ist durch die Vorinstanz abzuklären.
5.- Die Kompensationseinrede des Beklagten ist von der Vorinstanz abgewiesen
worden mit der Begründung, da die Widerklageforderung rechtskräftig abgewiesen
worden sei, so könne sie selbstverständlich auch nicht mehr zur Kompensation
verwendet werden. Diese Auffassung ist jedoch irrtümlich. Zwar kann der
Entscheid, dass die Anschlussappellation des Beklagten gegen die Abweisung der
Widerklage prozessual unzulässig und diese daher rechtskräftig geworden sei,
vom Bundesgericht nicht überprüft werden, da es sich dabei um eine Frage des
kantonalen Prozessrechtes handelt. Dies hat zur Folge, dass der Beklagte kein
selbständiges Klagerecht mehr hat. Wird er aber vom Kläger belangt, so muss
ihm bis zur Höhe von dessen Forderung die Einrede der Kompensation als
Verteidigungsmittel nach wie vor zugestanden werden. Dies zeigt die folgende
Überlegung: Wenn der Beklagte überhaupt keine Widerklage erhoben, sondern von
Anfang an sich auf die grundsätzliche Bestreitung der Klage und eventuelle
Einrede der Kompensation beschränkt hätte, ja sogar, wenn er im Laufe des
Verfahrens auf Grund der Erkenntnis, dass ihn ebenfalls ein Verschulden am
Unfall treffe, die Widerklage fallen gelassen und seinen Anspruch zur
Kompensation mit dem Gegenanspruch des Klägers verwendet hätte, so hätte dies
unzweifelhaft als zulässig erklärt werden müssen. Die Unterlassung der
Widerklage, bezw. der nachträgliche Verzicht auf diese, hätte also nicht als
die Anerkennung der Nichtexistenz einer Forderung des Beklagten gegen den
Kläger ausgelegt werden dürfen. Dies kann sich nun nicht anders verhalten,
wenn sich der
Seite: 205
Beklagte mit der Abweisung der Klage und Widerklage zufrieden gibt und nur für
den Fall, dass der Kläger seinerseits etwas von ihm fordern will, einen
Kompensationsanspruch geltend macht. Diese Möglichkeit kann ihm durch das
kantonale Prozessrecht nicht abgeschnitten werden. Widerklage und
Kompensationsanspruch stehen nebeneinander, wobei der letztere im
eidgenössischen Zivilrecht verwurzelt ist und daher dem kantonalen
Prozessrecht vorgeht. Der Standpunkt der Vorinstanz, dass der Beklagte ja eine
selbständige Appellation hätte einreichen können, wenn er mit der Abweisung
seiner Widerklage nicht zufrieden gewesen sei, geht fehl. Darin liegt ja
gerade das wesentliche und die Nichtzulassung der Kompensationseinrede als
unhaltbar kennzeichnende Moment, dass der Beklagte nach dem kantonalen
Prozessrecht gezwungen wäre, die Kompensationseinrede auf dem Wege der
Widerklage geltend zu machen, die dann weiter reichen würde, als der von ihm
bezweckte blosse Verteidigungsanspruch. Trotz der Abweisung der Widerklage ist
daher die Begründetheit der vom Beklagten zur Verrechnung verstellten
Gegenforderung von der Vorinstanz zu überprüfen.