S. 325 / Nr. 49 Erfindungsschutz (d)
BGE 59 II 325
49. Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. September 1933 i. S. F. Richter & Cie
gegen Rudolf Büchi.
Regeste:
Patentverletzungsklage. Die Einreichung von Privatgutachten im
Berufungsverfahren ist unzulässig. Bestätigung der neuen Praxis. Zur
Begründung von Aktenwidrigkeitsrügen ist ein Gutachten nicht notwendig. OG
Art. 80 und 81. (Erw. 1).
Ablehnung der Schutzfähigkeit eines Rostes für Bügeleisen etc. mangels
Erfindungshöhe. Pat. Ges. Art. 16 Ziff. 1. (Erw. 2).
A. - Die Klägerin, F. Richter & Cie in Wil (Kt.
St. Gallen) ist Inhaberin des schweizerischen Patentes Nr 129863 für einen
Rost zum Aufstellen heisser
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Gegenstände, das am 23. November 1927 angemeldet und am 2. Januar 1929
veröffentlicht worden war. Der Hauptanspruch des Patentes lautet:
«Rost zum Aufstellen heisser Gegenstände mit zwei in einigem Abstand
übereinander auf Füssen angeordneten Platten, von denen die obere zur Aufnahme
des erhitzten Gegenstandes, und die untere als Schirm gegen Wärmeübertragung
durch Strahlung von oben dient, dadurch gekennzeichnet, dass die Platten so
miteinander verbunden sind, dass die Wärmeübertragung durch Leitung zwischen
den beiden Platten eine möglichst geringe ist.» Die drei Unteransprüche des
Patentes lauten:
«1. Rost nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die als Schirm
dienende Platte durch Bolzen mit kleinem wärmeleitendem Querschnitt mit der
zur Aufnahme des erhitzten Gegenstandes dienenden Platte verbunden ist.
2. Rost nach Patentanspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die als Schirm
dienende Platte an den Füssen des Rostes befestigt ist.
3. Rost nach Patentanspruch und Unteranspruch 1, dadurch gekennzeichnet. dass
die zur Verbindung der Schirmplatte mit der zur Aufnahme des erhitzten
Gegenstandes bestimmten Platte dienenden Bolzen gleichzeitig zur Befestigung
der Füsse an der letztgenannten Platte dienen.»
Der Beklagte, Rudolf Büchi, ebenfalls in Wil, fabriziert auch einen Rost zum
Aufstellen heisser Gegenstände. der dem Erzeugnis gemäss dem Patent der
Klägerin ähnlich ist. Nur die Verbindung der beiden Platten miteinander und
mit den Füssen des Rostes ist etwas anders gestaltet; die Bänder der Füsse
gelangen hier unmittelbar an die obere Platte und sind an ihr befestigt, und
die Schirmplatte ist nicht durch Bolzen mit der Aufstellplatte verbunden,
sondern hinten und vorn umgebogen und an ihren äussersten Enden selbst an der
Aufstellplatte angebracht.
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B. - Die Klägerin hat im Erzeugnis des Beklagten eine Verletzung ihres
Patentrechtes erblickt und am 26. November 1932 folgende Klage gegen Büchi
eingereicht:
«Ist gerichtlich zu erkennen
1. Der Beklagte habe durch die Fabrikation und den Vertrieb eines Rostes zum
Aufstellen heisser Gegenstände (speziell Bügeleisen) das Patent Nr. 129863
verletzt und es seien ihm die weitere Fabrikation und der weitere Vertrieb
dieses Rostes zu untersagen.
2. Es seien die vom Beklagten fabrizierten, an seinem Lager befindlichen und
soweit möglich auch die verkauften Roste einzuziehen und es seien die zur
Nachahmung dienenden Einrichtungen, Maschinen, Werkzeuge, Geräte etc. zu
zerstören.
3. Der Beklagte habe der Klägerschaft eine Entschädigung von 15000 Fr.
eventuell einen Betrag nach richterlichem Ermessen zu bezahlen?»
a...
D. - Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und sich zur Begründung
auf Ungültigkeit des Patentes mangels Erfindungshöhe und Neuheit berufen und
eventuell geltend gemacht, es liege keine Verletzung vor.
E. - Durch Urteil vom 21. März/22. April 1933 hat das Handelsgericht des
Kantons St. Gallen die Klage abgewiesen.
F. - Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
ergriffen und Gutheissung der Klage beantragt.
In der Berufungserklärung sind verschiedene Aktenwidrigkeitsrügen erhoben und
es ist dazu ein Gutachten des Prof. Dr. H. Rupp eingereicht worden.
G...
Das Bundespericht zieht in Erwägung:
1.- Das von der Klägerin noch im Berufungsverfahren eingereichte
Privatgutachten Rupp kann nach dem Urteil des Bundesgerichtes vom 29. Juni
1932 i. S. «Orion»
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Automobilwerkstätten gegen Huber (BGE 58 II S. 279 ff.) nicht berücksichtigt
werden. Das Recht jedes Berufungsklägers, tatsächliche Feststellungen der
letzten kantonalen Instanz noch im Berufungsverfahren als aktenwidrig zu
rügen, muss ihm freilich gewahrt bleiben (OG Art. 81). Allein zur Kritik der
Aktenwidrigkeit tatsächlicher Feststellungen bedarf es keiner Gutachten,
sondern lediglich der Bezeichnung der betreffenden Feststellungen und der
Bezeichnung der Urkunden oder Stellen von Urkunden, mit denen die
Feststellungen im Widerspruch stehen sollen. Ob eine Aktenwidrigkeit im Sinne
des Art. 81 dann wirklich vorliegt, vermag das Bundesgericht auch in
Patentstreitigkeiten ohne die Hilfe eines Sachverständigen zu beurteilen. Es
erweist sich daher als eine einfache Umgebung des im zitierten Urteil
aufgestellten Grundsatzes, wenn die Klägerin die trotzdem erfolgte Einreichung
eines Privatgutachtens mit ihren Aktenwidrigkeitsrügen begründen zu können
glaubte. Die Rügen richten sich übrigens gar nicht gegen tatsächliche
Feststellungen des Handelsgerichtes, sondern gegen rechtliche Erwägungen. Die
Klägerin beklagt sich darüber, dass der Vorderrichter die Patentansprüche
unrichtig aufgefasst habe, dass er bei der Beurteilung der Patentfähigkeit der
Erfindung von falschen Erwägungen ausgegangen sei und dass der Rost des
Beklagten nicht auf die massgebenden Merkmale der Erfindung der Klägerin
untersucht worden sei. Das ist wie gesagt eine rechtliche Kritik des
angefochtenen Urteils.
2.- Das Handelsgericht hat erklärt, das Wesen der klägerischen Erfindung sei
jedenfalls nicht in der Schrägstellung der beiden Platten zu erblicken, da im
Patentanspruch - übrigens mit Recht - nicht davon die Rede sei. Es hat sodann
der Verwendung zweier Platten, einer Aufnahme- und einer Schirmplatte, den
Erfindungscharakter abgesprochen, denn die gleiche Konstruktion sei schon bei
den gewöhnlichen Ofentüren und ausserdem im vorveröffentlichten Patent Felix
für einen Rost
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verwirklicht gewesen. Endlich hat es auch der Kombination von Doppelplatte und
Schrägstellung die Erfindungshöhe aberkannt.
Die Klägerin macht nun vor Bundesgericht geltend die Vorinstanz habe das Wesen
der Erfindung nicht erfasst; dieses liege weder in der Schrägstellung der
beiden Platten, noch überhaupt in der Verwendung zweier Platten, noch in der
Kombination beider Elemente, sondern in der Verbindung beider Platten, die so
gestaltet sei, dass die Wärmeübertragung durch Leitung zwischen den beiden
Platten eine möglichst geringe ist. Es erscheint zunächst als fraglich, ob
diese Behauptung nicht neu und daher gemäss OG Art. 80 unzulässig sei. Die
Behauptung steht allerdings mit dem Hauptanspruch des Patentes selbst im
Einklang. Allein weder in der Klageschrift, noch in der Replik wurde davon
gesprochen, dass das Wesen der Erfindung in der Art der Verbindung der beiden
Platten liege. In der Replik (S. 4) bemerkte die Klägerin im Gegenteil selber:
«Speziell durch die nicht horizontale Lage der Platte wurde es ermöglicht,
dass die warme Luft mit der Tendenz zum Steigen immer nach oben strömt und
durch die nachströmende kalte Luft ersetzt wird. Dadurch wird eine wirksame,
ununterbrochene und selbständig sich erneuernde Kühlung erreicht, sodass nicht
nur die Schutzplatte relativ kalt bleibt, sondern auch die Standplatte nie
gefahrdrohend warm wird». Es lag daher nahe, dass die Vorinstanz das Wesen der
Erfindung so auffasste, wie die Klägerin selbst es darstellte. Immerhin
rechtfertigt es sich nicht, die Behauptung der Klägerin als neu und unzulässig
zu behandeln. Erstens ist in dem von der Vorinstanz mit der Replik zu den
Akten genommenen Privatgutachten Isler (S. 3) immerhin davon die Rede, dass
die Schutzplatte unter der Standplatte derart angeordnet und an ihr derart
zweckmässig befestigt sei, dass sie sich nicht wesentlich erwärme. Zweitens
konnte der Vorinstanz jedenfalls nicht entgehen, dass diejenigen Elemente, die
in einem
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Patentanspruch vor den üblichen Worten: «dadurch gekennzeichnet» stehen, als
schon bekannt und nicht zum Wesen der Erfindung gehörend zugegeben werden und
dass das Wesen der Erfindung im Patentanspruch erst in den Worten zum Ausdruck
kommt, die jenem «dadurch gekennzeichnet» folgen. Endlich hat die Klägerin die
Behauptung möglicherweise doch schon vor der Vorinstanz aufgestellt,
vielleicht in ihrem mündlichen Vortrag, über den ein Protokoll nicht vorliegt.
Allein die Verbindung der beiden Platten, dergestalt, dass die
Wärmeübertragung durch Leitung zwischen den beiden Platten eine möglichst
geringe ist, kann keinen Erfindungsschutz geniessen. Im Hauptanspruch des
Patentes ist überhaupt nur das Problem, die Aufgabe, die sich der Erfinder
gestellt hatte, angegeben, nicht aber die Ausführung. Es frug sich gerade,
welche Verbindung eine möglichst geringe Wärmeübertragung durch Leitung
verbürge. Im Unteranspruch I wird dann freilich gesagt, dass die als Schirm
dienende Platte durch Bolzen mit kleinem wärmeleitendem Querschnitt mit der
Standplatte verbunden sei. Für diese Verbindung mittelst dünner Bolzen gilt
jedoch, was die Vorinstanz schon in Bezug auf die Verwendung zweier Platten
ausgeführt hat: Sie war vorher schon an gewöhnlichen Ofentüren zu sehen
gewesen. Jedenfalls entbehrt sie der Erfindungshöhe. Wenn die untere Platte
ihre Bestimmung, als Schirm der Unterlage (z. B. des Holztisches) zu dienen,
erfüllen sollte, lag auf der Hand, dass sie selbst durch Wärmeleitung
möglichst wenig erhitzt werden durfte, und wenn eine Erhitzung der
Schirmplatte vermieden werden musste, war weiterhin für jeden Handwerker, ja
sogar für einen Schüler der Sekundarschulstufe klar, dass keine ausgedehnte
Verbindung der beiden Platten vorhanden sein durfte, sondern lediglich kleine
Stäbe mit möglichst geringem Durchschnitt. Die Verwendung solcher Bolzen lag
deshalb nahe, weil die Verwendung einer stark wärmeleitenden Verbindung den
beabsichtigten
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Zweck völlig vereitelt hätte, und es erscheint auch dem technisch nicht
besonders Gebildeten als selbstverständlich, dass es zur Ausschaltung dieses
Nachteiles nur einer ganz einfachen und naheliegenden Überlegung bedurfte.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des Kantons
St. Gallen vom 21. März/ 22. April 1933 wird bestätigt.