S. 128 / Nr. 21 Erbrecht (d)

BGE 59 II 128

21. Auszug aus dem Urteil der II Zivilabteilung vom 23. Juni 1933 i. S. Mario
Dober-Dober gegen Klemenz Dober.

Regeste:
Inhalt der Auskunftspflicht der Erben gemäss Art. 610
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 610 - 1 Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft.
1    Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft.
2    Sie haben einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt.
3    Jeder Miterbe kann verlangen, dass die Schulden des Erblassers vor der Teilung der Erbschaft getilgt oder sichergestellt werden.
ZGB (Erw. 2).
Bei Ermittlung des Nettonachlasses sind Legate auch dann nicht unter die
Passiven einzustellen, wenn der pflichtteilsverletzte Erbe sich mit ihrer
vollen Auszahlung einverstanden erklärt und nur Herabsetzung von Zuwendungen
unter labenden verlangt (Erw-. 5).
Für die Berechnung der verfügbaren Quote ist vorab der Pflichtteil des
überlebenden Ehegatten abzuziehen und zwar ist dabei auf das
Ehegattenwahlrecht keine Rücksicht zu nehmen, sondern auf den Eigentumsviertel
abzustellen (Erw. 6).
Art. 471 Ziff. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 471 - Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs.
. 474. 476, 632 und 610 ZGB.

Tatbestand (gekürzt):
Der Erblasser hat als gesetzliche Erben seine Ehefrau 2. Ehe und einen Sohn
aus erster Ehe hinterlassen. In

Seite: 129
einer letztwilligen Verfügung hatte er die Auszahlung von Vermächtnissen an
Dritte in Höhe von 1800 Fr. angeordnet. Das gemäss Art. 553
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 553 - 1 Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1    Die Aufnahme eines Inventars wird angeordnet, wenn:
1  ein minderjähriger Erbe unter Vormundschaft steht oder zu stellen ist;
2  ein Erbe dauernd und ohne Vertretung abwesend ist;
3  einer der Erben oder die Erwachsenenschutzbehörde es verlangt;
4  ein volljähriger Erbe unter umfassender Beistandschaft steht oder unter sie zu stellen ist.527
2    Sie erfolgt nach den Vorschriften des kantonalen Rechtes und ist in der Regel binnen zwei Monaten seit dem Tode des Erblassers durchzuführen.
3    Die Aufnahme eines Inventars kann durch die kantonale Gesetzgebung für weitere Fälle vorgeschrieben werden.
ZGB aufgenommene
Inventar ergab einen Aktivenüberschuss von 23837 Fr. 88 Cts. In der Folge
klagte der Sohn gegen seine Stiefmutter u. a. auf Herabsetzung verschiedener
Zuwendungen, die sie vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhalten habe und durch
die sein Pflichtteil verletzt worden sei; dabei erklärte er sich mit der
Auszahlung der Vermächtnisse einverstanden. Die Beklagte bestritt sowohl die
behauptete Höhe der erhaltenen Zuwendungen als auch die Herabsetzungspflicht
als solche.
Das Bundesgericht zog hierüber in
Erwägung .
1.- (Prozessuales.)
2.- Die Beklagte will ihre Auskunftspflicht bestreiten mit der Begründung, es
habe sich bei den im Streit liegenden Zuwendungen um die Auszahlung von
Sondergut gehandelt, über welches sie keine Auskunft zu geben habe. Allein der
Charakter dieser Zuwendungen ist eben bestritten; der Kläger sieht in ihnen
unentgeltliche Zuwendungen des Erblassers, die der Herabsetzung unterliegen.
Um den wahren Sachverhalt feststellen zu können, muss man die Höhe der
Zuwendungen kennen und die Verumständungen, unter denen sie erfolgt sind.
Solche Aufschlüsse sind unentbehrlich für eine gleichmässige und gerechte
Verteilung der Erbschaft und müssen daher gemäss Art. 610
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 610 - 1 Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft.
1    Die Erben haben bei der Teilung, wenn keine andern Vorschriften Platz greifen, alle den gleichen Anspruch auf die Gegenstände der Erbschaft.
2    Sie haben einander über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und gerechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt.
3    Jeder Miterbe kann verlangen, dass die Schulden des Erblassers vor der Teilung der Erbschaft getilgt oder sichergestellt werden.
ZGB von jedem Erben
erteilt werden.
3. und 4. - (Ausführungen darüber, dass die Beklagte vom Erblasser zu dessen
Lebzeiten insgesamt 20000 Fr. erhalten habe, von denen 17000 Fr. der
Herabsetzung unterliegen.)
5.- Für die Berechnung des Pflichtteils resp. der verfügbaren Quote muss
zunächst der Bestand des Nachlasses ermittelt werden. Dabei ist vom Inventar
auszugehen, das einen Aktivenüberschuss von

Seite: 130
23837 Fr. 88 Cts. ausweist. Die vom Kläger s. Zt. beanstandeten 500 Fr. sind,
da der Kläger den Entscheid der Vorinstanz nicht angefochten hat, unter den
Passiven des Inventars zu belassen. Übrigens ist dieser Betrag nach der für
das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der Vorinstanz für die
Bedürfnisse des Haushaltes verwendet worden; daher war jene Behandlung dieses
Postens angesichts Art. 474
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 474 - 1 Der verfügbare Teil berechnet sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers.
1    Der verfügbare Teil berechnet sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers.
2    Bei der Berechnung sind die Schulden des Erblassers, die Auslagen für das Begräbnis, für die Siegelung und Inventaraufnahme sowie die Ansprüche der Hausgenossen auf Unterhalt während eines Monats von der Erbschaft abzuziehen.
ZGB zutreffend. Zum genannten Aktivenüberschuss
sind gemäss Art. 475
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 475 - Die Zuwendungen unter Lebenden werden insoweit zum Vermögen hinzugerechnet, als sie der Herabsetzungsklage unterstellt sind.
ZGB hinzuzurechnen die herabsetzungspflichtigen
Zuwendungen an die Beklagte in Höhe von 17000 Fr. (die 3000 Fr., welche die
Beklagte darüber hinaus noch vom Erblasser erhalten hat, sind als ihr
Sondergut zu betrachten und gehören infolgedessen nicht zum Nachlass des
Erblassers; da die Beklagte dieses Geld bereits besitzt, braucht auf diesen
Posten im Folgenden keine Rücksicht mehr genommen zu werden). Entgegen der
Auffassung der Vorinstanzen dürfen sodann die Vermächtnisse hier nicht vorweg
in Abzug gebracht werden. Gemäss Art. 474
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 474 - 1 Der verfügbare Teil berechnet sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers.
1    Der verfügbare Teil berechnet sich nach dem Stande des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers.
2    Bei der Berechnung sind die Schulden des Erblassers, die Auslagen für das Begräbnis, für die Siegelung und Inventaraufnahme sowie die Ansprüche der Hausgenossen auf Unterhalt während eines Monats von der Erbschaft abzuziehen.
ZGB sind für die Berechnung der
verfügbaren Quote nur die Schulden des Erblassers, die Auslagen für das
Begräbnis, die Siegelung und das Inventar, sowie die Ansprüche der
Hausgenossen auf Unterhalt während eines Monats von der Erbschaft abzuziehen.
Daran ändert die Erklärung des Klägers nichts, er habe gegen die Ausrichtung
der Vermächtnisse nichts einzuwenden. Nach Art. 532 unterliegen der
Herabsetzung in erster Linie die Verfügungen von Todes wegen und erst nachher
die Zuwendungen unter Lebenden. Wenn daher der verletzte Pflichtteil durch
Kürzung der Vermächtnisse voll gemacht werden kann, darf dem Empfänger der
lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers kein Abstrich zugemutet werden.
Verzichtet der Kläger auf die Herabsetzung der Vermächtnisse, so darf der
Beklagten daraus kein Nachteil erwachsen.
Vom Gesamtnachlass, der sich auf diese Weise auf 40837 Fr. 88 Cts. stellt, ist
für die Berechnung der verfügbaren Quote vorab der Pflichtteil des
überlebenden

Seite: 131
Ehegatten abzuziehen und zwar ist dabei, wie das Bundesgericht schon in BGE 45
II 385
entschieden hat, auf das durch Art. 462
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 462 - Überlebende Ehegatten und überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner erhalten:
1  wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, die Hälfte der Erbschaft;
2  wenn sie mit Erben des elterlichen Stammes zu teilen haben, drei Viertel der Erbschaft;
3  wenn auch keine Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind, die ganze Erbschaft.
ZGB gewährleistete Wahlrecht
desselben keine Rücksicht zu nehmen, sondern ausschliesslich auf den
Eigentums-Viertel abzustellen. Dieser beträgt 10209 Fr. 47 Cts., der
gesetzliche Erbteil des Klägers somit 30628 Fr. 41 Cts. Davon sind 3/4 = 22971
Fr. 30 Cts. pflichtteilsgeschützt; die verfügbare Quote beläuft sich also auf
7657 Fr. 11 Cts.
Diese Berechnungsweise schliesst nun an sich keineswegs aus, dass die Beklagte
von ihrem Wahlrecht gemäss Art. 462 Gebrauch macht und sich für die
Nutzniessung entscheidet (sie hätte dann neben dem Eigentum an der verlegbaren
Quote von 7657 Fr. 11 Cts. die Nutzniessung an der Hälfte des Restes des
Nachlasses, d. h. an 16590 Fr. 39 Cts. zu beanspruchen). Dagegen könnte sich
fragen, ob sie dieses Wahlrecht nicht dadurch verwirkt habe, dass sie zu
Lebzeiten des Erblassers Zuwendungen zu Eigentum entgegennahm, welche die
verfügbare Quote ganz erheblich überstiegen. Indessen braucht hiezu nicht
Stellung genommen zu werden; denn wenn die Beklagte sich auch bei den
Teilungsverhandlungen für die Nutzniessung entschieden und daran auch im
Prozess festgehalten hat, so geschah das doch offensichtlich nur unter der
Voraussetzung, dass entsprechend ihren Anträgen davon abgesehen werde, die zu
Lebzeiten des Erblassers erhaltenen Zuwendungen zum Nachlass hinzuzurechnen.
Es ist nicht anzunehmen, dass sie ihre Wahl auch für den Fall getroffen haben
wollte, wo das zur Folge hätte, dass sie bereits in ihrem Eigentum befindliche
Werte zum Teil wieder herausgeben müsste. Es ist daher davon auszugehen, sie
habe sich für den Viertel zu Eigentum entschieden.
Infolgedessen haben zu beanspruchen:
a. der Kläger seinen Pflichtteil ... Fr. 22971.30
b. die Beklagte: den Viertel Fr. 10209.47
Übertrag Fr. 10209.47 Fr. 22971 .30

Seite: 132
Übertrag Fr. 10209.47 Fr. 22971.30
die verfügbare Quote «7657.11 » 17866.58
= Gesamtnachlass... Fr. 40837.88 während die Verteilung, wenn die lebzeitigen
Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte ausser Betracht gelassen würden,
wie folgt aussähe:
Anteil der Beklagten (Eigentumsviertel) Fr. 5959.47
»des Klägers (Rest)... Fr. 17878.41
= Aktivenüberschuss . Fr. 23837.88; der Pflichtteil des Klägers ist durch jene
Zuwendungen somit um 5092 Fr. 89 Cts. verkürzt worden. Um diesen Betrag sind
daher die 17000 Fr. herabzusetzen, sodass der Beklagten unter diesem Titel
noch bleiben 11907 Fr. 11 Cts., welche zusammen mit dem Eigentumsviertel von
6959 Fr. 47 Cts. wieder das weiter oben ausgerechnete Betreffnis der Beklagten
von 17866 Fr. 58 Cts. ergeben.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 59 II 128
Date : 01. Januar 1932
Published : 23. Juni 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 II 128
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Inhalt der Auskunftspflicht der Erben gemäss Art. 610 ZGB (Erw. 2).Bei Ermittlung des...


Legislation register
ZGB: 462  471  474  475  553  610
BGE-register
45-II-381 • 59-II-128
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
defendant • testator • compulsory portion • property • inventory • heir • lower instance • federal court • spouse • duty to give information • endowment • marriage • peculiarity • fraction • statement of affairs • decision • statement of reasons for the adjudication • prosecutional dividend • calculation • intention
... Show all