BGE 58 III 105
26. Entscheid vom 23. Juni 1932 i. S. Weill
Regeste:
Gewahrsam der Ehefrau an den in der Betreibung gegen ihren Ehemann gepfändeten
Sachen: beurteilt sich in jedem Fall nur darnach, ob sie über jene Sachen
tatsächlich verfügen kann, gleichgültig, ob es sich um gemeinsam benützten
Hausrat oder um andere Gegenstände handelt.
Auch wenn die Ehefrau für die in Betreibung gesetzte Forderung solidarisch mit
ihrem Ehemann haftet, kann sie ihr Eigentum in einer gegen den Ehemann allein
gerichteten Betreibung vindizieren. Art. 106 f
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
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1 | Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an. |
2 | Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist. |
3 | Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes. |
Pour résoudre la question de la possession de la femme quant aux objets saisis
dans la poursuite intentée contre le mari, on doit seulement rechercher si la
femme peut en fait disposer desdits biens; il importe peu qu'il s'agisse
d'ustensiles de ménage utilisés en commun ou d'autres objets.
Même lorsque la femme répond solidairement avec le mari de la dette en
poursuite, elle peut revendiquer ses propres dans la poursuite dirigée contre
le mari seul. Art. 106 et av. LP.
Per decidere se la moglie ha il possesso degli oggetti pignorati in
un'esecuzione diretta contro il marito, si deve esaminare soltanto se la
moglie può disporre effettivamente di quei beni; non importa al riguardo che
si tratti d'utensili domestici usati in comune o d'altri oggetti.
In un'esecuzione che sia diretta soltanto contro il marito, la moglie può
rivendicare i beni che le appartengono in proprio
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anche se risponde in solido col consorte del debito oggetto dell'esecuzione.
Art. 106 L. E. f.
Am 26. Januar 1932 pfändete das Betreibungsamt Biel in der Betreibung des
Rekurrenten No. 10180 gegen Hermann Frentzel ein Tunnel-Karussel, das damals
in Basel in Betrieb stand und seit 11. Februar 1932 in Biel eingelagert ist.
Als die Ehefrau des Schuldners dieses Karussel zu Eigentum ansprach und diese
Ansprache vom Gläubiger bestritten wurde, setzte das Amt der Ansprecherin
gemäss Art. 107
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 107 - 1 Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
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1 | Schuldner und Gläubiger können den Anspruch des Dritten beim Betreibungsamt bestreiten, wenn sich der Anspruch bezieht auf: |
1 | eine bewegliche Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Schuldners; |
2 | eine Forderung oder ein anderes Recht, sofern die Berechtigung des Schuldners wahrscheinlicher ist als die des Dritten; |
3 | ein Grundstück, sofern er sich nicht aus dem Grundbuch ergibt. |
2 | Das Betreibungsamt setzt ihnen dazu eine Frist von zehn Tagen. |
3 | Auf Verlangen des Schuldners oder des Gläubigers wird der Dritte aufgefordert, innerhalb der Bestreitungsfrist seine Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht vorzulegen. Artikel 73 Absatz 2 gilt sinngemäss. |
4 | Wird der Anspruch des Dritten nicht bestritten, so gilt er in der betreffenden Betreibung als anerkannt. |
5 | Wird der Anspruch bestritten, so setzt das Betreibungsamt dem Dritten eine Frist von 20 Tagen, innert der er gegen den Bestreitenden auf Feststellung seines Anspruchs klagen kann. Reicht er keine Klage ein, so fällt der Anspruch in der betreffenden Betreibung ausser Betracht. |
die Ansprecherin rechtzeitig Beschwerde mit dem Antrag, das Amt zu verhalten,
nach Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
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1 | Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
1 | Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; |
2 | Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. |
2 | Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. |
3 | Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. |
4 | Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227 |
5 | Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still. |
Ehemann, indem sie damit von Ort zu Ort zögen; sie habe daran Gewahrsam und
könne tatsächlich darüber verfügen.
Mit Entscheid vom 6. April 1932 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die
Beschwerde gutgeheissen und das Betreibungsamt angewiesen, in der Betreibung
No. 10180 gemäss Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
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1 | Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen: |
1 | Klagen nach Artikel 107 Absatz 5; |
2 | Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat. |
2 | Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen. |
3 | Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt. |
4 | Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227 |
5 | Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still. |
Entscheides wird ausgeführt, es sei anzunehmen, dass die Eheleute Frentzel ihr
Wandergewerbe gemeinsam in einer Weise ausüben, dass gegen aussen kein
Unterschied der Stellung der Frau gegenüber derjenigen des Mannes in
Erscheinung trete. So habe sie den Vertrag über die Einlagerang des Karussels
in eigenem Namen unterzeichnet, während der Ehemann z. B. über die Aufstellung
des Karussels mit der Stadt Biel unterhandelt habe. Der Ehefrau müsse unter
diesen Umständen Mitgewahrsam zuerkannt werden.
Diesen Entscheid zog der Gläubiger rechtzeitig an das Bundesgericht weiter mit
dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Allerdings war im Fall Federspiel (BGE 57 III 180) Gegenstand des Entscheides
die Ansprache einer Ehefrau
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am gepfändeten Hausrat; doch wurde die Lösung hergeleitet aus der Überlegung,
dass es beim Entscheid darüber, ob der Drittansprecher Gewahrsam habe oder
nicht, auch dann, wenn als Ansprecherin eine Ehefrau auftrete, nur darauf
ankommen könne, ob sie die tatsächliche Gewalt über die gepfändeten Objekte
innehabe oder nicht. Diese Überlegung muss aber als richtig anerkannt werden
gleichgültig, ob sich die Ansprache im einzelnen Fall auf gemeinsam benützten
Hausrat bezieht oder auf andere Gegenstände.
Die - auch vom Rekurrenten nicht bestrittene - Tatsache, dass der Mietvertrag
über das Lokal, in welchem das Karussel heute eingelagert ist, von der
Ansprecherin in eigenem Namen abgeschlossen worden ist, spricht dafür, dass
die Ansprecherin in der Tat nicht bloss ihrem Mann beim Betrieb des Karussels
behilflich ist, sondern dass die beiden Ehegatten das Karussel gemeinsam
ausbeuten und dass jeder Teil, also auch die Ansprecherin, die Möglichkeit
hat, über das Karussel zu verfügen. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz
die Ansprecherin mit Recht als im Mitgewahrsam befindlich behandelt. Auch
Mitgewahrsam (mit dem Schuldner) verschafft aber nach ständiger Rechtsprechung
Anspruch auf die Beklagtenrolle im Widerspruchsverfahren.
Unerheblich ist, dass die Ansprecherin bisher keinen Beweis dafür, dass sie
wirklich Eigentümerin oder Miteigentümerin sei, erbracht oder auch nur
anerboten hat. Hiezu wird sie erst im Prozess Veranlassung haben; im
vorliegenden Beschwerdeverfahren war lediglich die Gewahrsamsfrage abzuklären,
und hiefür ist entscheidend nicht der Bestand des geltend gemachten Rechtes,
sondern die Innehabung der (rein tatsächlichen) Verfügungsmacht.
Auf was für Abmachungen diese gemeinsame Ausbeutung des Karussels beruht,
braucht nicht erörtert zu werden; denn auch bei Annahme eines
Gesellschaftsverhältnisses und daraus hervorgehender solidarischer Haltbarkeit
der Ansprecherin für die in Betreibung gesetzte
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und mit jenem Gewerbebetrieb zusammenhängende Forderung braucht sich die
Ansprecherin nicht gefallen zu lassen, dass ihr Eigentum in einer gegen den
Ehemann allein gerichteten Betreibung gepfändet werde.
Demnach erkennt die Schuldbetr.-u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.