S. 169 / Nr. 30 Post, Telegraph und Telefon (d)

BGE 59 I 169

30. Urteil vom 21. September 1933 i. S. Plozza gegen Eidg. Postdepartement.


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Regeste:
Art. 10 VDG Stellung des Bundesgerichts bei Ermessensfragen. Erw. 2.
Art. 26 lit. c. Postverkehrsgesetz: Die «vorhandenen Beförderungsmittel der
Post»: die der Postverwaltung gehörenden Postwagen, unter Ausschluss der
Wagen, die sie bei der Bahn requirieren kann. Massensendungen (eines einzelnen
Aufgebers), für die die Postwagen nicht genügen, fallen unter Art. 25 lit. c
P.V.G. Auf solchen Sendungen kann nach § 56 Abs. 2 der Postordnung ein
Taxzuschlag erhoben werden. Erw. 3 und 4.

A. - Die Rekurrenten versenden im Sommer vom Puschlav aus Heidelbeeren an
Schweizer Abnehmer. Da zur Beförderung dieser Sendungen die auf der
Empfangsstrecke verkehrenden Postwagen nicht genügen und die Miete von
Bahnwagen jeweils erhebliche Mehrkosten verursacht, erhebt die Post auf diesen
Sendungen einen als Dringlichkeitsgebühr bezeichneten Taxzuschlag.
Am 16. Juni 1932 ersuchten die Rekurrenten die Kreispostdirektion Chur um
Aufhebung dieser Dringlichkeitsgebühr. Das Begehren wurde abgewiesen und der
abweisende Entscheid am 9. Januar 1933 vom Eidg. Post- und
Eisenbahndepartement bestätigt.
B. - Gegen diesen Entscheid erhoben die Rekurrenten die
verwaltungsgerichtliche Beschwerde ans Bundesgericht, mit dem Antrag:
«Das Bundesgericht wolle den angefochtenen Entscheid aufheben und anerkennen,
dass die Postverwaltung pflichtig sei, Heidelbeersendungen aus dem
Puschlavertal nach den übrigen Teilen der Schweiz, die das Gewicht von 5 kg
pro Kolli nicht übersteigen,

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auf die bisherige Art zu befördern, jedoch zu den gewöhnlichen Taxen, also
ohne Erhebung des Zuschlages von 20 Rp. pro Kolli».
C. - Das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement schliesst auf Abweisung, soweit
es sich nicht um Ermessensfragen handle, in der Meinung, dass über diese vom
Bundesrat zu entscheiden sei.
D. - Die Rekurrenten berichtigen in ihrer Replik ihr Rechtsbegehren dahin,
dass es heissen sollte «... bis 15 kg pro Kolli....».
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- In ihrer Beschwerde an das Departement haben die Rekurrenten das Begehren
gestellt, dass auf den Kolli, die das Gewicht von 5 kg nicht übersteigen,
keine Zuschläge erhoben werden .dürfen. Im angefochtenen Entscheid stellte das
Departement fest, dass sich die Beschwerde nur beziehe auf die Sendungen bis 5
kg und dass hinsichtlich der Sendungen über 5 kg der Entscheid der
Generaldirektion nicht angefochten und daher anerkannt sei. Entsprechend
lautet auch das Begehren der verwaltungsrechtlichen Beschwerde.
In der Replik wird dann gesagt: Es habe sich im Rechtsbegehren ein Irrtum
eingeschlichen, anstatt von 5, sollte darin von 15 kg die Rede sein.
Das ist aber nicht die Berichtigung eines blossen Versehens in der
Formulierung des Begehrens der verwaltungsrechtlichen Beschwerde, sondern eine
Änderung des Begehrens, auf die nicht eingetreten werden kann, einmal wegen
Verspätung, und sodann weil hinausgehend über das Begehren an das Departement
und damit den Entscheid des letztern.
2.- Der angefochtene Entscheid ist ein solcher des eidg. Postdepartements, der
sich stützt auf das PVG und die PO. Er betrifft die Frage der Zulässigkeit
einer Posttaxe. Er unterliegt daher der verwaltungsrechtlichen Beschwerde nach
dem VDG Anhang XII und Art. 4 a

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und 52 e. Soweit es sich in den streitigen Punkten um Ermessungsfragen handeln
sollte, kann das Bundesgericht den Entscheid freilich nicht nachprüfen (s.
KIRCHHOFER: Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht S. 56 f.) oder doch
nur daraufhin, ob eine Ermessensüberschreitung vorliege (ebenda S. 49, 53,
60). Hieraus ergäbe sich aber nicht die Inkompetenz des Bundesgerichts,
sondern nur eine Beschränkung seiner Kognition. Übrigens werden die
nachfolgenden Erwägungen zeigen, dass man es in de Hauptsache nicht mit
Ermessensfragen zu tun hat.
3.- Nach Art. 1 l b PVG fallen u.a. unter das Postregal verschlossene
Sendungen bis 5 kg. Dem Postregal entspricht auch eine Beförderungspflicht der
Post (Art. 4), die sich aber auch auf Sendungen erstreckt, die dem Postregal
nicht unterliegen, z.B. Sendungen über 5 kg. Das Gesetz statuiert indessen
Ausnahmen von der Beförderungspflicht indem gewisse Sendungen von der
Postbeförderungspflicht direkt ausgeschlossen sind, andere wenigstens keinen
Anspruch auf Beförderung haben. Eine solche Ausnahme kommt hier in Betracht,
nämlich die in Art. 25 c vorgesehene. Art. 25 c lautet: «Von der
Postbeförderung sind ausgeschlossen: c. Sendungen, die sich wegen ihres
Umfanges oder ihrer sonstigen Beschaffenheit für die Postbeförderung nicht
eignen, oder wofür die vorhandenen Beförderungsmittel der Post nicht
ausreichen». Gestützt auf diese Bestimmung verneint die Postverwaltung ihre
Pflicht, die Massensendungen von Heidelbeeren aus dem Puschlav zu befördern.
Ist die Post nicht verpflichtet, die fraglichen Sendungen zu befördern, so
kann sie deren Annahme verweigern . Sie kann sie aber auch, was ein Minus
gegenüber dem Ausschluss ist, freiwillig befördern gegen einen Taxzuschlag.
Diesfalls bestimmt § 56 2 PO:
«Befördert die Post ausnahmsweise und freiwillig Sendungen, die gemäss Art.
25, Abs. 1, Buchst. c, des Gesetzes von der Beförderung ausgeschlossen sind,

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weil die ordentlichen Beförderungsmittel nicht ausreichen, so ist sie
berechtigt:
a. die Beförderung dieser Sendungen auf verschiedene Kurse zu verteilen, ohne
dass der Absender einen Anspruch auf Entschädigung wegen Verspätung erhält,
oder
b. Taxzuschläge zu erheben, um die ihr aus der ausserordentlichen Beförderung
erwachsenden Kosten zu decken.»
Ob die Post in einem solchen Falle einen Taxzuschlag erhebt und wie hoch sie
event. den Taxzuschlag (im Rahmen der ihr erwachsenden Mehrkosten) festsetzt,
das sind freilich typische Ermessensfragen, die sich der Nachprüfung des
Bundesgerichts entziehen. Sie sind aber hier auch gar nicht streitig. Die
Rekurrenten verneinen, dass der erwähnte Tatbestand des Art. 25 c PVG auf ihre
Massensendungen von Heidelbeeren aus dem Puschlav zutreffe. Für den Fall aber,
dass nach dieser Bestimmung die fraglichen Sendungen von der Beförderung
sollten ausgeschlossen werden können, fechten sie die Zuschlagstaxe von 20 Rp.
pro Sendung weder an sich, noch der Höhe nach an.
4.- Der Streit dreht sich somit in erster Linie darum. ob die Massensendungen
der Rekurrenten Anspruch auf Beförderung durch die Post haben, und das hängt
von der Auslegung des Art. 25 c PVG ab.
Diese Bestimmung enthält zwei Tatbestände des Ausschlusses von der
Postbeförderung: a) die Sendungen, die sich wegen ihres Umfanges oder ihrer
sonstigen Beschaffenheit für die Postbeförderung nicht eignen, wobei offenbar
abgestellt wird auf die Art der einzelnen Sendung, und b) die Sendungen, wofür
die vorhandenen Beförderungsmittel der Post nicht ausreichen. Hier kann es im
Gegensatz zur Ausnahme a nicht auf die Beschaffenheit der einzelnen Sendung
(im Verhältnis zu derjenigen der in Betracht kommenden Transportmittel)
ankommen -sonst hätte die Ausnahme b neben der Ausnahme a

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keine selbständige Bedeutung-, sondern das Gesetz hat Massensendungen eines
Aufgebers im Auge, wie sie hier vorliegen. Und die entscheidende Frage ist
die, was unter den «vorhandenen Beförderungsmitteln der Post» im Sinne des
Art. 25 c zu verstehen ist, ob es, was die Postverwaltung vertritt, die
ordentlichen Beförderungsmittel sind, wie sie nach dem normalen Umfang des
Postverkehrs notwendig sind, oder ob damit, was die Rekurrenten geltend
machen, auch ausserordentliche Mittel gemeint sind, wie sie die Post sich bei
ausserordentlichen Verhältnissen vorübergehend verschaffen kann. Nach der
erstern Auffassung ist hier «vorhandenes Beförderungsmittel der Post» der
Bahnpostwagen, der regelmässig auf der Berninabahn verkehrt und der in der
Lage ist, den ganzen Postverkehr des Puschlav zu bewältigen mit Ausnahme eben
der Massensendungen von Heidelbeeren; nach der letztern würden auch die
Bahnwagen darunter fallen, welche die Post für diese Massensendungen von der
Bahn requirieren kann und bisher auch requiriert hat. Diese Frage der
Auslegung des Art. 25 c PVG ist nicht Ermessens-, sondern Rechtsfrage, da es
sich darum handelt, die Bedeutung eines gesetzlichen Begriffs festzustellen
(KIRCHHOFER, a.a.O., S. 48 ff.).
Sie ist im Sinne der Postverwaltung zu lösen, wie übrigens auch der Bundesrat
im Entscheid vom 17. Juni 1921 die analoge Bestimmung des PG vom 5. April 1910
bereits so ausgelegt hat und die PO in Art. 56 2 den Art. 23 c so versteht.
Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes erscheinen als die «vorhandenen
Beförderungsmittel der Post» die Beförderungsmittel, die ihr Eigentum sind
oder über die sie doch ständig verfügt, nicht aber Beförderungsmittel, die bei
andern Stellen vorhanden sind und auf welche die Post lediglich im Notfall,
ausnahmsweise, greifen kann. Wollte man auch diese letztern Beförderungsmittel
als solche der Post nach Art. 25 c ansehen, so hätte diese beschränkende
Bestimmung kaum eine praktische Bedeutung mehr, da ja die Post wohl überall in
der Lage ist,

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sich in ausserordentlichen Fällen auch ausserordentliche Beförderungsmittel zu
verschaffen. Der Zweck der Bestimmung ist aber offenbar der, zu verhindern,
dass an die Post Anforderungen gestellt werden, denen sie mit ihren normalen
Beförderungsmitteln nicht gewachsen ist. Dabei wird freilich vorausgesetzt,
dass diese normalen Beförderungsmittel ausreichend bemessen sind und nur ganz
ausserordentlichen Verhältnissen nicht genügen, wie sie bei den
Massensendungen von Heidelbeeren aus dem Puschlav vorliegen, die von einigen
wenigen Personen aufgegeben werden. Bei der Interpretation jener Vorschrift
kann auch keine Rolle spielen, ob die Post ein Recht darauf habe, dass eine
Bahn ihr ausserordentliche Beförderungsmittel im Notfall zur Verfügung stelle,
weil durch einen solchen Anspruch das ausserordentliche Beförderungsmittel der
Bahn nicht ein ordentliches und normales der Post wird (die Frage kann daher
hier auf sich beruhen bleiben, s. Eisenbahngesetz Art. 19, Nebenbahngesetz
Art. 4).
Man kann auch bei Massensendungen der vorliegenden Art,, bei denen von
vornherein klar ist, dass die vorhandenen Beförderungsmittel der Post bei
weitem nicht ausreichen, auf dem Boden des Art. 25 c PVG und speziell des § 56
2 PO nicht wohl unterscheiden zwischen der verhältnismässig geringen Zahl, die
noch im Postwagen befördert werden könnte und denjenigen, für welche Bahnwagen
requiriert werden müssen. Die Ausführungen der Antwort sind in diesem Punkt
überzeugend: die Massensendung erscheint in gewissem Sinne als eine Einheit;
die Differenzierung wäre praktisch nicht durchzuführen und würde dem Gedanken
der Rechtsgleichheit widersprechen. Übrigens hätte es die Postverwaltung in
der Hand, den Ausfall, den sie auf einzelnen Sendungen durch die Unterlassung
des Zuschlages erleiden würde, dadurch gutzumachen, dass sie auf der grossen
Masse der andern den Zuschlag entsprechend erhöht.
Dass die Post in andern Gegenden der Schweiz analoge

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Massensendungen, die mit den normalen Beförderungsmitteln nicht transportiert
werden können, ohne Zuschlag zulassen würde, ist nicht ersichtlich. Nach den
Angaben der Postverwaltung werden Früchtesendungen aus dem Tessin und andern
Gegenden nicht in derartigen Massen spediert, dass die vorhandenen
Beförderungsmittel der Post, das heisst eben die gewöhnlichen
Beförderungsmittel nicht ausreichen.
5.- Nach dem Gesagten kann sich die Postverwaltung für ihren Standpunkt auf
Art. 25 o PVG in Verbindung mit § 56 Abs 2 a PO stützen. Es kann deshalb
dahingestellt bleiben, ob die Zuschläge sich auch rechtfertigen liessen nach
Art. 26 PVG in Verbindung mit § 58 o und 61 PO.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Vgl. Nr. 30. - Voir No 30.
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Document : 59 I 169
Date : 01. Januar 1932
Published : 21. September 1933
Source : Bundesgericht
Status : 59 I 169
Subject area : BGE - Verwaltungsrecht und internationales öffentliches Recht
Subject : Art. 10 VDG Stellung des Bundesgerichts bei Ermessensfragen. Erw. 2.Art. 26 lit. c...


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