S. 213 / Nr. 52 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 59 III 213

52. Entscheid vom 24. Oktober 1933 i. S. Betreibungsamt Altstetten.


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Regeste:
Stimmt der dem Gläubiger zugestellte Auszug aus dem Verteilungsplan (in der
Grundpfandverwertungsbetreibung) nicht überein mit dem auf dem Amt
aufliegenden Verteilungsplan, so beginnt die Beschwerdefrist für die
Anfechtung des Verteilungsplanes erst in dem Moment zu laufen, wo der
Gläubiger Kenntnis vom wirklichen Inhalt des Verteilungsplanes erhielt.
Lorsque l'extrait du tableau de distribution adressé au créancier (dans la
poursuite en réalisation de gage immobilier) ne concorde pas avec le tableau
déposé à l'office, le délai de plainte ne court que du moment où le créancier
a connaissance de la teneur exacte du tableau.
Ove, nell'esecuzione in realizzazione di pegno immobiliare, l'estratto dal
piano di riparto comunicato al debitore non concordi col piano di riparto
deposto all'ufficio, il termine per ricorrere non comincia che dal momento in
cui il creditore ebbe conoscenze del tenore esatto di detto piano.

A. - Am 28. Juni 1932 verlangte die Schweizerische Bodenkreditanstalt Zürich
beim Betreibungsamt Altstetten die Zustellung eines Zahlungsbefehles (auf
Grundpfandverwertung) an die Genossenschaft Bachstrasse für rückständige
Hypothekarzinsen in Höhe von 3253 Fr. 55 Cts. und begehrte gleichzeitig
Ausdehnung der Pfandhaft auf die Mietzinseinnahmen. Am 11. August 1932
überwies das Amt der Gläubigerin einen Betrag von 650 Fr. «Mietzinserträgnis»
conto Zahlung Genossenschaft Bachstrasse». In der Folge kam es zur Verwertung.
Die Gläubigerin meldete darauf rechtzeitig eine Forderung an Kapital und
Zinsen von insgesamt 104350 Fr. Wert 7. März 1933 an; dabei war die
Abschlagszahlung von 650 Fr. unbestrittenermassen bereits in Abzug gebracht.
Dementsprechend nahm das Amt im Lastenverzeichnis eine Forderung von 104683
Fr. 60 Cts. Wert 31, März 1933 auf, wovon 8183 Fr. 60 Cts. als bar zu
bezahlendes

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Betreffnis. Am 5. April 1933 erhielt die Gläubigerin die Mitteilung (mit Form.
VZG. Nr. 20), dass der Verteilungsplan auf dem Amt zur Einsicht aufliege und
das a unten angegebene Betreffnis» bis zum 18. April erhoben werden könne; der
in der untern Hälfte des Formulars befindliche «Auszug aus dem
Verteilungsplan» besagte, dass auf die Forderung der Gläubigerin eine (volle)
Zuteilung von 104683 Fr. 60 Cts. entfalle. Der Verteilungsplan selbst
(Formular Nr. 18 VZG) führt in Kolonne 10 eine Zuteilung von 104683 Fr. 60
Cts., in Kolonne 11 einen Überbund von 96500 Fr., in Kolonne 12 eine
Abschlagszahlung von 650 Fr. und in Kolonne 13 eine Barrestauszahlung von 7553
Fr. 60 Cts. auf.
B. - Am 5. Mai 1933 liess das Amt der Gläubigerin diese 7553 Fr. 60 Cts.
überweisen. Als jene das Amt am 16. Mai darauf aufmerksam machte, dass sie 650
Fr. zu wenig erhalten habe und Nachzahlung dieses Betrages verlange, wies das
Amt in seiner Antwort vom 19. Mai auf die Rechtskraft des Verteilungsplanes
hin und fügte bei, es könne diesem Begehren nicht mehr nachkommen, da «für
diese Liegenschaft hierorts keine Gelder mehr liegen» (es hatte nämlich die
fehlenden 650 Fr. dem Betreffnis des im Rang folgenden Gläubiger beigefügt und
bereits ausbezahlt).
C. - Gegen diese Weigerung des Amtes führte die Gläubigerin Beschwerde mit dem
Antrag, das Amt zur Ausbezahlung der 650 Fr. anzuhalten.
D. - Während die erste Instanz annahm, die Beschwerde richte sich in
Wirklichkeit gegen die Verteilungsliste und sei daher verspätet, hat die obere
kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde gutgeheissen und das Amt angewiesen,
der Gläubigerin weitere 650 Fr. zuzustellen.
E. - Diesen Entscheid hat das Betreibungsamt rechtzeitig an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Begehren «um Änderung».

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Rekurslegitimation des Betreibungsamtes (siehe BGE 53 III 148).
2.- In der Sache selbst erweist sich aber dieser Rekurs als unbegründet.
Unrichtig ist zwar die Auffassung der Vorinstanz, die Beschwerde brauche sich
nicht gegen den Verteilungsplan zu richten, es genüge eine Anfechtung der
Weigerung des Amtes, die 650 Fr. nachzubezahlen; denn solange der
Verteilungsplan nicht abgeändert ist, deckt er jene Weigerung des Amtes und
ist infolgedessen auch eine Gutheissung der Beschwerde ausgeschlossen. Dass
nun die Beschwerde in Wirklichkeit auf eine Abänderung des Verteilungsplanes,
nämlich auf eine Beseitigung des darin vorgesehenen Abzuges von 650 Fr.
abzielt hat schon die erste Instanz zutreffend angenommen. Von einer
Verspätung der so aufgefassten Beschwerde kann indessen nicht gesprochen
werden
Es steht fest, dass der Verteilungsplan und der Auszug, den die
Beschwerdeführerin erhielt, nicht miteinander übereinstimmten; denn im
letztern war von einem Abzug von 650 Fr. nichts zu sehen, aus ihm ging einfach
hervor, dass die im Lastenverzeichnis zugelassene Forderung voll gedeckt
werde. Mangels irgendwelcher Anhaltspunkte für das Gegenteil, insbesondere
weil eine Abschlagszahlung nach Erstellung des Lastenverzeichnisses
unbestrittenermassen in Wirklichkeit nicht erfolgt ist, durfte die Gläubigerin
daher annehmen, der Verteilungsplan sehe eine ungekürzte Zuweisung des schon
im Lastenverzeichnis eingesetzten Barbetreffnisses von 8183 Fr. 60 Cts. vor.
Hätte diese Annahme zugetroffen, so hatte für die Beschwerdeführerin keinerlei
Anlass zu einer Anfechtung des Verteilungsplanes bestanden und infolgedessen
auch kein Grund, vom Verteilungsplan noch besonders Einsicht zu nehmen. Mit
der Möglichkeit, dass der Plan eine andere Auszahlung vorsehe, als sie im
Auszug in Aussicht gestellt

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wurde, brauchte sie nicht zu rechnen - ähnlich wie der Empfänger einer
Spezialanzeige von der Liegenschaftensteigerung sich darauf verlassen darf,
dass der Inhalt der Anzeige mit demjenigen der Publikation übereinstimme, und
nicht gehalten ist, daneben noch die Publikation einzusehen (BGE 56 III 63).
Stimmen aber Auszug und Verteilungsplan in Wirklichkeit nicht überein, so ist
der (irreführende) Auszug nicht geeignet, die Frist zur Anfechtung des
(fehlerhaften) Verteilungsplanes in Gang zu setzen. Diese Frist kann vielmehr
dem Gläubiger erst von dem Moment an laufen, wo er Kenntnis vom wirklichen
Inhalt des Verteilungsplanes erhielt. Im vorliegenden Fall geschah dies in
zuverlässiger Weise erst am 20. Mai durch die Antwort des Betreibungsamtes vom
19. Mai, sodass die am 30. Mai der Post übergebene Beschwerde rechtzeitig
erhoben worden ist.
Was das Betreibungsamt dagegen einwendet, ist durchaus unbehelflich: Das Amt
wird auf Grund eines von der Aufsichtsbehörde ausgestellten Zeugnisses
darüber, dass keine Beschwerde gegen den Verteilungsplan eingegangen sei, ohne
weiteres zur Verteilung schreiten können, wenn es vorher die Beschwerdefrist
allen Gläubigern gegenüber durch Zustellung von einwandfreien Auszügen in Gang
gebracht hat. Dass es im vorliegenden Fall den beabsichtigten Abzug von 650
Fr. nicht habe zur Darstellung bringen können, weil das Formular Nr. 20 VZG
keinen entsprechenden Vordruck enthalte, vermag nicht durchzuschlagen; es wird
dem Beamten nicht zuviel zugemutet, wenn man von ihm verlangt, dass er in
solchen Fällen einen handschriftlichen Zusatz beifüge, wenn derselbe notwendig
ist, um eine Irreführung des Gläubigers zu vermeiden.
3.- Dass der im Verteilungsplan vorgesehene Abzug von 650 Fr. materiell
unbegründet ist, wird auch vom Betreibungsamt anerkannt. Infolgedessen ist die
Beschwerde mit Recht gutgeheissen worden. Der Umstand, dass das Amt die 650
Fr. bereits dem der

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Beschwerdeführerin im Rang nachfolgenden Gläubiger ausbezahlt hat, spielt
keine Rolle, das Amt hat sich, wie schon die Vorinstanz ausgeführt hat,
nötigenfalls wegen der Beschaffung des Geldes an den Staat zu wenden und sich
im übrigen selbst um den Wiedereingang des an die unrichtige Adresse
geleiteten Betrages zu bemühen (BGE 60 III 74 und dort angeführte frühere
Urteile).
Demnach erkennt die Schuldbetr.-u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 59 III 213
Datum : 01. Januar 1932
Publiziert : 24. Oktober 1933
Quelle : Bundesgericht
Status : 59 III 213
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Stimmt der dem Gläubiger zugestellte Auszug aus dem Verteilungsplan (in der...


BGE Register
53-III-145 • 56-III-63 • 59-III-213 • 60-III-73
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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