BGE 60 I 247
38. Urteil vom 11. Juli 1934 i. S. Haas-Farge gegen Eidg. Justiz- und
Polizeidepartement.
Regeste:
Art. 3. BG vom 5. Oktober 1929 über die Spielbanken:
«Spielautomaten und ähnliche Apparate» E. 1.
Sofern nicht der Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf
Geschicklichkeit beruht E. 2.
A. - Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat den Spielapparat
«Dirige» des Rekurrenten gemäss
Seite: 248
Art. 35
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 35 Verwirklichung der Grundrechte - 1 Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen. |
|
1 | Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen. |
2 | Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen. |
3 | Die Behörden sorgen dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden. |
unzulässig erklärt.
Der Spielapparat «Dirige» besteht aus einem rechteckigen Kasten, dessen
schräggestellter, umrahmter Deckel durch ein Steuerrad in der Längs- und der
Querrichtung auf- und ab bewegt werden kann. Im Deckel (Spielfeld) sind
zwischen Holzaufschlägen Löcher angebracht, von denen sechs in verschiedenen
Farben mit je einem der Buchstaben bezeichnet sind, die zusammen das Wort
«Dirige» ausmachen. - Gegen Einwurf von fünf Rappen können sechs in den
gleichen Farben wie die nummerierten Löcher gehaltene Kugel ins Spielfeld
gebracht und dort mit einem gefederten Schlagstift einzeln nach oben geworfen
werden. Von dort rollen sie über das Spielfeld herunter, wobei ihr Lauf ausser
durch die Holzaufschläge auch durch die vom Spieler getätigte Steuerung
beeinflusst wird. Das Bestreben des Spielers muss sein, die sechs Kugeln
möglichst in die sechs nummerierten Löcher, wenn möglich in das ihnen
gleichfarbige Loch zu bringen.
Der Spielapparat «Dirige» ist der seinerzeit ebenfalls vom heutigen
Rekurrenten angemeldete, durch Bundesgerichtsentscheid vom 22. November 1933
als unzulässig erklärte «Tura-Ball»-Spielapparat in veränderter Gestalt. Die
Veränderung besteht namentlich darin, dass das Spielfeld vom Spieler bewegt
und damit der Lauf der Kugeln von ihm beeinflusst werden kann.
B. - Gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes
vom 19. März 1934 erhebt der Rekurrent die verwaltungsgerichtliche Beschwerde
ans Bundesgericht. Er behauptet, das «Dirige» sei vorwiegend ein
Geschicklichkeitsspiel.
C. - Das Departement macht demgegenüber geltend: Einmal könne der Spieler auf
die Benützung des Steuerrades verzichten. Auch abgesehen davon beeinflussten
die auf dem Spielfeld als Hindernisse angebrachten Holzleisten den Lauf der
Kugel in völlig unberechenbarer Weise. Wohl könne auch der Spieler mit dem
Steuerrad
Seite: 249
den Lauf der Kugel beeinflussen, doch sei die Ablenkung durch die Holzleisten
so stark, dass der Spielausgang namentlich für einen Durchschnittsspieler
nicht in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit
beruhe.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1929 über die Spielbanken verbietet in
Ausführung von Art. 35
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 35 Verwirklichung der Grundrechte - 1 Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen. |
|
1 | Die Grundrechte müssen in der ganzen Rechtsordnung zur Geltung kommen. |
2 | Wer staatliche Aufgaben wahrnimmt, ist an die Grundrechte gebunden und verpflichtet, zu ihrer Verwirklichung beizutragen. |
3 | Die Behörden sorgen dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden. |
Art. 2 Abs. 1 umschrieben werden als die Unternehmungen, welche Glücksspiele,
d. h. nach Art. 2 Abs. 2 solche Spiele betreiben, bei denen gegen Leistung
eines Einsatzes ein Geldgewinn in Aussicht steht, der ganz oder vorwiegend vom
Zufall abhängt. Als Sonderform der verbotenen Glücksspielunternehmung wird
dann in Art. 3 das Aufstellen von Spielautomaten und ähnlichen Apparaten
bezeichnet, sofern nicht der Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder
vorwiegend auf Geschicklichkeit beruht. Unter «Spielautomaten und ähnlichen
Apparaten», deren Aufstellung danach mit der genannten Einschränkung verboten
sein soll, sind dabei nach der dem Art. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 zu
gebenden Auslegung solche Apparate zu verstehen, die ihrer Einrichtung oder
sonstigen Bestimmung nach dem Spiel mit Einsatz um Gewinn dienen (BGE 56 I
297, 308390, 396; 58 I 138). Beim Spielautomaten wickelt sich der ganze
Spielvorgang automatisch ab, bei den ähnlichen Apparaten nur ein Teil davon:
Der Erstere gibt gegen Einwurf des Einsatzes den allfälligen Gewinn heraus,
die Letztern bezeichnen auf mechanischem Weg die Gewinner und die Gewinnskala,
während die Abrechnung von den Spielenden oder dem Spielleiter vorgenommen
wird (BGE 58 I 138 mit Zitaten; BGE vom 22. November 1933 in S. des gleichen
Rekurrenten betreffend den «Tura-Ball» Apparat).
2.- Der «Dirige» Apparat entspricht wie der «TuraBall» Apparat darin den
«ähnlichen Apparaten» des
Seite: 250
Art. 3 BG, dass er mechanisch nach Punkten die Gewinnfolge der Mitspieler
bezeichnet, während zu entscheiden bleibt, ob diese Gewinnfolge nach der
Einrichtung oder sonstigen Bestimmung des Apparates die Grundlage für die
Gewinnausrichtung aus einem Gesamteinsatz abgeben soll, und - wenn ja -, ob
dabei nicht die Geschicklichkeit der Mitspieler in unverkennbarer Weise von
vorwiegender Bedeutung ist. Diese zweite Frage sei hier vorausgenommen:
Bei ihrer Beantwortung ist davon auszugehen, dass nach der Absicht des
Gesetzgebers das Verbot der «Spielautomaten und ähnlichen Apparate» das
Publikum hindern soll, sich das Glückspiel anzugewöhnen (Votum Bonnet im
Nationalrat, Sten. Bull. 1929 NR S. 629). Es hatte sich gezeigt, dass in den
meisten Hotels und im Grossteil der Wirtschaften sowie an andern öffentlichen
Orten Apparate aufgestellt waren, die durch Einwurf eines Zwanzigrappenstückes
betätigt werden konnten und welche unter der Maske eines
Geschicklichkeitsspielapparates in Wirklichkeit Glückspielapparate waren. Auch
hatte die Erfahrung gelehrt, dass diese Apparate viel gefährlicher waren, als
das Boulespiel, weil sie jedermann zugänglich waren und namentlich jungen
Leuten oder solchen mit bescheidenem Einkommen (Sten. Bull. l. c. S. 632). Die
Gefahr, dass das Publikum durch sie zum Glücksspiel erzogen werde, besteht
aber nur bei solchen Apparaten, bei welchen der Benützer einsehen muss, dass
seine Aufmerksamkeit und sein Können auf den Spielausgang nicht von
nennenswertem Einfluss ist. Er verliert dann das Interesse an der Betätigung
seiner Geschicklichkeit und es bleibt nur das Interesse an einem möglichen
Zufallsgewinn - das Interesse am Glücksspiel. Unter einem erlaubten
Spielapparat im Sinne von Art. 3 BG ist also demgegenüber ein Apparat zu
verstehen, bei dem unverkennbar die Möglichkeit, an ihm seine Geschicklichkeit
zu beweisen und zu üben, das wesentliche Interesse an seiner Betätigung
ausmacht.
Seite: 251
Der «Dirige» Apparat des Rekurrenten erfüllt die Merkmale eines nach Art. 3 BG
in dieser Auslegung erlaubten Apparates. Denn von der Geschicklichkeit der
Mitspieler hängt es bei ihm ab, wie oft diese, den Zufälligkeiten des
Kugellaufs augenblicklich entgegenwirkend, die Kugel in die richtigen
Öffnungen zu steuern vermögen. Im Verlaufe einer Spielserie wird also die
Geschicklichkeit wenn nicht ausschliesslich, so doch vorwiegend für das
Spielergebnis ausschlaggebend sein. Die Betätigung der Geschicklichkeit
verlangt aber volle Aufmerksamkeit während des ganzen Spiels und das macht das
Interesse am Spiel mit diesem Apparat aus.
Dass die Mitspieler auf die Steuerung verzichten und damit den Apparat als
Glücksspielapparat verwenden können, ändert schon deswegen nichts an seiner
Eigenschaft als Geschicklichkeitsspielapparat, weil wohl die meisten solchen
Apparate durch Verzicht auf die Betätigung der Geschicklichkeit als
Glücksspielapparate verwendet werden können.
Ob der «Dirige» Apparat im übrigen seiner Einrichtung oder Bestimmung nach dem
Spiel mit Einsatz um Gewinn diene, kann infolgedessen dahingestellt bleiben;
denn das Gewinnergebnis hängt dann eben nach dem Ausgeführten unverkennbar
ganz oder vorwiegend von der Geschicklichkeit der Mitspieler ab.
Die Aufstellung des «Dirige» Apparates ist also vom Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartement zu Unrecht untersagt worden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartementes vom 19. März 1934 aufgehoben.